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Risikomanagement

Erfolgsfaktor Mensch im Enterprise Risk Management – Teil 8: Gruppendenken

Erfolgsfaktor Mensch im Enterprise Risk Management – Teil 8: Gruppendenken


von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Professor für Enterprise Risk Management und Internal Control, und Marcel Fallegger, Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Fokussiert sich Ihr Unternehmen auf die richtigen Risiken? Und schätzen Ihre Entscheidungsträger diese so ein, wie sie in Wirklichkeit sind? Diese Fragen gehören zum modernen Enterprise Risk Management (ERM). Dessen Aktivitäten sind nämlich anfällig für kognitive und gruppenspezifische Verzerrungseffekte. Welche dieser Verzerrungen Risk Manager verstehen müssen und wie sich diese in der Praxis effektiv reduzieren lassen, diskutiert eine zehnteilige Blogserie.

Entscheidungsträger stützen sich bei Risikoabwägungen oft auf eine Kombination aus Daten, Wissen und Erfahrung. Ob bewusst oder nicht, verlässt sich unser Gehirn dabei auf unbewusste psychologische Vorurteile. Letztere beeinflussen die Risikobeurteilung und haben damit wesentliche Auswirkungen auf die Erstellung und Abschätzung von Risikoszenarien. Verzerrte Szenarien können dazu führen, dass suboptimale oder gar fatale Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden.

In der heutigen VUCA-Welt stellen solche Verzerrungseffekte, wenn sie nicht aktiv gesteuert werden, selbst ein Risiko für Unternehmen dar. Im Rahmen dieser Blogserie stellen wir 10 für das ERM zentrale kognitive und gruppenspezifische Verzerrungen dar. Im achten Teil geht es um das Gruppendenken.

Was wird unter Gruppendenken verstanden?

Beim Gruppendenken neigt eine Gruppe dazu, Konsens anzustreben und Konflikte möglichst zu vermeiden oder zu minimieren. Dieser Konsens basiert in der Regel jedoch nicht auf einer angemessenen kritischen Bewertung und Analyse. Individuelle Perspektiven und individuelle Kreativität gehen dadurch (teilweise) verloren, Querdenken ist oft unerwünscht. Es ist nicht so, dass sich die Gruppenmitglieder gezwungen sehen – sie fühlen sich vielmehr an die Gruppe gebunden und vermeiden es, in eine Konfliktsituation zu geraten. Die Harmonie der Gruppe wird höher gewichtet als die Entwicklung realistischer Risikoszenarien.

Gruppendenken führt gemeinhin zu einer «Polarisierung», d. h. die Gruppendynamik stärkt die Risikoeinstellung der Gruppenmitglieder. Bei der Beurteilung von Risikoszenarien neigen Gruppen dazu, extreme Urteile zu fällen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligten vor Beginn eines Risikoworkshops ähnliche Meinungen vertreten. Wenn z. B. einzelne Gruppenmitglieder wenig risikoscheu eingestellt sind, kann das Gruppendenken dazu führen, dass die gesamte Gruppe Risiken kaum meidet. Wenn hingegen viele Mitarbeitende ein Risiko vor einer Gruppendiskussion als hoch einstufen, kann dies zu einer noch höheren Risikobewertung führen. Somit besteht die Gefahr der Unter- und Überschätzung von Risiken durch Gruppendiskussionen.

Wie lässt sich dem Gruppendenken entgegenwirken?

Um das Gruppendenken zu reduzieren, sollten Risk Manager verschiedene Persönlichkeiten in Risikoworkshops einladen und ein Klima schaffen, in dem Chancen und Risiken hinterfragt werden. Es ist auch wichtig, dass alle Gruppenmitglieder bestimmte Regeln befolgen, um einen fairen Austausch von Ideen und Bewertungen zu gewährleisten. Um dies zu erreichen, sollten die Gruppen klein gehalten werden (5-8 Teilnehmende). Zudem sollten die Gruppenmitglieder ihre Ansichten zuerst aussprechen, nicht die Autoritätsperson. Damit einher geht der Abbau von Machtungleichgewichten, d. h. die Förderung von flachen Hierarchien in entsprechenden Teams.

In diesem Zusammenhang ist es zudem ratsam, Kanäle für anonymes Feedback bereitzustellen. Auf diese Weise können einzelne Mitglieder, die sich im Gruppenkontext nicht kritisch zu äussern getrauen, ihre Meinung anonym kundtun. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Gruppe sie als überkritische Mahner darstellt. Eine ebenfalls wirksame Massnahme stellt die Einladung von Personen aus anderen Abteilungen (die gegebenenfalls sogar von den Bewertungen/Entscheiden betroffen sind) zu Risikoworkshops dar. Schliesslich gibt es die Option, bewusst einen «Advocat Diaboli» in der Gruppe zu bestimmen, der alle konsensbasierten Meinungen oder Entscheide bewusst kritisch hinterfragt und eine Gegenposition einnimmt.

Wo finde ich weitere Informationen zum Gruppendenken?

  • Kaba, A., Wishart, I., Fraser, K., Coderre, S., & McLaughlin, K. (2016). Are we at risk of groupthink in our approach to teamwork interventions in health care? Medical Education, 50 (4), 400–408.
  • Murata, A. (2017). Cultural Difference and Cognitive Biases as a Trigger of Critical Crashes or Disasters – Evidence from Case Studies of Human Factors Analysis. Journal of Behavioral and Brain Science, 7, 399–415.
  • Shefrin, H. (2016). Behavioral Risk Management. Managing the Psychology That Drives Decisions and Influences Operational Risk. New York: Palgrave Macmillan.

Eine umfassende Auseinandersetzung mit den wichtigsten Verzerrungseffekten im Risk Management wird zudem im Lehrbuch Enterprise Risk Management – Balancing Risk and Reward von Prof. Dr. Stefan Hunziker im Herbst 2019 bei Springer Gabler erscheinen.

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