10. Dezember 2012

Rechnungslegung

Bald hat die Schweiz ein neues Rechnungslegungsrecht – Milchbüchleinrechnung inklusive!

Von Prof. Dr. Marco Passardi

Dozent und Projektleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Das neue Schweizer Buchführungs- und Rechnungslegungsrecht, d.h. die Überarbeitung des 32. Titels „Kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung“ des Obligationenrechts (OR), befindet sich auf der Zielgeraden: Nachdem die Räte die in einigen Teilen geänderte Vorlage des Bundesrates, nach rund vier Jahren Beratungszeit, am 23.11.2011 mit grosser Mehrheit verabschiedeten, beschloss der Bundesrat am 22.11.2012, die Vorlage per 1.1.2013 in Kraft zu setzen. Dabei wurden Übergangsfristen von zwei, z.T. drei, Jahren festgelegt, so dass die meisten Anwender erst in naher Zukunft zur Umsetzung der Vorlage gezwungen werden. Allerdings ist eine vorzeitige Anwendung der neuen Bestimmungen möglich; dannzumal sind aber alle Bestimmungen konsequent anzuwenden; eine „parallele Nutzung“ der alten/neuen Version des 32. Titels ist nicht möglich.

Wer muss nur einen Teil der neuen Bestimmungen umsetzen?
Es gibt einen Kreis von Unternehmen, die von der ordentlichen Buchführungspflicht nach Art. 957a OR befreit sind, jedoch eine sog. „Milchbüchleinrechnung“ führen müssen. Gem. Art. 957 Abs. 2 OR versteht der Gesetzgeber darunter

1. eine Buchführung über Einnahmen und Ausgaben und

2. eine Buchführung über die Vermögenslage.

Die Sonderbehandlung von bestimmten Rechtsformen ist allerdings eine gewisse Verfehlung des ursprünglich anvisierten Ziels der Rechtsformneutralität. Auch das Ziel der Grössenabhängigkeit wurde hinsichtlich Buchführungspflicht nicht durchgängig über alle Rechtsformen umgesetzt. So ist beispielsweise eine kleine Unternehmung mit einem Umsatz von CHF 90‘000 in der Form einer GmbH ordentlich buchführungspflichtig, während ein selbständiger Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, mit CHF 300‘000 Umsatz, nur eingeschränkt buchführungspflichtig ist, da sie als Personengesellschaft ausgestaltet ist.

Eine Durchsicht der Beratungen der eidgenössischen Parlamente, soweit dies aus den öffentlich abrufbaren Ratsprotokollen möglich ist, zeigt auf, dass den Räten die KMU-Tauglichkeit des Gesetzes sehr wichtig war. Weniger wichtig war es anscheinend den Stellenwert von Buchführung und Rechnungslegung fundiert zu reflektieren (wenn auch die Botschaft des Bundesrates das ermöglicht hätte). Gerade bei der Diskussion des Art. 957 OR zeigte sich dies sehr deutlich: Die Räte diskutierten intensiv darüber, ab welcher Umsatzhöhe die neu geschaffenen Bestimmungen des 32. Titels gelten sollten.

Der ursprüngliche Vorschlag des Bundesrates setzte die Untergrenze betragsgleich mit der Pflicht des Einzelunternehmens zum Eintrag ins Handelsregister an, d.h. bei CHF 100‘000. Die Räte erhöhten diesen Betrag – immer mit der Betonung der KMU-Förderung/-Tauglichkeit – sukzessive auf CHF 500‘000 und die Einschränkung der ordentlichen Buchführungspflicht damit auch teilweise von der Eintragungspflicht in das Handelsregister. Wie aus den Ratsprotokollen teilweise entnommen werden kann, war sich der Gesetzgeber sehr wohl bewusst, dass er damit „Erleichterungen“ schuf, die beim genaueren Hinsehen von den Erfordernissen anderer Erlasse zumeist wieder ausgehebelt werden.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.