Digital Branding: Die Grundgesetze der Markenführung gelten auch in der Industrie 4.0

Digital Branding: Die Grundgesetze der Markenführung gelten auch in der Industrie 4.0

Die in der Markensoziologie beschriebenen Grundprinzipien des Markenaufbaus und der Markenführung haben im Zeitalter digitaler Medien genauso Bestand wie vor hunderten von Jahren – sie gelten für Dienstleistungen wie für Industrieprodukte, im B-to-B wie auch im B-to-C.

Das IKM Update «Digital Branding Revolution? Marke bleibt Marke – gerade im Digitalgewitter.» fand am 24. Mai 2018 an der Hochschule Luzern – Wirtschaft statt. Dr. Arnd Zschiesche und Dr. Oliver Errichiello vom Büro für Markenentwicklung, Hamburg, und langjährige Dozenten des «CAS Brand Management» der Hochschule Luzern – Wirtschaft referierten über markensoziologische Grundgesetze der Markenführung, die auch in der Industrie 4.0 gelten. Rund 150 Teilnehmende waren dabei.

Das «Digitalgewitter» verunsichert

Was hier mit «Digitalgewitter» gemeint ist, ist hinlänglich bekannt: Omnipräsenz des Internet in allen Lebensbereichen, neue digitale Kommunikationskanäle und Markenkontaktpunkte und damit noch grössere Reizüberflutung, veränderte Customer Journey, Kunden als Co-Kreatoren, disruptive Geschäftsmodelle und damit neue Wettbewerber, grenzenlose Vernetzung zwischen Menschen und zwischen Menschen und Dingen, «Big Data» und «Smart Data» als neuer Rohstoff, Mobile Devices immer und überall etc.

Kein Stein scheint auf dem anderen zu bleiben. Diese tiefgreifenden Entwicklungen sind nicht aufzuhalten, und sie passieren rasend schnell. Und niemand – weder die Wissenschaft noch die Praxis – weiss in diesem dynamischen Umfeld wirklich, wie es morgen und übermorgen sein wird.

Der Donner und Blitz des «Digitalgewitters» rüttelt die Unternehmens- und Markenverantwortlichen auf, verunsichert, führt zu Ängsten. Das Resultat bzw. Risiko: «digitale Hyperaktivität» und unreflektierter Aktionismus. Das erstaunt nicht, denn alle haben grosse Panik, den Anschluss zu verpassen. Und es gibt keine Erfolg garantierenden Strategien und Rezepte. Darum: «einfach mal machen, wir sehen ja dann». Die Hektik führt leider oft dazu, dass bewährte Grundgesetze und Erfolgsprinzipien der Markenführung im Gewitter über Bord geworfen und Marken langfristig beschädigt werden.

Die Markensoziologie – der sichere Hafen im «Digitalgewitter»

Wie soll ein Unternehmen bzw. eine Marke auf diese Entwicklungen und Herausforderungen in der zunehmend komplexeren digitalen Welt reagieren?

Josef-Schumacher Franz-Rudolf Esch schreibt in seinem Klassiker «Strategie und Technik der Markenführung», inzwischen die 9. Auflage, dass Marken den «richtigen Rhythmus zwischen Wandel und Bewahren» finden müssen, also einen Mittelweg zwischen Beharrungsvermögen und Hyperaktivität. Beide Extreme sind zu vermeiden.

Auch Oliver Errichiello und Arnd Zschiesche, moderne Vertreter der Markensoziologie, empfehlen, den «richtigen Rhythmus zwischen Wandel und Bewahren» zu finden. In ihrem Referat am IKM Update, in Publikationen und im Marken-Blog «markenradar.com» erklären sie, warum gerade die Markensoziologie in Zeiten des «Digitalgewitters» eine Orientierungshilfe und konkrete Handlungsanleitungen gibt.

Arnd Zschiesche beschreibt im Marken-Blog «markenradar.com» (11.02.2015) das Wesen der Markensoziologie wie folgt:

«Soziologie ist die Lehre von den sozialen Bündnissen. Eine Marke ist ein soziales Bündnis. Denn Bündnisse gehen Menschen nicht nur mit Menschen ein, sondern auch mit Dingen. Manche werden bewusst gewählt, andere unbewusst. Der starken Marke gelingt es, viele Menschen dauerhaft um ihre Leistung zu bündeln, d.h. sie investieren regelmässig Geld in das Produkt oder die Dienstleistung. Ob Eckkneipe oder Globalkonzern: Eine Marke beginnt ihr Leben von dem Moment an, indem sich Kundschaft bildet. Erst mit der daraus resultierenden Absatzgarantie entsteht wirtschaftliche Sicherheit beim Anbieter und somit Markenkraft. Es hat sich innerhalb einer Personengruppe Vertrauen in eine spezifische Leistung gebildet – sie teilt ein positives Vorurteil gegenüber der Markenleistung.

