12. April 2021

Studentische Beiträge,

Unternehmen

Wohnungsverkauf bei Neubauprojekten im digitalen Zeitalter

Wohnungsverkauf bei Neubauprojekten im digitalen Zeitalter

Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement

Die Transformation der Immobilienvermarktung in die digitale Welt hat bereits stattgefunden. Immobilien werden online gesucht, ganze Stadtteile digital aufgebaut; Wohnungen und Häuser lassen sich virtuell begehen und direkt am Smartphone konfigurieren.

Von Fabian Hammer und Michael Gassmann

In Zeiten der Digitalisierung ist es als Immobilienvermarkter eminent wichtig, dass Nutzerverhalten und die Bedürfnisse der potenziellen Kunden genausten zu kennen. Denn das Verhalten von Menschen, die nach Immobilien suchen, hat sich in den letzten Jahren bereits stark verändert und die Veränderung dauert auch weiter an. Wo früher die Rubrikeninserate in den Zeitungen zur Suche nach einem neuen Zuhause dienten, wird heute fast ausschliesslich über Online-Immobilienplattformen nach passenden Immobilien gesucht. Auch innerhalb der Onlinesuche ist die Veränderung deutlich erkennbar. Im Jahr 2012 beliefen sich die Zugriffe von mobilen Endgeräten auf das Immobilienportal www.homegate.ch auf 20%. Ende 2013 waren es bereits knapp 40% (homegate.ch; 2013). Das rasante Wachstum der Mobilzugriffe geht weiter. Gemäss aktuellsten Zahlen von Homegate und Immoscout liegen diese heute bereits bei rund 75% – Tendenz weiter steigend.

Mobiler Zugriff verändert zunehmend die Strukturen der Projektwebseiten

Das sich ändernde Such- und Nutzungsverhalten hat auch grosse Relevanz bei der Erstellung von Immobilien-Projektwebseiten. Slavica Vrankovic von der Kommunikationsagentur Wunderwerk:

«Die Interessenten erwarten immer mehr Informationen auf den Projektwebseiten, um sich selbst umfangreich über ein Neubauprojekt und dessen Wohnungen zu informieren. Ebenso wollen die Kunden regelrecht in ein Projekt eintauchen, um sich ein konkretes Bild von ihrer neuen Immobilie zu machen. Da die Kunden dies heutzutage überwiegend von unterwegs aus mit Handy und Tablet machen, führt dazu, dass bei der Webseitengestaltung und Programmierung ein regelrechter Spagat zwischen Informationsgehalt, Erlebnis und Mobiltauglichkeit gemacht werden muss. Eine grosse Herausforderung besteht auch darin, innerhalb eines Mediums den verschiedenen Zielgruppen gerecht zu werden: So unterscheiden sich die Usability-Anforderungen von Digitale Natives von den Anforderungen der Silver Surfers.»

Um genau diesen Spagat zu schaffen, kommen neue digitale Produkte auf den Markt, die Immobilien online erlebbar machen. Ein sehr neues und innovatives Produkt ist der «Wohnungsnavigator» der Firma B-VR Switzerland AG welche auf der Vermarktungswebseite der über 150  Mietwohnungen im BäreTower in Ostermundigen zum Einsatz kommt.

Abbildung 1 Printscreen des Wohnungsnavigators des Neubauprojektes BäreTower in Bern (ZVG B-VR Switzerland AG, Bern)

Der Wohnungsnavigator bietet eine attraktive Rundum-Ansicht eines Immobilienprojektes und lässt mittels eigens eingegebenen Kriterien die Wohnungsauswahl eingrenzen. Das Tool versteht sich als digitaler Zwilling des noch in der Planung oder im Bau stehenden Immobilienprojektes und bietet eine Vielzahl an Wohnungsinformationen. Nebst Grundrissplänen und Echtaussichten von jeder Wohnung, kann auch der Sonnenverlauf simuliert und die Wohnungen können virtuell besichtigt werden. Im späteren Betrieb der Immobilie kann das Tool als DMS (Datenmanagementsystem) verwendet werden, auf welchem Mieter Einsicht in die technischen Beschriebe der Wohnung haben (BäreTower).

Auswahl des Ausbaus in der neuen Wohnung wird digital

Beim klassischen Kauf einer Neubauwohnung kann der Kunde den Ausbau der Wohnung in der Regel noch massgeblich selbst bestimmen. Die Auswahl der Materialien ist jedoch sehr zeitaufwendig, da Showrooms von diversen Materiallieferanten besucht werden müssen. Die konventionelle Käuferbetreuung hat zudem den Nachteil, dass für die Entscheide der Materialien meist nur kleine Muster zur Verfügung stehen und somit das Zusammenspiel der Materialien nicht in der Wohnung angeschaut werden kann. Genau für diese Herausforderung wurde der Wohnungskonfigurator erschaffen. Der Online-Konfigurator des Projektes RhyfallTower in Neuhausen am Rheinfall wurde inspiriert durch die Autobranche und bietet den Wohnungskäufern einen sehr transparenten Prozess bei der Auswahl der Materialien und unterstützt die Entscheidungsfindung. Der Kunde hat die ganze Wohnung im Blick und sieht somit, wie die gewählten Materialien miteinander harmonieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass allfällige Mehrkosten sehr transparent aufgezeigt werden und die gewählte Konfiguration direkt ins BIM-Modell der ausführenden Bauunternehmung eingespeist werden kann (issuu, 2020; ZugEstates, 2018) . Ein erlebbares Beispiel finden Sie hier.

