28. September 2020

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Gifts & Entertainment Compliance – Korruptionsstrafrechtliche Fallstricke und Stolpersteine

Gifts & Entertainment Compliance – Korruptionsstrafrechtliche Fallstricke und Stolpersteine

Von Daniel S. Weber und Tim Vetterli

Korruption ist ein globales Phänomen, das Staaten, Unternehmen und Privatpersonen gleichermassen betrifft. Korruptes Handeln und der damit einhergehende Missbrauch der Vertrauensstellung haben erhebliche negative, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen, weshalb strenge Strafen vorgesehen sind. Insbesondere international tätige Schweizer Unternehmen müssen Massnahmen ergreifen, um Korruption wirksam zu bekämpfen. 

Das Bundesgericht hat im September 2011 einen Architekten wegen unrechtmässiger Vorteilsgewährung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, da er einem Gemeinderat ein Darlehen zu Vorzugskonditionen gewährte, um sich auf diese Art dessen Wohlwollen zu sichern. Diverse Medien berichteten im September 2018, dass die Genfer Staatsanwaltschaft gegen den Freisinnigen und ehemaligen Bundesratskandidaten Pierre Maudet wegen Vorteilsannahme ermittelt. Er und seine Familie wurden vom Königshaus der Vereinigten Arabischen Emirate auf eine (Luxus-)Reise eingeladen. Im Juni 2020 wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft gegen das Rohstoffhandelsunternehmen Glencore eine Strafuntersuchung wegen Bestechung von Amtsträgern in der Demokratischen Republik Kongo eingeleitet hat. Diese und noch viele weitere Beispiele zeigen, dass Korruption und Bestechung von Amts- und Privatpersonen auch in der Schweiz ein aktuelles Thema sind. Wird entsprechendes Fehlverhalten publik, birgt dies für die involvierten Privatpersonen, Unternehmen und Amtsträger bzw. den Staatsapparat erhebliche Rechts- und Reputationsrisiken.

Unter Korruption wird generell der Missbrauch von anvertrauter Macht oder einer bestimmten Vertrauensstellung zum eigenen Vorteil oder zu privaten Zwecken verstanden. Es geht um die Erlangung von Vorteilen, auf welche kein rechtmässiger Anspruch besteht. Wo staatliche Strukturen versagen, beherrscht Korruption oft den Alltag: Je undemokratischer und ärmer ein Staat ist, desto höher ist die sog. «wahrgenommene Korruption». Transparency International erstellt jedes Jahr den Corruption Perception Index von 180 Ländern, der sich auf die Korruptionswahrnehmungen von Experten und Business Executives abstützt. 2019 erreichte die Schweiz in diesem Index den sehr guten 4. Platz – zusammen mit Singapur und Schweden. Die höchste «wahrgenommene Korruption» wurde in Ländern wie Somalia, Süd Sudan, Syrien oder Jemen gemessen. Es ist indessen ein Trugschluss zu glauben, dass eine geringe Korruptionswahrnehmung gleichbedeutend mit der tatsächlich auftretenden Korruption ist. Diese findet nämlich oft auch versteckt statt.

Rechtslage in der Schweiz

Die Schweiz hat über die Jahre ein grundsätzlich gut funktionierendes Korruptionsstrafrecht entwickelt. Im Zuge der letzten Revision im Jahr 2016 wurden die Hürden für die Strafverfolgung markant gesenkt. Einschlägige Strafbestimmungen aus dem UWG wurden ins Strafgesetzbuch verschoben und damit einhergehend die Voraussetzung gestrichen, wonach die Bestechung zu einer Wettbewerbsverzerrung in der Wirtschaft führen muss. Zudem wird seither – ausser in leichten Fällen – auch die Bestechung von Privatpersonen neu von Amtes wegen verfolgt und der Geltungsbereich der Strafnormen über die Vorteilsgewährung und -annahme von Amtsträgern wurde ausgedehnt.