Diese individuelle Leistung bildet den Kern jeder Marke, die daraus resultierende Anziehungskraft auf eine bestimmte Gruppe von Menschen macht deutlich: Jede Marke ist primär ein soziales Phänomen, welches betriebswirtschaftliche Auswirkungen hat. Nie umgekehrt. Jede Marke lebt davon, dass Menschen aus den unterschiedlichsten Beweggründen bereit sind, für ihre Leistung Geld auszugeben. Die Beweggründe sind höchst unterschiedlich: Hoher Preis, niedriger Preis, Prestige, Ablehnung von Prestige Design, etc. Entscheidend ist: Die Gründe dafür liegen allein in der Leistung der Marke begründet. Die Markensoziologie interessiert sich daher ausschließlich für die konkreten Ursachen des Markenerfolges und analysiert sie. Der soziologische Zugriff legt den Blick auf die sozialen Mechanismen und Muster frei, die hinter jeder erfolgreichen Marke wirken und macht diese individuellen «Erfolgsbausteine» konkret und somit operabel für das Management.

Carina-Britschgi Eine starke Marke zeichnet sich dadurch aus, dass sie komplexe soziale Strukturen – Leistungen, Produkte, Menschen, Orte – in eine stimmige Einheit verwandelt, die von aussen und innen als solche wahrgenommen wird: Die Menschen sprechen von Microsoft, von Nivea oder vom Hotel Vier Jahreszeiten als wären es Einzelpersonen, obwohl tausende oder hunderte Personen hinter diesen Namen stehen. Aus vielen Einzelhandlungen über die Zeit hat sich ein übergeordnetes Muster – markensoziologisch ein Gestaltsystem – entwickelt. Die Tatsache, dass jede Marke ein eigenes System mit eigenen Regeln und eigener Geschichte ist, macht deutlich, dass eine Marke nur aus sich selbst heraus verstanden und geführt werden kann. Die soziologische Analyse von Markensystemen zeigt, dass die Wirkmechanismen und Anziehungskräfte von Marken den immer gleichbleibenden Verhaltensmustern des menschlichen Miteinanders folgen. Dies hat den Vorteil, dass sie für die Markenführung instrumentalisiert werden können. Dauerhafte Wertschöpfung ist nur über kontinuierliche Reproduktion und typische Fortentwicklung der eigenen Leistung möglich (siehe: Selbstähnlichkeit).»

Die Grundgesetze der Markenführung gelten auch in der Industrie 4.0.

Einige wichtige Grundgesetze der Markenführung gemäss Errichiello und Zschiesche, die auch im Digitalgewitter ihre Gültigkeit haben, lauten:

  • Eine Marke basiert immer auf einer konkreten Leistung, die bei der Kundschaft einen Nutzen stiftet.
    Das Produkt ist das Ergebnis der Leistung des Unternehmens. Unabhängig davon, ob ein Betrieb Badezimmerarmaturen, Pullover oder eine Dienstleistung anbietet. Allein das Produkt entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Firma. Keine ambitionierte Werbekampagne kann langfristig aus einem schlechten Produkt ein gutes machen. Durchdachte Werbung kann die besonderen Inhalte eines Produktes öffentlichkeitswirksam verstärken: Ohne eine dahinter liegende spezifische (Leistungs-)Botschaft ist sie wirkungslos.
    Marke ist ein Ursache-Wirkungs-Prinzip. Immer und überall. Die Leistungen des Unternehmens sind die Ursache, das positive Vorurteil bzw. der gute Ruf oder das Image in den Köpfen der Kundschaft ist die Wirkung.
  • Marke ist ein positives Vorurteil in den Köpfen der Menschen. Vorurteile vereinfachen, weil sie die Vielfalt individueller Handlungen zu einem groben aber eindeutigen Bild zusammenfassen – analog zu der Aufnahme mit einer Digicam. Starken Marken gelingt es, max. 2 bis 3 positive Vorurteile zu verankern – das kostet viel Zeit und Arbeit.
  • Die Formel lautet: (konkrete) Leistung + Zeit = Vertrauen = Marke.

