Zwischen Haut und Schaltkreis
Mit Textilien lässt sich die Kontaktstelle zwischen Körper und Technik anwendungsfreundlich gestalten. Wie dies im Falle eines tragbaren iShirts aussehen könnte, und welche weiteren Herausforderungen es bei der Entwicklung neuer Smart Textiles gibt, untersucht die Forschungsgruppe Produkt & Textil im Rahmen eines IDN-Projekts.
Isabel Rosa Müggler Zumstein und Joel Hügli, ihr arbeitet am Projekt Circular iShirt. Worum geht es da?
JOEL: Gemeinsam mit unseren Kolleg:innen der Hochschule Luzern – Technik & Architektur untersuchen wir, wie die Messung von Gesundheitsdaten – und damit ein Gesundheitsmonitoring – über ein sogenanntes Wearable, in diesem Falle ein Shirt, stattfinden kann. Wearable Electronics sind aktuell angesagte Gadgets im Wellness-Bereich.

Sie messen zum Beispiel den Puls und sind sehr einfach in der Handhabung. Das erleichtert es den Anwender:innen, ihre Gesundheitsdaten zu erheben. Je nachdem lassen sich die Erkenntnisse aus dem Lifestyle-Bereich auch in die medizinische Gesundheits-überwachung übertragen. Entsprechend wird in diesem Sektor gerade viel Neues entwickelt, und wir finden es sehr spannend, an dieser Schnittstelle zu forschen: Wie können Textilien die Datenmessung am Körper unterstützen? Kann die Datensammlung durch textile Elemente angenehmer oder gar behaglich gemacht werden? Wie können wir dabei die Themen Ressourcenersparnis und Kreislaufwirtschaft berücksichtigen?
Isabel Rosa Müggler Zumstein und Joel Hügli, ihr arbeitet am Projekt Circular iShirt.
Der Nachhaltigkeitsaspekt spielt in eurem Projekt also eine grosse Rolle?
JOEL: Eine sehr grosse! Denn im iShirt treffen elektronische auf textile Komponenten, das macht das Recycling solcher Produkte schwierig. Und wenn wir sie einfach wegwerfen, verlieren wir wertvolle Ressourcen. Da Nachhaltigkeit im Design ein Fokus unserer Forschungsgruppe ist, wissen wir, dass zirkuläre Materialflüsse sehr komplex sind. Anhand des iShirts entwickeln wir nun ein konkretes Anwendungsbeispiel. Mögliche Leitungsführungen, Sensorik und Messungen können nicht zuletzt auch hinsichtlich der Zirkularität des Produkts durchgespielt und diskutiert werden. In welche weiteren Felder diese Erkenntnisse überschwappen können, gilt es noch herauszufinden.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Departement Technik & Architektur?
JOEL: Allein aus der Designperspektive heraus können komplexe Schnittstellenprobleme nicht bewältigt werden. Umgekehrt können sie auch aus einer rein technischen, medizinischen oder anderen Einzelperspektive nicht gelöst werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei Fragestellungen, wie wir sie rund um das iShirt bearbeiten, zentral. Wir kennen die Forschenden von Technik & Architektur bereits aus anderen Projekten.
Im Rahmen dieses IDN-Projekts kombinieren wir unsere Fähigkeiten erneut: Wir bringen Kompetenzen aus dem Produktdesign, viel Materialwissen und Erfahrung im Bereich Zirkularität mit. Unsere Kolleg:innen der Technik & Architektur kennen sich mit den elektronischen Komponenten in Smart Textiles, insbesondere mit der Sensorik, bestens aus. Das Format «IDN-Projekt» erlaubt es uns, wichtige Voruntersuchungen zu machen und Potenziale für die weitere Forschung in diesem Bereich aufzudecken. Gleichzeitig können wir überprüfen, ob noch Kompetenzen im Team fehlen, um gegebenenfalls ein grösseres Forschungsprojekt zu diesem Thema zu starten.