Wie bis anhin wird im Strafgesetzbuch zwischen der Bestechung und Vorteilsgewährung von Amtsträgern, der sog. politischen Bestechung, sowie der Bestechung und Vorteilsgewährung von Privaten, der sog. Privatbestechung, unterschieden. Strafbar macht sich dabei nicht nur, wer aktiv einen Amtsträger oder eine Privatperson besticht oder einem schweizerischen Amtsträger einen Vorteil gewährt, sondern auch wer sich als Amtsträger oder Privatperson passiv bestechen lässt oder als schweizerischer Amtsträger einen ungebührenden Vorteil entgegennimmt.

Das Korruptionsstrafrecht wird durch den Geldwäschereitatbestand ergänzt, da die aktive und passive Bestechung von Amtsträgern Verbrechen und somit mögliche Geldwäschereivortaten sind. Das Unternehmensstrafrecht komplettiert das Korruptionsstrafrecht: Ein Unternehmen wird direkt bestraft, wenn es nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um Bestechungshandlungen zu verhindern.

Korrupte Schweiz?

Die Schweiz hat im Corruption Perception Index 85 von maximal 100 möglichen Punkten erreicht, wobei die maximal erreichte Punktzahl 2019 bei 87 Punkten lag. Korruption scheint auf den ersten Blick in der Schweiz somit kein gravierendes Problem zu sein. Dieser Schein trügt jedoch. Von internationaler Seite werden der Schweiz immer wieder erhebliche Defizite etwa bezüglich Transparenz von Finanzierungen in der Politik, betreffend Schutz von Whistleblowern oder bei der Bekämpfung der Geldwäscherei – aus Korruption stammende ausländische Gelder fliessen auf Schweizer Bankkonten – vorgeworfen. Gerade auch bei grossen, im Ausland tätigen Schweizer Unternehmen stellt Korruption immer wieder ein Problem dar. Etwa bei Grossaufträgen von ausländischen Regierungen oder bei der Vergabe von ausländischen Lizenzen.

Welche Geschenke darf ich als Mitarbeiter annehmen?

Korruption betrifft aber nicht nur grosse, international tätige Unternehmen. Auch schweizerische KMU sind einem hohen Korruptionsrisiko ausgesetzt, da sie oft in einem intensiven Konkurrenzkampf mit anderen Unternehmen stehen und regelmässig nicht über die personellen und finanziellen Ressourcen verfügen, um Korruption im Unternehmen zu erkennen und zu verhindern. Korruption und insbesondere Bestechung kann jeden Mitarbeiter treffen. Insbesondere bei der Annahme von Aufmerksamkeiten und Geschenken ist Vorsicht geboten.

Alle Bestechungstatbestände setzen einen nicht gebührenden Vorteil voraus. Handelt es sich um einen gebührenden Vorteil, d.h. um einen dienstrechtlich erlaubten, vertraglich von einem Dritten genehmigten oder geringfügigen, sozial üblichen Vorteil, so darf der Mitarbeiter das Geschenk grundsätzlich entgegennehmen. Als gebührende Vorteile werden in der Praxis Gelegenheitsgeschenke, Trinkgelder, herkömmliche Weihnachtsgeschenke – wie eine übliche Weinflasche oder Blumensträusse – oder Werbegeschenke, wie bspw. Kugelschreiber, Pralinen, Taschenkalender, Memory-Sticks, Notizblöcke etc., qualifiziert. Die kritische Schwelle wird hier bei etwa 150.00 bis 250.00 Schweizer Franken angenommen.

Kritisch sind Geschenke und Einladungen, die direkt an eine entscheidungsbefugte Person gehen, die nicht selber Vertragspartnerin ist und welche im Hinblick auf eine Handlung, Unterlassung oder amtliche Tätigkeit dieser Person gemacht werden. Zuwendungen, die einen Gesamtwert von mehr als 250.00 Schweizer Franken überschreiten, gelten grundsätzlich als sozial unüblich. Regelmässig unproblematisch sind hingegen direkte Vorteile an Vertragspartner wie z.B. Rabatte oder Treueprämien, gegenseitige Einladungen, vom Arbeitgeber oder Vertragspartner ausdrücklich genehmigte Geschenke, Zuwendungen ohne Zusammenhang zu konkreten Handlungen oder Unterlassungen sowie ein Sponsoring.

