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Risikomanagement

ERM in der Aus- und Weiterbildung: Was wir aus Forschungsprojekten lernen können

ERM in der Aus- und Weiterbildung: Was wir aus Forschungsprojekten lernen können


von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Professor für Enterprise Risk Management und Internal Control am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Die Aus- und Weiterbildung an Hochschulen muss sich an etablierten Konzepten und aktuellen Forschungserkenntnissen ausrichten. In praxisnahen Studiengängen soll gleichzeitig aber auch der Praxistransfer sichergestellt werden. Wie Innosuisse-Projekte diese Zielsetzung unterstützen können, illustriert der folgende Beitrag am Beispiel «Ganzheitliches Risk Management in Schweizer Spitälern».

Das Enterprise Risk Management gilt als noch junge, rasch wachsende und vielschichtige Wissenschaftsdisziplin innerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Entsprechend verschieden wird diese auch interpretiert, vermittelt und gelebt. Aus- und Weiterbildungsinstitutionen nehmen in diesem Umfeld eine wichtige Rolle ein, wenn es darum geht, den Mehrwert eines ganzheitlichen, modernen Enterprise Risk Management (ERM)-Ansatzes zu vermitteln. Insbesondere müssen sie den praxisorientierten Studierenden aufzeigen, dass trotz anspruchsvollen Methoden und Instrumenten das ERM pragmatisch umgesetzt werden kann.

In diesem Zusammenhang können Hochschulen auch von der Praxis selbst lernen. Nämlich wenn es darum geht, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sinnvollsten Methoden im Rahmen von Forschungsprojekten in den praktischen operativen Kontext zu übersetzen. Dazu werden nachfolgend einige Gedanken, stellvertretend am Beispiel des Forschungsprojekts «Ganzheitliches Risk Management in Schweizer Spitälern», präsentiert. Dieses vom Bund mitfinanzierte Projekt wird in Zusammenarbeit der Hochschule Luzern, der Insel Gruppe in Bern, H+ Bildung und new-win SW Solutions AG realisiert.

Die Insel Gruppe möchte ein modernes, in den Strategieprozess integriertes Risk Management implementieren. Um risikobedingte Kosten zu minimieren und das Chancenpotenzial zu optimieren, hat sich der Spitalbetrieb dazu entschieden, auch neuere Methoden der Risikobewertung einzuführen. In dieser Hinsicht leistet der Forschungspartner, d. h. das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern, einen wichtigen Beitrag. Basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen besteht die Zielsetzung darin, ein Konzept zu erarbeiten, das die Ansprüche aller Anspruchsgruppen bestmöglich erfüllen kann.

In Bezug auf diesen Transfer zeigten sich folgende Punkte, die auch für Aus- und Weiterbildung des IFZ von Relevanz sind (dazu später mehr).

  • Im Umfeld von Spitälern und bei vielen Mitarbeitenden werden Risiken grundsätzlich negativ interpretiert. Dies widerspricht der wissenschaftlichen Auffassung, die inzwischen zahlreiche internationale ERM-Gremien vertreten. Im Rahmen des Projekts musste deshalb ein adäquates internes Umfeld geschaffen werden, das eine gemeinsame Sprache sicherstellt. Auf diese Weise lässt sich ein konstruktiver Diskurs über Chancen und Gefahren etablieren.
  • Die ERM-Literatur stellt Methoden und Instrumente bereit, die eine ganzheitliche und verlässliche Risikobeurteilung ermöglichen. Im Rahmen des Projekts offenbarte sich, dass die Umsetzung der Vorgehensweisen in der praktischen Anwendung von kognitiven und gruppenspezifischen Verzerrungen beeinflusst wird. Dementsprechend wichtig erscheint die Aufklärung und Schulung der Risk Manager und Risikoeigner, um verzerrungsfreiere Entscheide zu fördern.
  • Nach modernem ERM-Verständnis erhalten die Entscheidungsträger aus den Fachbereichen umfassende Kompetenzen in der Risikobeurteilung. Da diese in Realität aber selten über eine umfassende ERM-Ausbildung verfügen, benötigt es zwingend den Risk Manager als Business Partner bzw. Sparringpartner. Die Implementierung bei der Insel Gruppe veranschaulicht, dass erst durch diese Diskussionen auf Augenhöhe dem Risk Management die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird.
  • Obschon die moderne ERM-Literatur organisationale Aspekte beleuchtet, ist die praktische Umsetzung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Neben den knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen spielen immer auch hierarchie- und bereichsbezogene Überlegungen eine Rolle. Dies kann soweit führen, dass Risiken aus Angst vor Budgetkürzungen bewusst nicht ausgewiesen werden. Das Projekt verdeutlichte die Wichtigkeit eines entsprechenden Change-Managements.
  • Schliesslich sind aus wissenschaftlicher Perspektive strategische, operative und finanzielle Risiken als gleichwertig zu betrachten. Das Projekt zeigte aber, dass oft noch traditionelle stark finanzorientierte Risk Management-Auffassungen bestehen. Dies hängt auch mit der Aus- und Weiterbildung zusammen, die über lange Zeit anspruchsvolle quantitative Methoden zur Risikobewertung vermittelte. Im Spitalbetrieb gehören aber primär strategische Risiken zu den Top-Risiken, was entsprechende Methoden und Know-how benötigt.

Diese Auflistung liesse sich um weitere interessante Eindrücke erweitern. Im Kern wird daraus ersichtlich, dass der forschungsbasierte Transfer aus und in die Praxis eine grosse Relevanz für die Aus- und Weiterbildung besitzt. Dabei sollte der ERM-Ansatz im Fokus entsprechender Aus- und Weiterbildungsangebote stehen. Zudem verdeutlichen die Ausführungen, dass es sich beim ERM um ein interdisziplinäres Fach handelt und die relevanten Verbindungen zu Rechnungswesen, strategischem Management, Finanzmanagement usw. hervorgehoben werden müssen. Aspekte der Psychologie (kognitive und motivationale Verzerrungen) und des Change-Managements sollten ebenfalls mit dem ERM verknüpft werden.

Diesbezüglich schaffen Forschungsprojekte wie das genannte eine Basis, um Methoden und Instrumente noch stärker auf die Praxis zu adaptieren. Dieses Wissen wiederum kann in der Aus- und Weiterbildung verwendet werden. Dadurch lässt sich relevantes Know-how für die Unternehmen schaffen, das sich an den aktuellen Forschungserkenntnissen ausrichtet.

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