LGBTQ+-Aufklärung an Schweizer Primarschulen
Auch heutzutage finden queere Themen an Schweizer Primarschulen wenig Beachtung. Tim Meier möchte das ändern – seine Bachelor-Arbeit unterstützt Lehrkräfte bei der LGBTQ+-inklusiven Unterrichtsgestaltung. Damit erhofft er sich einen wichtigen Beitrag für eine diverse und tolerante Zukunft zu leisten.
Leider nur zum Teil. Denn obwohl sie an der Wahlurne zuletzt wichtige Erfolge feiern konnten, werden queere Menschen auch hierzulande vielerorts noch immer angefeindet, bedroht und systemisch marginalisiert. Im zähen Ringen um Gleichberechtigung und Diversität leistet Tim Meiers Bachelor-Arbeit einen bemerkenswerten Beitrag mit grossem praktischem Mehrwert. Mit seiner Arbeit möchte Meier Lehrkräfte an Primarschulen nämlich gezielt dabei unterstützen, mit Kindern im Unterricht über LGBTQ+-Themen zu reden. Tim Meier absolvierte den Bachelor Design Management, International an der Hochschule Luzern – Design Film Kunst.
«LGBTQ+-Themen wurden bei uns in der Grundschule so gut wie gar nicht besprochen», erzählt der 26-jährige im Gespräch. Einmal sei das Thema Homosexualität im Sexualkundeunterricht beiläufig zur Sprache gekommen. Ansonsten kannte Meier das Wort “schwul” lange Zeit nur im Zusammenhang mit Mobbing auf dem Schulhof. «Ich hatte als Kind nie die Chance, LGBTQ+ als etwas “Normales” zu begreifen. Und das hat mein Verhältnis zu queerer Identität sehr lange verkompliziert – auch das zu meiner eigenen.» Aufgrund dieser Versäumnisse in der Kindheit war es für Meier laut eigener Aussage zudem lange problematisch, sich selbst als schwul zu erkennen und sich der LGBTQ+-Community zugehörig zu fühlen.
Heute weiss er deshalb umso besser, wie wichtig eine umfängliche Integration dieses Themas ist: «Wenn Kinder früh genug hören, dass Männer auch Männer und Frauen auch Frauen lieben können, dann ist es für sie nicht mehr fremd. Ich glaube, das ist das Wichtigste. So wissen sie später, wenn sie vielleicht auch so fühlen, wie damit umzugehen. Und natürlich können sie dann auch viel leichter tolerieren, wenn andere so fühlen. Wenn LGBTQ+-Themen bei uns in der Primarschule damals mehr Platz gehabt hätten, hätte mir das sicher viele unangenehme Erfahrungen erspart.».
Um diesem Thema weiter auf den Grund zu gehen, stellte Tim sich im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit deshalb folgende Frage: “Wie steht es heutzutage um LGBTQ+-inklusiven Unterricht an Schweizer Primarschulen?“ Die ernüchternde Antwort: nicht sonderlich gut. Meiers Recherche ergab, dass auch im Jahr 2021 ganze 42% der befragten Lehrkräfte im Unterricht noch immer nicht über LGBTQ+-Themen sprechen. Dafür identifiziert er mehrere Gründe:
So ist Schule erstens immer auch ein Abbild der Gesellschaft. Und die ist nun mal auch heute noch mehrheitlich heteronormativ geprägt. Den Lehrkräften fehlen oft die persönlichen Berührungspunkte mit der Community und damit einhergehend oft das Bewusstsein für alternative Lebensrealitäten. Vor allem aber sind Lehrkräfte bei der Vorbereitung und Implementierung LGBTQ+-sensibler Unterrichtsinhalte oft völlig auf sich allein gestellt. «Es mangelt eklatant an koordinierter Unterstützung, an Leitfäden, an pädagogischem Fachmaterial, auf das Lehrkräfte ihren Unterricht stützen können und das ihnen bei eigenen Unsicherheiten weiterhilft. Oft ist es gerade im Umgang mit jüngeren Kindern so, dass Lehrpersonen sich, aus Angst etwas falsch zu machen, gegen das Unterrichten von LGBTQ+-Themen entscheiden», erklärt Meier. Und genau an diesem Punkt möchte er mit seiner Arbeit ansetzen.
Meier veranstaltete zahlreiche Workshops mit insgesamt 15 Primarschul-Lehrkräften, um deren konkrete Bedürnisse für die Behandlung von LGBTQ+-Themen zu identifizieren und daraus konkrete Massnahmen für die Unterrichtsgestaltung abzuleiten. Das Ergebnis: eine innovative, kurzweilige und vor allem hilfreiche Unterrichtseinheit für altersgerechte und zeitgemässe LGBTQ+-Aufklärung an Primarschulen. Sie basiert auf dem Kinderbuch “König & König”, das die Geschichte eines Kronprinzen erzählt, der mit einer Prinzessin verheiratet werden soll – und dabei merkt, dass er nur Augen für deren Bruder hat. «Es ist ein ganz klassisches Märchen – nur neu interpretiert», sagt Tim Meier dazu.
Das Buch gibt den Rahmen der Unterrichtseinheit vor, die von Meier konzipierte Broschüre definiert Richtung und Struktur. Darin enthalten sind verschiedene Denk- und Diskussionsanstösse für die Klasse, gemeinsame Aktivitäten zum Verinnerlichen des Besprochenen sowie wichtige Tipps und Infos für die Lehrpersonen, die dabei helfen sollen, den Unterricht in möglichst konstruktive Bahnen zu lenken. Abgerundet wird die Unterrichtseinheit durch das inklusive Memory-Spiel “I ha di gärn”. Auch das hat Meier natürlich selbst entworfen – in mühevoller Kleinarbeit und mit viel Liebe zum Detail.
Im Kanton Luzern ist Meiers Arbeit bereits in mehreren Primarschulen im Einsatz. Tim Meier freut sich, dass sein Engagement Früchte trägt und auch in der Öffentlichkeit vergleichsweise hohe Wellen schlägt – so wurde er letztes Jahr sogar mit dem Swiss Diversity Award ausgezeichnet. Die weitaus wichtigere Belohnung für seine Arbeit ist für ihn aber der Ausblick auf eine diverse, inklusive und freie Gesellschaft der Zukunft.
Mini Roots,
Super Sache! Wo kann man das Buch & Memory denn kaufen?
Chris,
Das geht zu weit. Die ganze Buchstabensuppenideologie hat nichts im Unterricht von Primarschülern verloren. Es wird ja auch nicht über Depressionen, Wahnvorstellungen etc. unterrichtet. Der Unterrichtsstoff wurde nun schon genug zusammengestrichen. Es hiess doch erst kürzlich, dass die Kinder kaum mehr korrektes Deutsch können. Ich bin froh, mussten meine Kinder diese Ideologie nicht 'lernen'. Lasst die Kinder damit in Ruhe! Sie haben in der Pubertät genug Probleme! Sie werden dadurch nur verwirrt und wollen sich plötzlich umoperieren lassen um es dann später bitter zu bereuen. Ich hoffe, die Eltern wehren sich gegen diesen Trend.