Data Thinking im Digital Business – Von der Kommunikation mit Chatbots und dem Reiten der Datenwellen

Data Thinking im Digital Business – Von der Kommunikation mit Chatbots und dem Reiten der Datenwellen

Im Hans-Lütolf-Auditorium der Hochschule Luzern fand am 05.07.17 das IKM Update zum Thema Data Thinking im Digital Business statt. Milos Radovic und Claudio Mirti referierten zur spannenden neuen Welt der Chatbots und Dr. Eva Anderl zeigte einen Design-Thinking-Prozess auf, wie man im digitalen Zeitalter Herr über die Datenflut wird.

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Milos Radovic (Swisscom) referiert zu Conversational Commerce.

«Mobile Geräte sind die direkteste, persönlichste und relevanteste Verbindung zu unseren Kunden und Mitarbeiter». Mit dieser treffenden Aussage eröffnete Milos Radovic, Senior Business Developer bei Swisscom und Dozent am CAS Online Shop & Sales Management, einen von drei Vorträgen am IKM Update. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, sie hat aber weitreichende Konsequenzen für unser tägliches Privat- und Geschäftsleben. Denn mit der extrem dynamischen Entwicklung des Mobile Business und mit zunehmendem digitalen Reifegrad informieren, kommunizieren und interagieren wir nicht nur über mobile Geräte, sondern es werden immer mehr Prozesse bzw. Transaktionen mobil abgewickelt. Zudem werden Geschäftsmodelle kontextualisiert. Das heisst, dass sich jedes Unternehmen heute fragen muss, in welchem Kontext, an welchen Orten und zur welchen Zeit seine Produkte oder Services genutzt und mit welchen mobilen Lösungen über Websites, Apps oder neuerdings Chatbots diese unterstützt werden sollen.

Sind Chatbots die neuen Apps?

«Chatbots are the new apps» zitiert Milos Radovic Microsoft CEO Satya Nadella. Er weist auf die stark wachsende Nutzung von Messaging Apps wie Facebook Messenger, WhatsApp, WeChat, Slack oder Viber hin: Die Messenger Dienste haben die sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat längst überholt, was die Anzahl aktiver Nutzer anbelangt.

Vier von fünf Millennials nutzen den am meisten heruntergeladenen Facebook Messenger als primären oder sekundären Kommunikationskanal. Gar neun von zehn Millennials bevorzugen, um über das Web oder soziale Medien mit den Unternehmen zu chatten.

Da die Jungen sowieso schon immer und überall chatten, ist diese Art der Kommunikation gewohnt, schnell, einfach, unkompliziert und asynchron. Das vielversprechende dabei ist, dass Chatbots die Eins-zu-Eins-Kommunikation in Messenger Diensten digital, automatisiert, kostengünstig und messbar übernehmen können. Daher werden Chatbot in Zukunft wichtig für den Kundensupport und die Services von Unternehmen.

Conversational Commerce als greifbare Chance?

Milos veranschaulichte vier Eckpfeiler in der Interaktion mit Kunden und Nutzern (vgl. 4Cs in Abb. 1):

  • Als Concierge erleichtert ein Chatbot das Leben eines Nutzers und unterstützt ihn im Verkaufs- und Beratungsprozess (z.B. der Chatbot Zalon von Zalando oder der BLS- oder SBB-Chatbot als persönlicher Reisebegleiter). Viele Chatbots liefern auf Nutzeranfragen die passenden Antworten, so dass viele Kunden gar nicht merken, dass sie mit einer Software und nicht mit einem Menschen kommunizieren. Der Anruf in Callcenter wird in diesem Fall überflüssig.
  • Bei Conversation kommuniziert, interagiert und verkauft der Chatbot wie ein Kundenberater mit den Nutzern (z.B. der Everlane Chatbot in der Modeberatung).
  • Im Falle von Context informiert ein Chatbot situations- und ortsabhängig. So kann man etwa über den Chatbot der Fluggesellschaft KLM oder Austrian Airline nicht nur den Flug buchen, sondern dieser informiert den Fluggast Vorort am Flughafen kontextbezogen bezüglich den Status des Boardings und über Flugverspätungen oder Gate-Wechsel.
  • Grosses ökonomisches Potential bietet schlussendlich der vierte Punkt, Commerce. Im Conversational Commerce muss der Kunde nicht mehr im Online Shop lange nach dem richtigen Produkt suchen, sondern der Chatbot (z.B. von chatShopper, Zalora, oder eBay) schlägt wie ein guter Verkäufer das passende Angebot vor.
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Abb. 1: Die vier Eckpfeiler (4Cs) des Conversational Commerce. Quelle: Milos Radovic, Swisscom.

Mit Chatbots zusätzliche Daten gewinnen?

