11. November 2019

Commercial Crime,

Corporate Crime,

Geldwäsche

Geldwäscherei, Korruption, Konkursdelikte – Die Schweiz ist gewappnet – aber..

Geldwäscherei, Korruption, Konkursdelikte – Die Schweiz ist gewappnet – aber..

Von Monica Fahmy

Wirtschaftskriminelle leben davon, der Strafverfolgung einen Schritt voraus zu sein. Expertinnen und Experten in der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität gingen am Freitag in Bern der Frage nach, wie gut die Schweiz heute bei der Bekämpfung von Geldwäscherei, Korruption und Konkursdelikten aufgestellt ist.

Geld waschen lohnt sich bloss, wenn man die deliktisch erworbenen Vermögenswerte auch nutzen kann. Korruption ist nur dann interessant, wenn sie einem ein angenehmes Leben ermöglicht und Konkursdelikte machen für Delinquenten erst dann Sinn, wenn sie davon profitieren können. Dementsprechend lassen sich Wirtschaftskriminelle auch etwas einfallen, um bei präventiven Massnahmen nicht aufzufallen und der Strafverfolgung zu entgehen.

Geldwäscherei, Korruption, Konkursdelikte – ist die Schweiz gewappnet? So der Titel der Tagung der Schweizerischen Expertenvereinigung „Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität“ (SEBWK), die am 8. November 2019 im Saal des Berner Bellevue Palace rund 200 Fachleute zu spannenden Diskussionen anzuregen vermochte.

„Korruption gehört in Europa und vor allem in der Schweiz der Vergangenheit an, nicht?“ Diese rhetorische Frage stellte Sébastien Jaquier, Präsident der SEBWK, gleich zu Beginn. Doch, Korruption kommt auch in Westeuropa vor, ebenso wird weiterhin fleissig Geld gewaschen. Und Konkursdelikte verursachen in der Schweiz Schäden in Milliardenhöhe.

Korruption bleibt eine Herausforderung

Die Schweiz sei im Kampf gegen Geldwäscherei ausreichend aufgestellt, findet Mariame Krauer-Diaby, Dozentin, HEG/Institut de lutte contre la criminalité économique (ILCE). „Eine vollständige Regulierung, die laufend angepasst wird ist zweifelsohne ein Trumpf“, sagt sie. Die Demokratisierung der Bekämpfung der Geldwäscherei sei zu begrüssen. Obschon Finanzintermediäre die erste Verteidigungslinie bilden, werden weitere Akteure zum Mitmachen angehalten. „Selbstverständlich kann man sich immer noch besser organisieren“.

Was die Korruption betreffe, sehe es leider weniger gut aus, sagt Mariame Krauer-Diaby. Zwar sei es zu begrüssen, dass auch Privatbestechung nun im Strafgesetzbuch geregelt sei, „es ist aber zu beklagen, dass es kein Verbrechen ist“. So könne Privatbestechung nicht Vortat von Geldwäscherei sein. Die Bestechung fremder Amtsträger ist zwar eine Vortat, sie sei aber nach wie vor eine grosse Herausforderung für die Schweiz, wie aktuelle Fälle wie Glencore und Gunvor aufzeigen. „Damit der Kampf gegen Korruption effizienter wird, gibt es noch viel zu tun.“

(Mariame Krauer-Diaby, Dozentin, HEG/Institut de lutte contre la criminalité économique (ILCE))

Fortschritte und Risiken bei der Geldwäscherei

Die Schweiz hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte im Bereich der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Korruption erzielt, findet Lea Ruckstuhl, Rechtsanwältin bei Kellerhals Carrard, Fachstellenleiterin der SRO/SLV und Vorstandsmitglied Forum SRO. Hervorzuheben sei die Arbeit der Bundesanwaltschaft und auch die Rolle der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) in Fällen von Auslandsbestechung als Vortat zur Geldwäscherei, sowie die proaktive Vorgehensweise der Behörden im Zusammenhang mit der Vermögenssperre und der Beschlagnahmung von Vermögenswerten. „Insofern ist die Schweiz gewappnet“, sagt Lea Ruckstuhl. Allerdings weise die Schweiz mit ihrem international vernetzten Finanzplatz und der Attraktivität der Finanzdienstleistungen für ausländische politisch exponierte Personen auch „ein nicht zu unterschätzendes Risiko auf, in Geldwäschereifälle involviert zu werden“.

Im Bereich der Geldwäschereibekämpfung sei es darum vordringlich, dass der Begriff des „begründeten Verdachts“ konkretisiert und klarer definiert werde, damit eine erhöhte Rechtssicherheit für die Finanzintermediäre bestehe. „Zudem sollte die MROS mit mehr Mitteln ausgestattet werden, damit sie die Flut der Verdachtsmeldungen bewältigen kann“.

Politische und wirtschaftliche Interessen als Hindernis

Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden hätten eine gute Expertise bei Geldwäschereiermittlungen, ist Patrick Lamon, Staatsanwalt und Leiter des Bereichs Geldwäscherei bei der Bundesanwaltschaft überzeugt. Allerdings gebe es einige gewichtige Risikofaktoren, welchen erfolgreiche Ermittlungen behindern, etwa der Mangel an Ressourcen, die mangelnde gute Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden oder das Ausmass und die Komplexität der Verfahren.