  • Eine erfolgreiche Marke basiert auf dem Vertrauen der Kundschaft in ein «typisches» Produkt. Das Produkt ist der erneuerte Vertrauensbeweis der Marke. Auch wenn die Kundschaft bereits Vertrauen in die Marke besitzt und das Produkt ohne Prüfung erwirbt, so horcht sie unweigerlich in dem Moment auf, in dem die Erwartung erstmals nicht erfüllt und die geforderte Leistung nicht (mehr) erbracht wird. Das Produkt als Ergebnis der Arbeit des Unternehmens muss das «blinde» Vertrauen der Kundschaft in die Markenleistung immer neu rechtfertigen.
    Markenmanagement ist Vertrauensmanagement. Auch digital.
  • Markenkraft ist keine Frage des Stils – nur von Konsequenz.
  • Zusageverlässlichkeit und Verpflichtung – Starke Marken vermitteln Vertrauen und Sicherheit. Von dem Moment an, in dem ein positives Vorurteil über die Marke existiert, ist das Unternehmen dahinter in seinem Handeln nicht mehr frei. Ab diesem Zeitpunkt hat es die Verpflichtung, immer genau so zu agieren, dass die Erwartungshaltung der Kundschaft bestätigt wird.
  • Eine Marke lebt von Wiederholung. Vertrauen kann nur entstehen, wenn das Gegenüber verlässliche Signale sendet. Grundlage für den Aufbau eines positiven Vorurteils ist die regelmässige Wiederholung eines Vorgangs. Jemand, den ich am Montag mit Punkfrisur und Fetzenjeans antreffe, der mir am Dienstag glatt gegelt im Anzug entgegentritt, ergibt kein klares Bild. Solch radikaler Wechsel mag für Privatmenschen spannend sein, für eine Marke bedeutet es die Gefährdung ihrer Integrität und somit der monetären Existenzgrundlage.
  • Das Prinzip der Selbstähnlichkeit als Erfolgsbasis. Die massgebliche Rolle von Vertrauen, Wiederholung und Grenzziehung für die Führung von Marken wurde bis hierher deutlich. Das Fundament dafür bildet die Fähigkeit der Marke, alle ihre Eigenschaften in etwas Markentypisches umzuwandeln. Hat eine Marke ihr Erfolgsmuster gefunden und es in der Kundschaft verankert, so ist es ihre Verpflichtung, das Muster kontinuierlich zu reproduzieren – unabhängig da-von, was von aussen an sie herangetragen wird.

Erfolgreiche Marken sind und bleiben langweilig – gerade in Zeiten der Digitalisierung

Warum dies aus markensoziologischer Sicht so ist, erklärt Oliver Errichiello ausführlich in einem Beitrag im Marken-Blog «markenradar.com» (11.10.2017):

Walid-Hassab «Die eigentliche Kunst besteht darin, digitale Markenführung kurzerhand zu einem Sonderfall menschlicher Kommunikation zu machen. Ist das erst einmal gelungen, so ist es nur logisch und konsequent, dass die neuen Informationssysteme, die sich unter dem Schlagwort der Digitalisierung zusammenballen, vollkommen neuartige Strategien und Instrumente erfordern. Und deshalb muss der Marken- und Kommunikationsmanager ständig «designthinken», «schöpferisch zerstören», «disruptiv» denken, Gehirnströme messen und inzwischen sogar die Quantenmechanik (!) bemühen. Alles wird zur interaktiven «love brand» – auch wenn es für einen Toilettenpapierhersteller vielleicht gar nicht möglich ist. Im wunderbaren Kosmos der Experten macht das alles Sinn und Key-Notes, Whitepapers, Business-Gespräche und tonnenweise Ratgeber-Literatur bestärken die Verantwortlichen in ihrem Tun. Welche «Assessment-Center» filtrierten Verantwortlichen wagen denn heute noch eigene Strategien zu verfolgen und sich auf die «Intuition» zu verlassen – wie jeder wirklich herausragende Gründer?

Berater und Kreativ- und Werbeagenturen haben die nachvollziehbare Aufgabe diese Ideologie vehement zu postulieren, schliesslich fällt man mit alten Rezepten und Methoden nicht unbedingt auf geschweige denn generiert Neuprojekte. Die Aussage «Grenzen lösen sich auf. Was gestern noch in Stein gemeisselt war, ist heute überholt.» ist ein semantisch aufregender Satz, wissenschaftlich betrachtet, ist er aber falsch. Warum? Weil er davon ausgeht, dass sich das menschliche Wesen in den vergangenen 20 Jahren fundamental verändert hat. Bei aller Nachsicht, aber die Evolution denkt – auch wenn es unsere Generation für «echt unprofessionell» hält – in längeren Zeiträumen.

