19. Oktober 2020

Geldwäsche

Schwere Geldwäscherei in der «generischen» Form

Schwere Geldwäscherei in der «generischen» Form

Von Claudio Kerber

Das Bundesgericht hat sich bisher in fünf Fällen mit schwerer Geldwäscherei in der sogenannt «generischen» Form beschäftigt. Die jüngeren Entscheide ergingen in französischer bzw. italienischer Sprache und sind in der Lehre nur teilweise abgebildet. Ein Abriss auf Deutsch bietet sich an.  

Die einfache Geldwäscherei ist als Vergehen ausgestaltet, die schwere (qualifizierte) Geldwäscherei als Verbrechen. Die Abgrenzung ist mitunter für die Frage der Verfolgungsverjährung wesentlich.

Drei Konstellationen von «schweren Fällen» sind in Art. 305bis Ziff. 2 lit. a–c StGB explizit geregelt (Verbrechensorganisation; Bande; Gewerbsmässigkeit). Auf diese Legalbeispiele soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Der schwere Fall in der «generischen» Form

Aus der Formulierung («insbesondere») ergibt sich, dass die Aufzählung in Art. 305bis Ziff. 2 StGB nicht abschliessend ist, womit auch andere schwere Fälle als die explizit geregelten in Betracht kommen. Das Bundesgericht spricht in diesem Zusammenhang von einem schweren Fall in der allgemeinen bzw. «generischen Form» («cas générique», «forma generica»). Die Annahme eines generischen schweren Falls hält gemäss Bundesgericht vor dem Legalitätsprinzip grundsätzlich Stand, zumal der Gesetzgeber selber das Adverb «insbesondere» in den Gesetzestext eingefügt habe. Die Taten müssen gemäss Rechtsprechung indes in objektiver und subjektiver Hinsicht gleich schwer wiegen wie die Legalbeispiele.

Schwere Geldwäscherei in der generischen Form bejaht

Das Bundesgericht hat bisher zwei schwere Fälle in der generischen Form bejaht:

Das Urteil 6B_1013/2010 vom 17.05.2011 (dt.) betraf einen Anwalt, der für einen seiner Mandanten Vermögenswerte aus einem Anlagebetrug gewaschen hatte. Das Bundesgericht erachtete folgende Umstände als relevant (E. 6.3):

  • Einlösen dreier Checks à 1 Million Schweizer Franken und Rückübertragung des Erlöses auf seinen Klienten;
  • regelmässige Handlungen über einen längeren Zeitraum (dreieinhalb Monate);
  • Eröffnung und Verwaltung einer Kontobeziehung zwecks Einlösens der Checks und verschiedene weitere Finanztransaktionen (Geldwechsel, Bargeldauszahlung, Auslandsüberweisung mittels eines weiteren Checks);
  • erheblicher Zeitaufwand im Zusammenhang mit den Geldwäschereioperationen
  • Handeln im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit, mit welcher er seinen Lebensunterhalt bestritt;
  • grosser Umsatz (rund 3.4 Millionen Schweizer Franken) und Entgegennahme eines Honorars von 20’000 Schweizer Franken.

Das Bundesgericht erwog, die Tat sei in objektiver und subjektiver Hinsicht mit dem gesetzlich geregelten Fall der gewerbsmässigen Geldwäscherei vergleichbar. Aus dem Entscheid geht indes nicht hervor, wieso nicht direkt auf diesen Qualifikationstatbestand abgestellt wurde. In den nachfolgenden Fällen wurde dieser Entscheid bisweilen als Referenzfall herangezogen.

Das Urteil 6B_461/2018 vom 24.01.2019 (frz.) betraf drei Beschuldigte: Der erste brachte das Geld, die zweite fungierte als Strohfrau, der dritte brachte seine Kenntnisse als Bankfachmann mit ein. Das Bundesgericht bejahte einen schweren Fall in der generischen Form gestützt auf folgende Elemente (E. 9.7.6):

  • beträchtliche Höhe der gewaschenen Gelder (mehrere Millionen);
  • Geldwäschereihandlungen über mehrere Jahre;
  • Gründung und Verwendung zahlreicher und komplexer Strukturen;
  • besonders undurchsichtige und zahlreiche Finanztransaktionen auf internationaler Ebene;
  • Waschen nicht nur des Betrugserlöses, sondern auch des Lösegeldes aus einer Entführung.

Die Gesamtheit dieser Elemente erlaubte es gemäss Bundesgericht, die Taten sowohl objektiv wie subjektiv als «schwer» zu qualifizieren. Zusätzlich zum generischen schweren Fall wurden auch die Qualifikationsmerkmale der Bandenmässigkeit und der Gewerbsmässigkeit bejaht.