Am Ende stellte Milos den 81 aufmerksamen Hörern die gute Frage, wie man wohl den Erfolg von Chatbots messen kann. Als Antwort nannte er die Kundenzufriedenheit und die Prozessoptimierung. Für Unternehmen besonders interessant sind bei Chatbot-Interaktionen folgende Daten:

  • Die Engagement Rate und das Interaktionsbedürfnis der Kunden
  • Die (formulierten) Kundenerwartungen an Produkte und Dienstleistungen
  • Der Kontext der Kunden und deren Produktnutzung
  • Die Kundenstimmung zu einem bestimmten Zeitpunkt
  • Das unmittelbare Feedback und die (situative) Kundenzufriedenheit und
  • Die Kanal- und Kundenprofile, die viel über Kunden und ihr Affinitäten aussagen.

Wie einen eigenen Chatbot entwickeln?

Im zweiten Vortrag hat Claudio Mirti, Princial Solution Specialist bei Microsoft, das Thema Chatbot weiter konkretisiert und entmystifiziert.
So zeigte Claudio auf, wie man mit dem QnA Maker aus FAQs (Frequently Asked Questions) einfach einen eigenen Chatbot bauen kann. Wer weiter als nur FAQs beantworten gehen will, kann das Bot Framework und Luis (Language Understanding Intelligent Service) von Microsoft nutzen.

Hiermit baue ich in wenigen Minuten einen Chatbot

Diese und viele weitere Plattformen helfen Einsteiger beim entwickeln und experimentieren mit Chatbots. Welches Frontend (z.B. Social Media Messenger, Website oder App in Abb. 2) dabei genutzt wird, ist zweitrangig. Entscheidend ist, wie die Texte, welche ein User eingibt, mittels NLP (Natural Language Processing) und Machine Learning verarbeitet werden und welche Informationssysteme (Datenbanken, Datawarehouse, Data Lake) im Backend integriert sind. Letztere sind in Chatbot-Systemen die Datengrundlage für die zufriedenstellenden Antworten des Chatbots an den Mobile User.

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Abb. 2: Digital Data Platform für digitale Services wie Chatbots. Quelle Bild: Claudio Mirti, Microsoft.

Wie im Data Thinking vorgehen?

Auf jeder digitalen Plattform fallen bei jeder Interaktion mit ihren Nutzern – je nach Grösse und Nutzung – grosse Mengen unterschiedlicher Daten an. So wird im Digital Analytics jeder Klick auf Websites und jede Wischbewegung in Apps mit herkömmlichen Digital-Analytics-Systemen wie z.B. Adobe Analytics, Google Analytics oder Piwik aufgezeichnet und zielgerichtet analysiert.

Wer angesichts dieser grossen Datenwellen nicht strukturiert, systematisch und intelligent vorgeht, kann in der Datenflut schnell untergehen. Damit dies nicht passiert und Daten effektiv und effizient genutzt werden, zeigte Dr. Eva Anderl von FELD M ein übergreifendes Vorgehensmodell mit vier Schritten auf, welches sich aus dem Ansatz des Design Thinking ableitet:

  • Discover the problem: Welche Bedürfnisse oder Probleme haben unsere (externen/internen) Zielgruppen und welche Daten und Potentiale haben wir, diese zu lösen?
  • Define the area to focus upon: Wie geschäftsrelevant und umsetzbar sind die identifizierten Uses Cases? Wie werden diese priorisiert und spezifiziert?
  • Develop potential solutions: Iterativ werden datengetriebene Konzepte und Lösungen entwickelt. Dabei werden Daten erfasst, aufbereitet und integriert sowie Analysen durchgeführt oder Modelle entwickelt und getestet.
  • Deliver the solutions that work: Die Analyse oder Massnahme wird lanciert und die Lösung evaluiert.

Ein solcher Data-Thinking-Prozess ist ein iterativer, kontinuierlicher und interdisziplinärer Prozess, an dessen Workshops und Meetings verschiedenste Spezialisten eines Unternehmens beteiligt sind.

Fragen bleiben jung, Daten altern rasch

Der erste Schritt des Data Thinking ist der entscheidende, nämlich die wichtigen und richtigen Fragen zu stellen. Dies geschieht etwa in Bezug auf die digitalen Touchpoints mit Kunden (wo fallen die Daten an?), die Datenbeschreibung (um welche Daten handelt es sich?), den Datentyp (welche Typen an Daten haben wir?) und auf deren Nutzung (wo werden die Daten genutzt? Siehe Abb. 3).

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Abb. 3: Fragen des Data Thinking zur Verschaffung einer Übersicht über Datenquellen. Quelle: Eva Anderl, FELD M.

Fazit: Chatbots sind kein Hexenwerk, sondern sie werden schon Tausendfach entwickelt und genutzt. Jede(r) kann sie nutzen oder selber entwickeln. Dass ein Chatbot einen spür- und messbaren Mehrwert für ein Unternehmen und die Kunden generiert, ist entscheidend. Dasselbe gilt bei der Datensammlung und Analyse: sie sollte kein Selbstzweck sein. Daher muss sich heute jeder Digital Worker die passenden Fragen stellen, was er mit welchen Daten wie und wozu anstellt. Wem es – mit etwas Übung – gelingt, die Datenwelle zu reiten, der wird sich alsbald auf die Suche nach der nächsten Welle machen.

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