Vor einem markensoziologischen Hintergrund wird also folgendes behauptet:

  1. Marke ist ein soziales Phänomen. Das menschliche Sozialverhalten verändert sich nicht.
  2. Werbung und PR sind keine Sonderformen menschlicher Kommunikation.
  3. Je wirrer die Welt, desto langweiliger müssen Marken agieren, um erfolgreich zu sein.

Zu 1.:

Das menschliche Sozialverhalten ändert sich nicht

Melanie-Kuhn Egal ob Segmentierung im Markt und Differenzierung im Angebot (1970er Jahre), Zielgruppenanalyse (1980er Jahre) über Direct-Marketing, CRM, Dialog-Marketing , Data-Base Marketing und Mass Customization (1990er und 00er Jahre), am Ende verbindet die sich immer schneller ablösenden Marketing-Moden ein Wunsch: Die Entwicklung einer perfekten Markenmaschine, die so strukturiert ist, dass sie in den wahrnehmbaren Präsenzfeldern von Produkt, Distribution, Service und Werbung & PR, den Erwartungshaltungen der Kunden idealtypisch entspricht. Unternehmenserfolg ist gemäss dieser Logik keine Frage mehr eines schöpferischen Geistes, einer zündenden Idee, sondern der grössten Datenbasis. Markenführung als Zahlenführung.

Der Verleger und heutige Geschäftsführer der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens, K.A. Disch, der seit einem halben Jahrhundert die Markenentwicklung beobachtet, schrieb bereits vor fast 20 Jahren sinngemäss: «Vergesst mir den Menschen nicht …» Diese Aussage ist der Kern für eine fundierte Markenstrategie. Denn Marken haben keinen Selbstzweck. Rein ökonomisch ist nicht erklärbar, warum es das Phänomen Marke gibt. Aus einer markensoziologischen Perspektive wird deutlich, dass die Marke zunächst ein Bündnis ist, welches Menschen mit einem Leistungskörper eingehen. Warum tun sie das? Weil der Mensch von sich aus ein soziales Wesen ist. Und weil wir beobachten, dass die ganze Welt sich in Familien, Nationen oder Fussball-Clubs verbündet, werden wir immer wieder angestachelt, selbst Bündnisse einzugehen – um nicht allein dazustehen. Richtig ist, dass sich die Art der Bündnisse in den vergangenen Jahrzehnten fundamental verändert hat. Kurz: Ray Ban statt Religion. Das Auflösen tradierter Formen sozialer Bindungen hat das Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft nicht reduziert – im Gegenteil. Marken werden immer wichtiger, weil sie die Funktion anderer Gemeinschaftsträger übernehmen. Mit diesem Wissen im Gepäck bleibt die Frage, was Gemeinschaften kennzeichnet: Sie sind hochgradig stabil in ihrem Wesen. Im Strom der sich ständig anpassenden gesellschaftlichen Strukturen charakterisiert Gemeinschaften, das sie sich kaum verändern.

Zu 2.:

Werbung und PR sind keine Sonderformen menschlicher Kommunikation.

