Arbeits- & Organisationspsychologie

Wie beeinflussen unsere Motive unsere Zufriedenheit?

Wie beeinflussen unsere Motive unsere Zufriedenheit?
Der Torhüter ist voll in seinem Element. Den Ball lässt er garantiert nicht durchgehen. Sind seine Motive vielleicht kongruent? (Bild von Phillip Kofler auf Pixabay)

Lesezeit 5′ Minuten // Ein Beitrag von Céline Adekunle

Luca Simoni* (23) ist Profi-Fussballer. Er ist überzeugt, dass ihn das Erbringen von Leistung und das Erreichen von Zielen zufrieden machen sollte. Immer wieder beschleicht ihn aber eine latente Unzufriedenheit. Egal wie hart er arbeitet: so richtig befriedigend fühlt es sich nie an. Sind seine Motive das Problem?

* Hierbei handelt es sich um einen fiktiven Charakter 

Was sind Motive? 

Jeder Mensch wird von Motiven geleitet. Die besterforschten Motive sind die der Leistung, der Macht und des sozialen Anschlusses. Ein stark ausgeprägtes Leistungsmotiv sorgt dafür, dass wir uns immer wieder in Situationen begeben, in denen wir durch erbrachte Leistungen zu Erfolgerlebnissen gelangen. Menschen mit einem starken Machtmotiv streben Positionen an, in denen sie Einfluss nehmen können. Sei dies die klassische Führungsrolle oder die einer Lehrperson. Wir werten ein hohes Machtbedürfnis oft negativ. Hier sollten wir dies aber nicht tun. Ghandi zum Beispiel war ein mächtiger Mann, er setzte diese Macht jedoch für Belange ein, die vielen Menschen wichtig waren und dem Allgemeinwohl dienten. Oder erinnern Sie sich vielleicht noch an eine Lehrkraft, die an Sie geglaubt hat und Sie positiv beeinflusst hat? Sie könnte auch von einem Machtmotiv geleitet gewesen sein. Ein ausgeprägtes Anschlussmotiv spricht dafür, dass man sich in Situationen wohlfühlt, in denen man sich mit anderen Menschen verbinden kann. Man sucht sich dann vielleicht eine Arbeitsstelle, in der grossen Wert auf ein kollegiales Miteinander gelegt wird, oder aber man engagiert sich in seiner Freizeit in einem Verein. 

Was unterscheidet implizite von expliziten Motiven? 

Implizite Motive beeinflussen uns unbewusst; wir entwickeln sie im vorsprachlichen Kindesalter. Eine Studie von McClelland & Pilon vom Jahre 1983 zeigte auf, dass ein häufiges Nichtreagieren der Eltern auf das Weinen ihres Kindes die Entwicklung des Anschlussmotivs fördern kann. Eine strenge Erziehung in puncto Sauberkeit und Ernährung hingegen kann die des Machtmotivs begünstigen. 

Die expliziten Motive treiben uns bewusst an. Wir können diese im Gegensatz zu den impliziten Motiven wahrnehmen und ausformulieren. Luca Simoni, der Profi-Fussballer, den wir im Einführungsabsatz kennen gelernt haben, hat das Leistungsmotiv als sein explizites Motiv erkannt.  

Hängen implizite und explizite Motive zusammen? 

Ebenfalls McClelland & Pilon erforschten 1989 den Zusammenhang von expliziten und impliziten Motiven. Sie wollten wissen: Sagen unsere bewusst wahrgenommenen, expliziten Motive etwas über unsere impliziten Motive aus? Das Ergebnis: Nein. Unsere expliziten Motive sind situationsabhängiger und sagen unmittelbare Reaktionen voraus, angetrieben von momentanen sozialen Anreizen. Sie sind kognitiv ausgearbeitet. Die impliziten Motive jedoch sind affektiver gesteuert, sie zeigen langfristige Verhaltenstrends auf. Das Vergnügen an der reinen Ausführung einer bestimmten Handlung an sich ist von impliziten Motiven gesteuert. Die beiden Motive können absolut unterschiedlich ausfallen und sie weisen keinerlei Korrelation auf. 

Wie beeinflussen uns diese Motive? 

Unsere Motive steuern unser Verhalten tagtäglich. Im Idealfall besteht eine Motivkongruenz: unsere impliziten und expliziten Motive stimmen überein. Dann begeben wir uns immer wieder in Situationen, in denen wir diese Motive unbewusst erfüllen können. Wir erleben eine grössere Zufriedenheit im Alltag, wie beispielsweise die Person mit einem impliziten Anschlussmotiv, die eng mit ihrem eingespielten Team mit grossem Zusammenhalt arbeiten kann. Sie kann ihr Anschlussmotiv ideal befriedigen.

