Digitale Unterstützung für eine Depression nach der Geburt
Digital Ideation: Lina Haag und Valerie Bachmann entwickeln eine App, die Personen hilft, eine postpartale Depression durchzustehen.
«Ich interessiere mich schon lange für das Rollenbild der Frau und Mutter in unserer Gesellschaft», sagt Lina Haag. Zufällig stiess die 22-Jährige auf das Thema der postpartalen Depression und merkte, dass das Thema noch immer schambesetzt und wenig erforscht ist. «Es gibt kaum digitale Unterstützung für Betroffene», sagt Haag. Für ihre Bachelorarbeit im Studiengang Digital Ideation schloss sich Haag, die mit Schwerpunkt Design studiert, mit Valerie Bachmann zusammen, deren Schwerpunkt auf der Informatik liegt. Zusammen entwickeln sie eine App für Personen, die an einer postpartalen Depression (PPD) leiden; eine Erkrankung, die bis heute als Tabuthema gilt, obwohl über 20 Prozent der Frauen und über zehn Prozent der Väter davon betroffen sind. Die Symptome einer PPD sind etwa depressive Verstimmungen, Angstzustände, Schlafstörungen und Suizidgedanken.
Haag und Bachmann kontaktierten den Verein Postpartale Depression Schweiz, der sich demnächst in Periparto Schweiz umbenennen wird. Sie stiessen auf so offene Ohren, dass der Verein ihnen nicht nur Ansprechpartnerinnen vermittelte, sondern ihre Idee auch weiterentwickeln möchte. «Als wir in das Thema einstiegen, realisierten wir, dass unsere beiden Mütter ohne es zu wissen nach der Geburt an postpartaler Depression gelitten hatten», sagt Lina Haag. «Das war für uns beide der Startschuss zum Projekt.» Doch vor 20 Jahren sei die Krankheit ein «extremes Tabuthema» gewesen, den Frauen sei gesagt worden, das liege «an den Hormonen». Die Betroffenen seien nicht ernstgenommen worden und ihnen wäre gesagt worden: «Du solltest doch glücklich sein».
Aus Gesprächen mit Betroffenen filterten Haag und Bachmann Informationen und suchten nach Mustern und Gemeinsamkeiten in den Abläufen, um die Ursachen der Erkrankung zu analysieren, die zentrale Problemstellung zu identifizieren und zu erkennen, was helfen kann. Die Ursachen können vielfältig sein. Sie umfassen nicht nur die extremen Umstellungen der Hormone, sondern auch sozioökonomische Umstände, oder genetische Veranlagung können ein Auslöser sein. Aber die beiden stellten auch fest, dass viele später an PPD-Erkrankte schon vor der Schwangerschaft an Perfektionismus und Kontrollzwang litten. Durch Komplikationen während der Geburt oder danach hätten sie das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Das verstärke die Unsicherheit und könne die Krankheit auslösen. Deshalb sind auch Väter betroffen. «Oft hilft es Betroffenen schon zu merken, dass sie mit ihrer Situation nicht allein sind», sagt Haag. Deshalb können User:innen in der App nach Patinnen und Paten suchen, die in Video- und Audioformaten von ihren Erfahrungen mit PPD, über ihren Krankheitsverlauf und ihre Symptome berichten und Tipps geben, was ihnen selbst geholfen hat, wieder gesund zu werden.
Nach dem Studium wollen Valerie Bachmann und Lina Haag die App so perfektionieren, dass sie in das Unterstützungsangebot des Vereins integriert werden kann. Dann können Betroffene über die App direkt nach dem für sie passenden Angebot suchen oder ein:e Pat:in kontaktieren.
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