Sozial übliche Vorteile dürfen aber nicht nur anhand der oben genannten Schwellenwerte beurteilt werden. Es kommt auch auf die Häufigkeit und Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls an. Sie dürfen keine Interessenkonflikte bewirken und keine Verpflichtungen zu einer Gegenleistung hervorrufen.

Wirksame Korruptionsbekämpfung im Unternehmen

Eine funktionierende Korruptions-Compliance ist heute ein „must have“ in jedem Unternehmen. Grossunternehmen, wie auch KMU, sollten über ein internes Meldesystem für einschlägige Fälle verfügen und eine massgeschneiderte, in einfacher und verständlicher Sprache verfasste Antikorruptions-Weisung sowie einen „Code of Conduct“ haben. Dies liegt in der Selbstverantwortung des Unternehmens und ist heute „Best Practice“. Sie müssen Gewähr für eine unabhängige Behandlung der Meldung bieten, anonyme Meldungen ermöglichen sowie Kündigungen und andere Vergeltungsmassnahmen aufgrund von Meldungen verhindern. Diese Massnahmen sollten mit Ausbildungen, Schulungen und Trainings der Mitarbeiter aller Stufen ergänzt werden. Grösseren Unternehmen wird die Zusammenarbeit mit einem internen oder externen Compliance Officer empfohlen.

Die Basis für eine wirksame Korruptionsbekämpfung im Unternehmen bilden klare und verständliche Regelungen und damit einhergehend eine einheitliche und regelmässige interne Kommunikation durch das Top Management, der sog. „Tone from the Top“. Empfehlenswert ist neben einer internen Kontrolle über die Einhaltung der Weisungen und Richtlinien auch eine solide „Due Diligence“ der Auswahl und Überwachung von Geschäftspartnern sowie die Einführung von konkreten Schwellenwerten bei der Annahme von Geschenken und Einladungen, inklusive entsprechendem Bewilligungsprozess.

Korrektes Verhalten von Mitarbeitern und Tipps für die Praxis

Wie sollte sich nun ein Mitarbeiter korrekt verhalten, wenn ihm eine Zuwendung angeboten wird? In einem ersten Schritt sollten – sofern vorhanden – interne Weisungen und Regelungen konsultiert werden. Bei Unsicherheiten sollte immer (vorgängig) eine Genehmigung durch den Vorgesetzten und/oder die Compliance Abteilung eingeholt werden. Aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers empfehlen wir, alle Zuwendungen bei Erhalt umgehend dem Arbeitgeber anzuzeigen, offenzulegen und gegebenenfalls auch herauszugeben. Als Faustregel gilt, dass keine Zuwendungen angenommen werden sollten, die einen Gesamtwert von 250.00 Schweizer Franken übersteigen, gegen interne Weisungen verstossen oder unmittelbar an eine entsprechende Gegenleistung gebunden sind. Reine Geldgeschenke sollten nicht entgegengenommen werden.

Damit Korruption wirksam bekämpft werden kann, genügt es nicht, nur die Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Es benötigt Verantwortungsbewusstsein von jedem Mitarbeiter, dem die obengenannten Verhaltensregeln dabei als Guideline dienen sollen.

Autor: Daniel S. Weber

MLaw Daniel S. Weber, LL.M., ist Rechtsanwalt und Counsel bei der Anwaltskanzlei Wenger & Vieli in Zürich. Er ist vorwiegend in den Bereichen Banken- und Finanzmarktrecht, Wirtschaftskriminalität, Compliance und interne Untersuchungen tätig. Er verfügt aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Deputy Head Investigations einer Schweizer Grossbank über breite Erfahrung in der Durchführung umfangreicher interner Untersuchungen inklusive Korruptions- und Whistleblowing-Verfahren. Er berät und vertritt regelmässig Unternehmen und Privatpersonen in Korruptions-Angelegenheiten.

Autor: Tim Vetterli

MLaw Tim Vetterli ist Junior Lawyer bei Wenger & Vieli Wenger & Vieli, wo er die nötige Praxiserfahrung für den Erwerb des Anwaltspatents erwirbt. Während seinem Studium an der Universität Zürich arbeitete er in der Rechtsabteilung einer Schweizer Grossbank in Zürich.

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