Isabel zeigt einen ihrer Prototypen für das Circular iShirt.
Welchen Beitrag leistet ihr als Designer:innen in diesem, aber auch in anderen interdisziplinären Forschungsprojekten ausserdem?
ISABEL: Als Designer:innen sind wir es gewohnt, konstant das Feedback der späteren Nutzer:innengruppen und weiterer Stakeholder einzuholen. Das ist auch die Stärke unserer Forschung: Wir bauen persönliche Perspektiven in Beobachtungsreihen und Experimente ein, um ein Produkt zu entwickeln und zu verfeinern. Dadurch wird es später breit akzeptiert, was insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Wellness sehr wichtig ist. Es ist zum Beispiel schwieriger, Körperfunktionen zu messen, wenn die dafür vorgesehenen Sensoren unbequem zu tragen oder zu befestigen sind. Mit unserer Methodik schaffen wir einen Mehrwert für die späteren Nutzer:innen, aber auch für die Produzent:innen, und durch zirkulär gedachte Produkte schliesslich für die gesamte Gesellschaft.
Im Rahmen von Circular iShirt werden Design-Guidelines für Wearables erarbeitet. Für wen sind diese Guidelines gedacht?
ISABEL: Die Guidelines sollen insbesondere hinsichtlich der Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit sensibilisieren. Designschaffende, Ingenieur:innen, Product Managers oder Entwicklungsteams haben oftmals noch kein Bewusstsein dafür, dass sie mit einem neuen Produkt auch neue Probleme schaffen. Es geht ihnen primär um ein Bedürfnis ihrer Kundschaft, das sie stillen möchten. Dabei wäre es so wichtig, dass sie auch an das Lebensende ihrer Produkte und damit an deren Wiederverwendbarkeit denken.
JOEL: An dieser Stelle eine spannende Zahl: Bis zu 80 Prozent der produktbezogenen Umwelteinflüsse werden gemäss EU Science Hub bereits in der Designphase bestimmt. Wenn gewisse Aspekte nicht von Beginn weg berücksichtigt werden, ist es zu spät. Das ist ein enormer Impact, den Designschaffende und Produktentwickler:innen haben.
Eure Forschungsgruppe Produkt & Textil beschäftigt sich immer wieder mit den Themen Gesundheit und Wohlbefinden. Welche Aspekte habt ihr bereits untersucht?
ISABEL: Das ist richtig. Unsere Forschung verfolgt die Vision, die komfortablen haptischen Eigenschaften von Textilien zu nutzen, um Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern. So haben wir zum Beispiel im Rahmen eines von Innosuisse geförderten Projekts gemeinsam mit unserem Praxispartner Dagsmejan Materialien für Schlaftextilien entwickelt, die den Körper während des Schlafens mit verschiedenen funktionalen Eigenschaften unterstützen: Rein durch physikalische Eigenschaften des Textils können die Schlafanzüge je nach Bedürfnis entweder wärmen, kühlen oder die Körpertemperatur ausgleichen. Ausserdem trägt unsere Forschung dazu bei, Behandlungen, Operationen oder die Anwendung von Geräten oder Apparaten am Körper angenehmer zu gestalten. Überall dort, wo «kühle» Technik oder harter Plastik auf unsere Haut trifft, können Textilien ein angenehmes Zwischenstück bilden. Ein Beispiel hierfür ist ein Still-BH, den wir mit der Milchpumpenherstellerin Medela entwickelt haben. Er kann auch beim Abpumpen von Muttermilch zum Einsatz kommen und macht dies für Stillende angenehmer, da auch hier ein Textil als Bindeglied zwischen Plastik und Haut fungiert.

Schlussendlich ist das Ziel Forschungsgruppe Produkt & Textil immer die komfortablen haptischen Eigenschaften
von Textilien zu nutzen, um Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern; so auch beim Circular iShirt.
Wie sieht es im medizinischen Bereich aus?
ISABEL: Der Gesundheitsbereich, genauer gesagt der medizinische Bereich, ist stark reguliert. Das haben wir beispielsweise gemerkt, als wir rezyklierbare medizinische Masken entwickelt haben. Das war hochkomplex – aber sehr spannend. Und hat gezeigt, dass unsere Forschung im medizinischen Bereich ebenfalls wichtige Beiträge leisten kann. Auch ein Projekt wie das Circular iShirt, das eher auf den Lifestyle-Bereich ausgerichtet ist, könnte für medizinische oder therapeutische Zwecke weiterentwickelt werden, wenn es sich als sinnvoll erweist und seitens eines Praxispartners Interesse daran besteht.
Interdisziplinäre Netzwerke (IDN)
Das interdisziplinäre Forschen, Lehren und Lernen ist eine der herausragenden Qualitäten der Hochschule Luzern und wird seit 2009 gezielt gefördert. Aktuell gibt es drei Interdisziplinäre Netzwerke:
- Das IDN Raum & Gesellschaft unterstützt Projekte, die sich mit den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen in der Raumentwicklung beschäftigen.
- Das IDN Gesundheit fördert Projekte, die einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens leisten.
- Das IDN Carte Blanche Interdisziplinarität bietet Chancen für neue, zukunftsgerichtete Initiativen und den Aufbau neuer Themenkompetenzen.
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