Rechnungslegung

Die Credit Suisse und ihre Goodwill-Altlast

Die Credit Suisse und ihre Goodwill-Altlast

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von Christian Bitterli, Studienleiter und Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Am 04.02.2016 hat die Credit Suisse ihr Jahresergebnis 2015 präsentiert. Das Ergebnis – ein Verlust von 2.9 Mrd. Franken – ist für ihre Aktionäre nicht nur eine Enttäuschung, es ist ein veritabler Schock! Als Folge davon sackte der Aktienkurs auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Mit Sparmassnahmen, u. a. auch mit der Entlassung von ca. 4‘000 Mitarbeitern (mehr als 8 % des Personalbestandes) will man bei der Schweizer Grossbank wieder auf Kurs kommen.

Schaut man sich das Zustandekommen des Reinverlustes etwas genauer an, fällt auf, dass ein Goodwill-Abschreiber in der Höhe von 3.8 Mrd. Franken (!) das Ergebnis der Bank stark belastet. Offenbar geht ein Grossteil dieses Abschreibers auf eine Übernahme (US Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette) aus dem Jahr 2000 zurück. Interessanterweise wurde diese Investmentbank schon vor einiger Zeit aufgelöst, der Goodwill blieb aber weiter in der Bilanz stehen. Das muss nicht a priori ein Widerspruch sein, macht aber dennoch etwas stutzig. Trotz der vorgenommenen Goodwill-Bereinigung hat die Banken-Gruppe aber immer noch gut 4 Mrd. Franken Goodwill in ihrer Bilanz.

Hat man bei der Credit Suisse in der Vergangenheit verpasst, nötige Wertberichtigungen vorzunehmen? Hat die alte Führungscrew Altlasten vor sich hergeschoben? Schnell ist von Beschönigung der Ergebnisse in der Vergangenheit und damit verbundenen unberechtigten Bonuszahlungen zu lesen. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, ob der neue CEO Tidjane Thiam sich und seinem Team eine überaus gute Ausgangslage für die Zukunft schaffen will? Davon ist auszugehen. Immer wieder hört man, dass neue Führungskräfte Altlasten und Sonderbereinigungen im Ergebnis des alten Jahres versorgen (wollen). Denn dafür sind sie nicht (bzw. nur teilweise) verantwortlich. Als positiver Aspekt dieser Debatte kann festgehalten werden: Egal wer welche Verantwortung trägt bzw. wer wie viel von derartigen Aufräum-Aktionen profitiert, aus Unternehmenssicht sind sie wünschenswert. Sie ermöglichen es, dass sich das Unternehmen ohne Altlasten den gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen stellen kann.

Der vorliegende Fall der Credit Suisse ist schon fast ein Schulbeispiel dafür, welche Auswirkungen der sogenannte „Impairment-only“-Ansatz bei Goodwill-Positionen haben kann. Bei diesem Ansatz wird der Goodwill aktiviert und in der Bilanz belassen. Jährlich vorgenommene Impairment-Tests zeigen, ob allenfalls eine Wertkorrektur mittels Abschreibung vorzunehmen ist. Dies kann für Unternehmen in schwierigen Zeiten ein gefährlicher Ansatz sein. Denn läuft es erst einmal schlecht, ist schnell auch die Werthaltigkeit des Goodwills nicht mehr gegeben und eine entsprechende Goodwill-Abschreibung nicht mehr weit. Das Ungemach stürzt quasi doppelt über das Unternehmen herein: einerseits belasten schlechte operative Ergebnisse die Erfolgsrechnung und andererseits kommt zusätzlich eine (grosse) Belastung durch notwendig gewordene Goodwill-Abschreiber aufgrund von „Vergehen aus früheren Zeiten“ dazu.

Damit ist man schnell bei der Diskussion nach der „richtigen“ Behandlung des Goodwills. Dies ist ein viel diskutiertes Thema in der «Accounting Welt». Über den Ansatz bzw. die Berechnung des Goodwills ist man sich heute weitestgehend einig: Es wird die Erwerbsmethode (Acquisition Method) angewendet. Ist der Goodwill dann aber einmal in der Bilanz, stellt sich die Frage: Wie weiter? Unter Swiss GAAP FER wird der Goodwill beispielsweise aktiviert und (in der Regel über 5 Jahre, in begründeten Fällen höchstens 20 Jahren) abgeschrieben oder sogar direkt mit dem Eigenkapital (in diesem Fall inklusive «Schattenrechnung») verrechnet. IFRS und US GAAP (Credit Suisse rapportiert nach US GAAP) verlangen den weiter oben beschriebenen „Impairment-only“-Ansatz.

Unter Swiss GAAP FER kommt es in der Regel selten zu hohen Goodwill-Abschreibern (wie im Fall der Credit Suisse). Die Abschreibungen – und die damit jährlichen und regelmässigen Belastungen der Erfolgsrechnung – über 5 bzw. allenfalls 20 Jahre entschärfen diese Problematik. Verantwortliche, deren Unternehmen nach IFRS oder US GAAP rapportieren, müssen hingegen ein Stück weit mit der ständigen Angst leben, dass das Unternehmen von der Vergangenheit eingeholt wird und ein „Goodwill-Impairment“ die Jahresrechnung massiv belastet.

Interessant ist bei der Diskussion der Goodwill-Behandlung auch folgende Beobachtung: Viele „IFRS/Swiss GAAP FER-Switcher“ nützen bei der Umstellung auf Swiss GAAP FER die einmalige Gelegenheit und verbannen den Goodwill aus ihrer Bilanz. Sie verrechnen diesen mit dem Eigenkapital. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass viele Verantwortliche der Position Goodwill nicht wirklich trauen und diesen entsprechend lieber aus ihrer Bilanz entfernt haben möchten. – Für die Credit Suisse ist dieser Ansatz aufgrund ihrer Grösse und v. a. auch ihrer internationalen Ausrichtung aber keine Option.

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