Freiheit lehren, Mut vermitteln: Opernregisseurin Regina Heer.
Regina Heer ist freischaffende Opernregisseurin und leitet den szenischen Unterricht an der Hochschule Luzern. Nach Jahren als Regieassistentin wollte sie zudem selber ran: In ihren Inszenierungen wird sie zur Märlitante.
Zuerst war Regina Heer glücklich mit ihrem Job als Regieassistentin. Nach den Stationen Zürich und Luzern arbeitete sie an der Metropolitan Opera in New York. Im Verlauf der Zeit packte sie jedoch immer mehr die Lust, selber zu inszenieren. «Ich habe mir oft die Frage gestellt: Wie weiss ich, ob ich das kann?», kommentiert sie diese Entwicklung. Ein befreundeter Regisseur, mit dem sich Heer oft austauschte, gab ihr schliesslich einen entscheidenden Rat: «Er meinte, ich müsse einfach mal machen», beschreibt sie seine Worte und fährt fort: «Wenn ich wirklich eine Leidenschaft dafür habe, wie ich Geschichten durch Menschen und Musik erzählen möchte, dann ist der Rest ein Handwerk, das man erlernen kann.»
Visuelle Begabung
Wenn Heer ein Libretto (also einen Operntext) liest, singt sie oft lauthals mit. Das Visuelle ist für sie ganz natürlich: «Beim Hören und Lesen einer Oper habe ich sofort Bilder im Kopf, sehe das Bühnenbild, die Menschen auf der Bühne und vieles mehr schon vor mir. Es funktioniert wie das absolute Gehör, ist so selbstverständlich! Ich behaupte, dass dies meine Begabung ist.» Das sagt sie ohne jegliche Spur von Überheblichkeit – Regina Heer ist eine Person, die weiss, was sie kann. Ein ständig wiederkehrendes Thema in der Oper ist die Stellung der Geschlechter– ein Thema, das die Regisseurin in ihrem persönlichen Schaffen immer beschäftigt: «Die Oper ist fürchterlich männerdominiert und das Frauen- und Männerbild eine Katastrophe. Ich will da etwas verändern und ein anderes Bewusstsein schaffen». Die Wut der Frau findet auch in ihrer Produktion von «Les Adieux» mit der Hochschule Luzern – Musik ihren Platz: Männer werden erdrückt und erschlagen. Heer: «Nicht dass ich ‹die Männer› tot haben will – aber eine Wut darüber, was uns Frauen in den letzten 2’000 Jahren angetan wurde, besteht schon.»
Oper vs. Schauspiel
Die jährlichen Opernbesuche mit der Familie waren schon als Kind ein Highlight für Heer. Ihre Eltern legten grossen Wert auf musikalische Bildung – sie spielte Klavier und sang in den Kirchenchören ihres Vaters, unter anderem im semiprofessionellen Opernchor des Theaters Winterthur. Sängerin zu werden blieb lange ein Berufswunsch, trotzdem machte sie zuerst eine Ausbildung zur Primarlehrerin. Die Arbeit mit Kindern nährte sie aber nicht genug: «Erwachsene zu unterrichten geht für mich auf. Wenn eine erwachsene Person das Lernen verweigert, ist das ihre Sache – sie kann Verantwortung für sich übernehmen. Kinder können das aber nicht.» In Basel und Zürich startete Heer ihre musikpädagogische Tätigkeit mit der «Opernwerkstatt». Die Kurse waren gut und bunt besucht – Laien, Studierende aus dem PreCollege und Senior*innen. Seit 2004 doziert sie in Basel, seit 2011 zusätzlich in Luzern. Heute fühlt sich die Regisseurin an den Fachhochschulen, wo sie Sänger*innen ausbildet, gut aufgehoben: «Ich liebe Sänger*innen. Das Leben mit ihnen ist mir nah, es wird viel gelacht.» Mit ein Grund dafür, dass sie nur Opern inszeniert: «Ich fand es eher schwierig mit Schauspieler*innen. Bei ihnen geht es viel um Kopf, um Intellekt, zumal sie introvertierter sind», meint Regisseurin Heer und fährt fort: «Ausserdem traue ich mir Schauspiel nicht zu. In der Oper gibt die Musik Timing und Tonalität vor. Beim Text kreierst du das selbst».
Vermittlung künstlerischer Freiheit
Kämpfen musste die Dozentin für ihren Lehrbereich «Szenischer Unterricht Oper» an beiden Schulen. Dieser ist ein Randbereich, eingefordert durch den Fachbereich Gesang, dem sie angehört. «Das Wichtigste, was ich meinen Studierenden vermitteln will, ist das Verstehen und Erfahren, dass jede Art von künstlerischer Äusserung eine Unmenge an Facetten haben kann. Sie sollen lernen, sich die Freiheit zu nehmen, eine ganz persönliche Umsetzung mit Subtext und Vorstellungskraft zu füllen», so Heer. Leiten lässt sie sich dabei von verschiedenen Fragen: Wie kann ich das lehren und lernen? Wie drücke ich mich auf der Bühne selbstverständlich und authentisch aus? Wie finde ich den Mut und den Zugang zu dem, was in meinem Körper sowieso schon abgespeichert ist? «Dieser Transformationsprozess fasziniert mich immer noch total», findet die passionierte Pädagogin. Bald jedoch neigt sich ihre Zeit an den Hochschulen dem Ende zu: Heer wird in einigen Jahren pensioniert. Konkrete Pläne, wie es weitergehen soll, hat sie vorerst keine. Doch eine Konstante bleibt: «Als Kind wollte ich Märlitante werden. Heute denke ich oft, dass ich als Regisseurin eigentlich genau das mache», sagt Regina Heer – und wird das drum wohl noch für lange Zeit machen.
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