Botticellis Blumen auf der Hose
Woher nehmen Textildesignerinnen und -designer ihre Inspiration? Zum Beispiel aus der Kunst: Für ihre Entwürfe nutzt Studentin Inês Dos Santos Bordonhos Referenzen auf klassische Gemälde.
Inês Dos Santos Bordonhos holt sich Ideen für ihre Textilentwürfe gerne auf den Plattformen Pinterest und Instagram. Irgendwann fällt ihr auf, dass viele der dort gezeigten Entwürfe auf die gleichen Quellen zurückgehen – aber welche, das erfährt sie nicht. Als sich die Zürcherin für ein Thema ihrer Bachelor-Arbeit in Textildesign entscheiden muss, ist ihr schnell klar, dass sie eine Arbeit über Referenzen schreiben möchte. Weil sie kunstgeschichtliche Themen, Mode und Textildesign interessieren, bringt sie in ihrer Arbeit «The Art of Referencing» alle drei zusammen: Sie verarbeitet die Bilder «Las Meninas» von Diego Velázquez, «Die Gesandten» von Hans Holbein dem Jüngeren und «Primavera» von Sandro Botticelli. Zunächst recherchiert sie tief in die Kunstgeschichte der Werke: «Alle Gemälde haben sehr viel zu bieten: kunsthistorisch, politisch, interpretatorisch», sagt die 23-jährige. «Deshalb habe ich sie ausgesucht.»
Sie fand Motive, die sie für ihre Übersetzung in zeitgenössisches Textildesign nutzen und die sie selbst neu interpretieren konnte. So zeigt ein stark gerüschtes Top Hintergrundbilder des Velázquez-Werkes, die auch im Original kaum zu erkennen sind. Die dazugehörige Jacke lässt durch einen rahmenartigen Ausschnitt auf dem Rücken ein Gemälde auf der Rückseite des Tops erkennen. Die über 195 Blumen des Botticelli-Werkes hat sie auf einer geblümten Hose versammelt. Holbeins Gesandte wiederum stehen links und rechts von einem Totenkopf. «Ich fand das Bild immer lustig», sagt die Zürcherin, «denn der Totenkopf wirkt, als wäre er mit Photoshop verzerrt worden.» Sie hat den Spiess umgedreht: Auf ihren Entwürfen stimmen die Perspektiven des Totenkopfs, dafür sind die Gesandten verzerrt. Für andere Stücke nutzt sie die Verzierungen eines Teppichs, auf den die beiden Herren ihre Arme stützen, oder die Herzform, die die beiden mit ihren Armbewegungen bilden.
Insgesamt hat sie drei Skizzen je Werk erstellt, je eine davon ausgesucht und zwei Hosen, einen Rock, drei Topps und eine Jacke mit verschiedenen Techniken umgesetzt: Mit Inkjet hat sie die Gemälde gedruckt, Tasche und Schuhe bemalt; anderes ist gestickt oder mit Siebdruck gefertigt.
Nach ihrem Studium und Ferien in Indonesien will Inês Dos Santos Bordonhos ein Praktikum in der Modeindustrie machen. Am liebsten würde sie für ein jüngeres Label arbeiten: «Wenn die Marke schon zu etabliert ist, wird man als Designerin zu sehr festgelegt. Das würde mir nicht gefallen.»
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