Einige Massnahmen würden helfen, diese Delikte effizienter zu bekämpfen, so Patrick Lamon. Fundamental wäre ein Aufheben von intransparenten Strukturen wie Domizilgesellschaften, komplexe Geflechte, Trusts, und so weiter. Noch heute ermöglichten Rechtssysteme das Errichten komplexer Firmenstrukturen oder den Gebrauch von Shell Companies. „Diese Konstrukte werden häufig zum Zweck der Steuerhinterziehung, der Korruption oder der Geldwäscherei verwendet.“ Doch dieses Thema werde immer noch zu wenig behandelt, da es heikel sei. „Es tangiert natürlich wirtschaftliche und politische Interessen“.

Als wichtige Massnahme sähe Patrick Lamon auch die „Unterdrückung der Grenzen“, weil eine schnelle und effiziente Amts- und Rechtshilfe unabdingbar seien. Die FATF und die OECD würden ja genau dies von der Schweiz verlangen. Es brauche den gemeinsamen Willen aller, um gegen Wirtschaftsdelikte vorzugehen. „Er fehlt. Denn er kann paradoxerweise den wirtschaftlichen Interessen eines Landes entgegenwirken.“

Doppelt so viele Meldungen bei der MROS

Am Nachmittag referierte Julia Blaser, Bereichsleiterin Analyse I bei der Meldestelle für Geldwäscherei MROS über die Rolle von Financial Intelligence bei der Geldwäschereibekämpfung. Von 2016 bis 2018 hat sich die Anzahl Verdachtsmeldungen verdoppelt, von 2909 auf 6126 Meldungen. Allerdings ist damit auch die Anzahl unerledigter Meldungen auf über 2500 gestiegen.

«Wir haben die personellen Ressourcen nicht, um all diese Fälle zeitnah zu behandeln», sagt Julia Blaser. Ein gewichtiger Grund dafür ist, dass die Meldungen alle in Papierform bei der MROS eintreffen. Je nach Meldung kann es durchaus vorkommen, dass für einen Fall Schachteln voller Dokumente gesichtet werden müssen. «Wir müssen uns auf die Fälle konzentrieren, die zielführend sind.» Bald soll sich das ändern, dann werden die Meldungen in einem sicheren System elektronisch übermittelt und verarbeitet. Noch sind nicht alle Banken bereit, dies zu tun.

(Julia Blaser, Bereichsleiterin Analyse I bei der Meldestelle für Geldwäscherei MROS)

Mit künstlicher Intelligenz den Betrügern auf der Spur

David Rich, Executive Vice President bei Vocalink Services and Analytics sprach über die Verwendung von künstlicher Intelligenz im Kampf gegen Network Fraud und Geldwäscherei im Vereinigten Königreich. Die Firma Vocalink hat Daten von 100 Millionen Konten und 20 Milliarden Transaktionen im Vereinigten Königreich analysiert. «Die Analyse zeigte, das Chaos hat System», sagt David Rich. Je nach Kulturkreis könne das Betrugsschema anders aussehen. Die Auswertung ermöglicht es, betrügerische Muster zu erkennen, bevor der Betrug vollendet ist. «Man sieht, wie die Angriffe beginnen. Die Erfassung und Analyse mit künstlicher Intelligenz ist der einzige Weg, einen Betrug im Ansatz zu stoppen und die ertrogenen Vermögenswerte sicherzustellen».

Konkursreiterei, häufiger als gedacht

Mit dem Thema Konkursreiterei in der Schweiz schlossen Marco Zuberbühler von Creditreform Egeli Basel AG und Senad Sakic, Dienstchef und stellvertretender Abteilungsleiter Ermittlungsabteilung Wirtschaftskriminalität der Kantonspolizei Zürich die Tagung ab. Seit Oktober 2016 hat die Kantonspolizei Zürich gegen 2600 Gesellschaften und 900 Akteure ermittelt. Der Schaden durch Konkursreiterei beträgt alleine im Kanton Zürich 300 Millionen Schweizer Franken pro Jahr. «Das System funktioniert nicht zwingend wegen der Cleverness der Akteure», sagt Senad Sakic, «sondern, weil es zugelassen wird!» Gesetzeslücken, Beweisführungshürden, die Zuständigkeit der Kantone und Motivationshürden erschwerten es, missbräuchliche Konkurse zu bekämpfen.

Für Unternehmen ist darum Prävention unabdingbar, sagt Marco Zuberbühler. Wenn man Firmen im Handelsregister beobachtet, gibt es Ereignisse, die aufhorchen lassen. Etwa wenn eine Firma plötzlich einen Sitz- und Namenswechsel vollzieht. «Das muss an sich nicht schlecht sein. Bei jungen, noch unbekannten Unternehmen lohnt es sich aber auf alle Fälle, die Vergangenheit der neuen Personen genauer anzusehen». Im anderen Kanton sind dann noch keine Betreibungen ersichtlich. Neue Lieferanten nehmen Bestellungen an und gehen das sichere Risiko eines Zahlungsausfalls ein.

Es war ein Tag voller anregender, auch kontroverser Diskussionen. Immer im Bewusstsein, dass man im Kampf gegen Korruption, Geldwäscherei und Konkursdelikte zwar stetig Fortschritte macht, sich aber noch lange nicht wird auf den Lorbeeren ausruhen können.

Autorin: Monica Fahmy

Monica Fahmy ist Ökonomin (MA UZH) und Absolventin des MAS Economic Crime Investigation. Sie ist COO bei der auf Investigations und Business Intelligence spezialisierten Firma AC Assets Control AG und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität SEBWK.

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