{"id":3018,"date":"2021-03-29T13:44:23","date_gmt":"2021-03-29T12:44:23","guid":{"rendered":"https:\/\/hub.hslu.ch\/design-film-kunst\/?p=3018"},"modified":"2023-06-16T09:32:42","modified_gmt":"2023-06-16T07:32:42","slug":"researchers-cut-wie-ein-video-format-lehre-und-forschung-aufmischt","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/hub.hslu.ch\/design-film-kunst\/researchers-cut-wie-ein-video-format-lehre-und-forschung-aufmischt\/","title":{"rendered":"Researcher\u2019s Cut: Wie ein Video-Format Lehre und Forschung aufmischt"},"content":{"rendered":"\n

<\/p>\n\n\n\n

Wer sich ins Kino setzt, gibt die Kontrolle ab. Wie kaum ein anderes Medium fordert ein Kinofilm die unverhandelbare Aufmerksamkeit des Publikums. In einer Ausstellung k\u00f6nnen wir immerhin herumgehen. Ein Buch k\u00f6nnen wir auch mal ablegen \u2013 ohne dass sich das Buch von selbst weiterliest. Ein Film dagegen l\u00e4uft von Anfang bis Ende, w\u00e4hrend sich unsere Aufgabe auf das Stillsitzen und Zuschauen beschr\u00e4nkt. Arthouse-Filmh\u00e4user br\u00fcsten sich gar damit, Filme ohne Pause zu zeigen.<\/u> Der Zeitablauf des Filmes \u2013 durch den Regisseur oder die Regisseurin fein justiert \u2013 soll schliesslich nicht gest\u00f6rt werden.<\/p>\n\n\n

\n\t
<\/div>\n<\/div>\n\n\n\n

Der Medienwissenschaftler Johannes Binotto f\u00fchrt uns in seinem \u00abPractices of Viewing I \u2013 F.FWD\u00bb vor Augen, wie sich die Zeit im Kino unserer Kontrolle entzieht. Und auch, wie sich das Publikum seine Freiheit seit der Ankunft von VHS-Kassetten und der Fernbedienung schrittweise wieder zur\u00fcckerobert. Binotto tut dies aber nicht etwa in einem wissenschaftlichen Artikel oder einem Kongressbeitrag. Nein, \u00abF.FWD\u00bb ist selbst einen Film. Ein Film, der in den Zeitablauf von Kinofilmen eingreift. Eine Szene aus Jacques Tatis Playtime<\/em> l\u00e4uft schneller und schneller, bis sie zu einem zitternden Standbild gefriert.<\/u> Was Binotto zu erkl\u00e4ren versucht, veranschaulicht er direkt in seiner Arbeit. In der Form eines Videoessays.<\/p>\n\n\n\n

Theoretische Arbeiten \u00fcber Filme haben das ganz praktische Problem, dass sie Szenen umst\u00e4ndlich beschreiben m\u00fcssen. Videoessays umgehen dies, indem sie selbst in das Gewand eines Filmes schl\u00fcpfen. Filmstellen werden nicht zitiert, sondern direkt eingebunden. So war schon Jean-Luc Godard der \u00dcberzeugung, dass die beste Analyse eines Films selbst wieder ein Film sein m\u00fcsste.<\/u> Doch das ist nicht der einzige Trick, den Videoessays auf Lager haben. Binotto vergleicht die Methode mit einem Chemielabor, in dem Elemente gemischt werden und daraus neue entstehen. Auf die gleiche Weise stossen die Forschenden auf ganz neue Einsichten, wenn sie fremdes audiovisuelles Material nehmen, bearbeiten, schneiden und einander gegen\u00fcberstellen. Ein vergleichbares Vorgehen kennen wir von Kunstschaffenden, die Videos aus Found Footage<\/em> neu kombinieren. Und unter dem Begriff der Collage<\/em> hat es das Neu-Zusammensetzen l\u00e4ngst bis in den Zeichen- und Werkunterricht der Primar- und Mittelschule geschafft. Bei den Filmen dauerte es aus technischen Gr\u00fcnden etwas l\u00e4nger. Das Schneiden und Verarbeiten eines Filmes erforderte noch lange kostspielige Hard- und Software. Heute haben wir alle bereits mit unseren Smartphones s\u00e4mtliche M\u00f6glichkeiten in der Tasche, selber Filme schneiden. <\/p>\n\n\n\n

Videoessays sind ein neues Werkzeug im Toolset der Wissenschaft und brechen dabei mit den etablierten Gepflogenheiten der Academia. Wissenschaftszirkel gelten als eher geschlossen. Nur eine kleine Fachgruppe ist in der Lage, die Texte \u00fcberhaupt zu verstehen. Noch ausgepr\u00e4gter ist die Abgeschlossenheit in der Ausbildung an der Hochschule oder Universit\u00e4t. Fertig geschriebene Seminararbeiten landen in der Regel nur auf dem Pult der Dozierenden und dann auf Nimmerwiedersehen in der Schublade.<\/u> Auch hier sieht Binotto eine Chance f\u00fcr das neue Format, verbreiten sich doch Videos im Netz mit Leichtigkeit. Zum Beispiel auf Twitter, wo die Studierenden-Arbeiten, die bei ihm im Theorieunterricht an der Hochschule Luzern entstanden sind, \u00fcberschw\u00e4ngliche Reaktionen zur Folge haben.<\/p>\n\n\n\n

\n

If, as a set, these aren\u2019t considered one of the best video essays of 2021, I\u2019ll be very upset.
Brilliantly, each essay addresses one small moment in the film, and they each do it in a different way. New approaches and new revelations abound here. https:\/\/t.co\/cX3vKjBrOX<\/a><\/p>— Max Tohline (@10OClockDot) February 28, 2021<\/a><\/blockquote>