Schwere Geldwäscherei in der generischen Form verneint

In zwei weiteren Fällen hat das Bundesgericht einen schweren Fall in der generischen Form verneint:

Im Urteil 6B_217/2013 vom 28.07.2014 (ital.) ging es zwar um (E. 4.3):

  • zahlreiche Geldwäschereihandlungen (Verschiebungen zwischen Konten mit wechselndem Kontoinhaber/wirtschaftlich Berechtigtem, Saldierung von Konten, Verbrauch von Vermögenswerten, Manipulationen durch Verschieben von Bargeld und anschliessendem Schmuggel über die Grenze);
  • Millionenbeträge und
  • eine lange Zeitdauer.

Der Beschuldigte hatte jedoch weder im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt noch einen Verdienst aus der Geldwäschereitätigkeit gezogen. Gemäss Bundesgericht war die Deliktsschwere nicht mit den im Gesetz ausdrücklich geregelten Qualifikationsmerkmalen vergleichbar.

Im Urteil 6B_535/2014 vom 05.01.2016 (ital.) ging es ebenfalls um (E. 3.2.3):

  • zahlreiche Geldwäschereihandlungen (Eröffnung eines Kontos lautend auf einen Strohmann, diverse Kontoabhebungen durch den Strohmann und einen Bankmitarbeiter, Transport des Geldes durch den Bankmitarbeiter, Überweisungen auf Konten bei anderen Banken etc.);
  • Millionenbeträge und
  • eine lange Zeitdauer (zweieinhalb Jahre).

Innerhalb dieses Zeitraums konzentrierten sich die Tathandlungen indes auf neun Tage bzw. wenige Tage pro Jahr, was gemäss Bundesgericht die Bedeutung der zweieinhalbjährigen Periode relativiert. Zudem hatte auch dieser Beschuldigte weder im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit gehandelt noch einen Gewinn aus der Geldwäscherei gezogen (E. 3.2.3). Insgesamt lag gemäss Bundesgericht keine derart hohe kriminelle Energie oder Gefährlichkeit vor, dass sich eine Analogie zu den gesetzlich geregelten Qualifikationsmerkmalen rechtfertigen würde.

Generischer Fall bei Eigengeldwäscherei offengelassen / Rückweisung an Bundesstrafgericht

Im neuesten Urteil 6B_993/2017 vom 20.08.2019 (ital.) rekapitulierte das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung zur schweren Geldwäscherei (sowohl zu den Legalbeispielen, wie auch zu den generischen Fällen). Im konkret zu beurteilenden Fall brachte es neue rechtliche Überlegungen ins Spiel, musste die Beurteilung aber offenlassen, da das Bundesstrafgericht das entsprechende Tatsachenfundament nicht festgestellt hatte: Das Bundesgericht rügte das Bundesstrafgericht, weil es die Frage einer schweren Geldwäscherei einzig unter dem Aspekt des oben genannten Anwalts-Fall beurteilt und eine Art Subsumption unter diesen Entscheid vorgenommen hatte. Gemäss Bundesgericht überzeugte dies nicht, zumal das Bundesstrafgericht den Akzent auf einem fehlenden Gewinn aus der Geldwäscherei gesetzt und darin einen wesentlichen Unterschied zum Anwalts-Fall gesehen hatte. Dabei habe das Bundesstrafgericht jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Anwalt auf fremde Rechnung Geld gewaschen hatte, der vorliegende Beschuldigte jedoch auf eigene Rechnung (Eigengeldwäscherei) (E. 4.2.10).

Weiter erinnerte das Bundesgericht daran, dass besonders undurchsichtige Finanztransaktionen auf internationaler Ebene, zusammen mit anderen Elementen, einen generischen schweren Fall begründen können, wozu sich das Bundesstrafgericht jedoch nicht geäussert habe.

Zudem habe das Bundesstrafgericht den mit der Geldwäscherei verbundenen «Aufwand» unberücksichtigt gelassen. So habe der Beschuldigte gemäss Anklage einen Bankmitarbeiter für seine Dienste bezahlt. Dieser Bankmitarbeiter sei seinerseits bereits wegen gewerbsmässiger Geldwäscherei verurteilt worden. Sollte sich bestätigen, dass diese gewerbsmässige Tätigkeit durch den Beschuldigten finanziert wurde, könnten gemäss Bundesgericht die Voraussetzungen für eine schwere Geldwäscherei in der generischen Variante vorliegen. Es sei, so das Bundesgericht, nicht ersichtlich, wieso ein gewerbsmässiger Geldwäscher anders zu beurteilen sei als jener, der diese Tätigkeit alimentiere und von den Vereitelungshandlungen profitiere. Die Sache wurde zur Neubeurteilung an das Bundesstrafgericht zurückgewiesen.

Autor: Claudio Kerber

Claudio Kerber ist seit 2004 als Rechtsanwalt in Zürich tätig. Er unterstützt mitunter Geschädigte in Fällen von Wirtschaftsdelikten und vertritt ihre vermögensrechtlichen Ansprüche in Straf- und Zivilverfahren.

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