Welche Aufgabe haben Werbung und PR einer Marke? Sie sollen dazu führen, dass sich ein Produkt mehr verkauft als ohne Kommunikation. Binsenweisheit? Nein! Wer kennt nicht die fragenden Gesichter in einem Meeting, wenn tatsächlich gefragt wird, ob der Spot mehr verkauft hat? Antwort: «Das ist doch Imagewerbung. Die muss nicht verkaufen … die schafft das gute Gefühl.» Es wird angenommen, dass Produkte leistungstechnisch immer austauschbarer werden, deshalb müsse man ein Produkt «emotionalisieren», um Begehrlichkeit zu schaffen. Die Frage ist allerdings: Emotionalisiert «Emotionalisierung» das Produkt oder die Werbung? Der immer wieder in Briefings vernehmbare Hinweis auf die Emotionalisierung heißt im Klartext: Die kreative Lösung hat nichts mehr mit dem Produkt zu tun. Die Differenzierung findet auf der Werbeebene statt. Das Problem: Dadurch wird der eigentliche «Genetische Code der Marke», d.h. das positive Vorurteil, welches automatisch in den Köpfen der Öffentlichkeit auftauchen sollte, nicht verankert, sondern nur ein austauschbares (und immer schneller wechselndes) Werbesujet. Vertrauen entsteht aber sowohl bei Menschen als auch bei Marken durch «Zusageverlässlichkeit». Ganz simpel: Ich halte das, was ich verspreche. Wenn ich allerdings auf der Leistungsebene nichts mehr verspreche ausser austauschbarer Emotionen (der übliche Kanon aus Freude, Liebe, Begeisterung), dann wird auch nichts verankert. Die Marke ist dann nur noch so stark wie das momentane Werbebudget. Denn merke: Aufmerksamkeit hat rein gar nichts mit Markenkraft zu tun. Vertrauen in eine Marke entsteht immer aus Leistung. In Bezug auf digitale Marken ist spannend zu sehen, dass die erfolgreichsten globalen Internetmarken wie amazon oder Google eine höchst unemotionale Markenpräsenz kennzeichnet … keine Mood-Bilder, keine musikalisch-hymnische Unterlegung. Hier zählt und überzeugt reine (Informations-)Leistung. Merkwürdig.

Zu 3.:

Je wirrer die Welt, desto langweiliger müssen Marken agieren, um erfolgreich zu sein.

Susanne-Haecki Jeder Profi kennt die Zahlen: 3’000 Werbebotschaften pro Tag. 35’000 neue FMCG-Artikel pro Jahr. Ganz ehrlich – wie soll man da noch als Marke durchkommen? Mit Emotionen, weil´s die anderen auch machen? Befragt man die Deutschen welchen Marken sie vertrauen, dann erhält man erstaunliche Ergebnisse: Die ersten drei Plätze nehmen die ganz solide auftretenden Marken Rossmann, dm und Miele ein. Im Jahr 2016! Jeder Kreative bekommt das Grauen, wenn er deren Werberolle betrachtet. Diese Marken setzen auf die ständige Fokussierung ihrer jeweiligen, ganz konkreten Leistungsinhalte und schärfen das positive Vorurteil in einer haltlosen Welt. Diese Marke revolutionieren nicht, sondern sie entwickeln sich «typisch» weiter – «Selbstähnlichkeit» nennt dies die Evolutionsforschung. Das mag dem Betrachter langweilen und dem Profi ein selbstgewisses, mildes Lächeln entlocken, aber Marken sind Ruhepole und ihrem Kern nach anti-kreativ. Anders formuliert: Kreativität heisst nicht das Sprengen, sondern das Ausfüllen von Grenzen. Den Erfindern und Tüftlern allein bleibt das revolutionäre Moment vorbehalten. Indem sie eine Leistung neu interpretieren schaffen sie neue Angebote, überraschende Moment, die Menschen interessieren und anziehen. «Jede neue Leistung ist eine neue Marke», nannte dies Hans Domizlaff, der Grandseigneur der europäischen Markenentwicklung, vor einer halben Ewigkeit. Die bestehende Marke dagegen hat die äusserst schwierige Aufgabe, ihre Leistungen (nicht nur ihren Werbeauftritt!) zeitgemäss zu interpretieren. Wie schwer das ist, zeigt das Tagesgeschäft. Dieses Vorgehen ist vielleicht nicht besonders revolutionär, aber lukrativ. Denn zum Schluss ist die Marke nichts anderes als ein Mittel, um höhere Wertschöpfung zu erzielen.»

Melanie-Tessarolo_André-Briw
Melanie Tessarolo und André Briw

Kommentare

2 Kommentare

André Briw

17. Juli 2018

Lieber Philipp, danke für Deinen erfreulichen Kommentar. Und ja, das Grundprinzip der Selbstähnlichkeit ist zeitlos, auch in Bezug auf den technologischen Fortschritt. Nicht der Mensch hat es erfunden. Selbstähnlichkeit ist ein Erfolgsprinzip aller lebenden Systeme in der Natur, die Entwicklung bzw. Evolution der Lebewesen erfolgt selbstähnlich. Und das gilt auch für das soziale Lebewesen "Marke". Herzlicher Gruss und bis bald, hier im IKM-Blog oder noch besser "live" an der HSLU W, André Briw

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Philipp Hofmann

13. Juli 2018

Super geschrieben lieber André, Selbstähnlichkeit als Prämisse gilt auch in der Industrie 4.0, was mir sehr gefällt. Schön von Dir auf diversen Kanälen zu hören. Liebe Grüsse Philipp

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