Stimmen die beiden Motive jedoch nicht überein, spricht man von einer Motivinkongruenz. Dies ist bei Luca Simoni der Fall. Sein explizites Motiv ist das Leistungsmotiv. Er sucht immer wieder Situationen auf, in denen er Leistung erbringen, abrufen und zeigen kann. So hat er sich auch dafür entschieden, eine Fussballkarriere in Angriff zu nehmen. Er arbeitet hart, um seinem expliziten Motiv gerecht zu werden. Was er aber nicht weiss: Sein implizites Motiv ist das Machtmotiv. Er wird sein implizites Motiv mit seinen Handlungen nicht befriedigen können, egal wie hart er arbeitet. Er wird dank dieser Inkongruenz ständig eine latente Unzufriedenheit verspüren. 

Diesen Sachverhalt zeigen auch diverse Studien, wie beispielsweise die von Hugo M. Kehr im Jahre 2004: Er untersuchte das Machtmotiv von 82 ManagerInnen. Die Ergebnisse: Je mehr das explizite Motiv der ManagerInnen vom impliziten Machtmotiv abwich, desto kleiner war die volitionale Stärke dieser Personen. Sie mussten viel mehr Anstrengung an den Tag legen, um ihre Willenskraft zu entfesseln. Auch ihre gemessene Zufriedenheit fünf Monate später war niedriger als die der ManagerInnen mit kongruenten Motiven. 

Kann man sein implizites Motiv beeinflussen? 

Wenn man der Studie von McClelland & Winter Glauben schenken kann: Ja. Sie untersuchten 1969 den Erfolg von EntrepreneurInnen in den beiden Städten Kakinada und Rajahmundry in Indien. 52 KleinunternehmerInnen aus Kakinada liessen sie an einem einwöchigen Intensivtraining teilnehmen, das Themen wie Erfolgsmotivierung, Zuversicht, realistische Zielsetzung und positive Selbstbewertung behandelte. Alles Themenbereiche, die dem Leistungsmotiv zuzuschreiben sind. Zwei Jahre später erzielten die UnternehmerInnen aus Kakinada bedeutend grössere Erfolge und sie konnten mehr Arbeitsstellen schaffen als die Vergleichsstichprobe ohne Training aus Rajahmundry. Die Forscher erklärten dies durch die Beeinflussung ihres impliziten Motivs. 

Wie kann man nun die Motive nutzen, um die Zufriedenheit im Arbeitsleben zu steigern? 

Ein wichtiger Faktor ist es, sein implizites Motiv zu kennen. Es gibt Testverfahren, mit denen man seine impliziten Motive messen kann, wie den thematischen Apperzeptionstest (TAT). Beim TAT schreibt die Testperson zu vorgegebenen Bildergeschichten einen Text. Die Psychologin oder der Psychologe wertet diesen Text aus, indem sie oder er bestimmte Schlagwörter analysiert, auszählt und einem der Motive zuordnet. Wenn man sein implizites Motiv erschliesst, kann man wie die indischen KleinunternehmerInnen versuchen, dieses zu verändern. Eine weitere Option wäre, seine expliziten Motive zu hinterfragen und anzupassen: Wenn Luca Simoni den Test absolviert hat und nun weiss, dass ihn ein Machtmotiv antreibt, kann er seine Karriereziele überdenken. Vielleicht könnte er eine Position als Trainer anstreben und so künftig sein Machtmotiv befriedigen. Sobald seine expliziten Handlungen mit dem impliziten Motiv übereinstimmen, wird er schnell merken, wie seine innere Zufriedenheit ansteigt. 


Referenzen

  • Brandstätter, V., Schüler, J., Puca, R.M. & Lozo, L. (2018). Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie für Bachelor. Berlin: Springer.
  • HSLU Unterrichtsmaterial, Motivationspsychologie (HS19/20, Woche 03), Implizite Motive, Dozierende: Annabelle Hofer, Domingo Valero, & Sylvia Manchen Spörri
  • Cover Image von Phillip Kofler auf Pixabay 

Informationen zur Autorin

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Moduls «Kommunikationskompetenz: Mit Texten und Bildern informieren» an der Hochschule Luzern – Wirtschaft.

Céline Adekunle (31) ist Studentin der Wirtschaftspsychologie an der HSLU W im 3. Semester. Sie ist zweifache Mutter und arbeitet Teilzeit für die Schweizer Radio und Fernsehgesellschaft. Für den Studiengang Business Psychology hat sie sich entschieden, weil die menschliche Psyche sie einfach sehr fasziniert. Wie wir Entscheidungen treffen, wo uns Heuristiken hinters Licht führen, das wollte sie genauer wissen.

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