Abbildung 2 Printscreen des Wohnungskonfigurators des Neubauprojektes RhyfallTower in Neuhausen (Konfigurator made by Raumgleiter, ZVG Raumgleiter  AG, Zürich)

Gemäss Herrn Roberto Carusone vom Immobilienentwickler Halter AG, lohnt sich das Investment in den komplexen und kostspieligen Aufbau eines Wohnungskonfigurators:

«Unsere Kunden schätzen den Konfigurator sehr. Er hilft ihnen bei der Auswahl der Materialien aufgrund der Erlebbarkeit der zukünftigen Wohnung und erspart ihnen viel Zeit. Zudem senkt der Einsatz eines Konfigurators nicht zuletzt auch die Erstellungskosten, was im Endeffekt für den Käufer attraktivere Kaufpreise bedeutet. Es gibt jedoch auch gewisse Einschränkungen für den Kunden. Es ist leider nicht möglich, jedem Kunden die ausgefallensten Wünsche in Bezug auf die Materialwahl und Grundrisse zu erfüllen.»

Realistische Erlebbarkeit bringt Risiken mit sich.

Der Bau hat noch nicht einmal begonnen und trotzdem lassen sich die Wohnungen eines Neubauprojektes mittels fotorealistischer Renderings und virtueller Touren bereits erleben. Für Interessenten ist dies klar ein Vorteil bei der Suche nach der passenden Immobilie. Dabei gerät jedoch in Vergessenheit, dass die schönen Hochglanzbilder eben nur ein künftiges Projekt abbilden und nicht die effektiv fertiggestellten Wohnungen. Genau hier ist gemäss dem Rechtsanwalt Rolf Röthlisberger Vorsicht geboten:

«Die foto-realistischen Darstellungen können für den Bauherrn auch gewisse Verbindlichkeiten mit sich bringen. Darum ist bei der Erstellung der Bilder vorausschauende Sorgfalt geboten, um die zukünftige Wohnung möglichst wahrheits- und wirklichkeitsgetreu abzubilden. Der Kunde schaut bei der virtuellen Darstellung in der Regel genau, wie die Wohnungen ausgestattet sind: z. B. wie breit die Parkettriemen sind, welche Ausrichtung und welchen Farbton diese haben; wie die Steckdosen angeordnet und in welcher Anzahl sie wo vorhanden sind; welche Geräte wo zu sehen sind sowie welche Ausrichtung und Dimensionen die Fenster haben. Auch bei der grössten Sorgfalt bei der Erstellung der virtuellen Darstellungen wird sich in der Planungs- und Bauphase noch Diverses verändern. Daher müssen die Kaufverträge auch auf das heutige virtuelle Zeitalter mit ihren Möglichkeiten von realistischen Darstellungen angepasst werden, um die Kunden explizit über den blossen Beispielcharakter der virtuellen Darstellungen aufzuklären und den Bauherrn vor möglichen (berechtigten) Forderungen der Käuferinnen und Käufer zu schützen.»

Fazit

Aufgrund der hohen Bautätigkeit in der Schweiz und die noch vielen Grossprojekte, die in der Bewilligungs- und Planungsphase sind, dürfte der Leerstand im Wohnungsmarkt in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Bei dieser Entwicklung wird es für den Immobilieninvestor oder Bauherrn immer wichtiger, eine kompetente und innovative Vermarktungsfirma an der Seite zu haben, welche die Immobilie besser und schneller vermarktet als die anderen Vermarkter. Der Konkurrenzkampf um neue Mieter wird deutlich zunehmen und damit auch die Bedeutung von attraktiven Projektwebseiten, cleveren Werbestrategien, Renderings, VR-Touren, Wohnungsnavigatoren und Konfiguratoren um sich am Markt durchzusetzen.

Dieser Beitrag ist während eines Projektes der Studierenden des MAS Immobilienmanagement entstanden.

Wollen auch Sie nächstes Jahr dabei sein? 

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Entdecken Sie die Welt des Immobilienmanagements und erfahren Sie alles Wissenswerte rund um den MAS Immobilienmanagement und andere Angebote zum Thema Immobilien. Gerne beantworten Ihnen Prof. Dr. Markus Schmidiger und Prof. Dr. John Davidsonvom IFZ Ihre Fragen.

Quellenverzeichnis

Schönenberger, C. (2014, 21. November). Relaunch von mobile.homegate.ch. homegate.ch | Pressecenter. https://presse.homegate.ch/de/2013/12/11/relaunch-von-mobile-homegate-ch/

Facebook – Business. (o. D.). Facebook. Abgerufen am 3. Dezember 2020, von https://www.facebook.com/unsupportedbrowser

Zeiger, N. (2016, 16. Oktober). Uni Kassel, Masterthesis. Uni Kassel. https://www.uni-kassel.de/fb07/fileadmin/datas/fb07/5-Institute/IBWL/Wagner/Abschlussarbeiten/Expos%C3%A9/2016/Expos%C3%A9_zur__Masterarbeit_Nicola_Zeiger_16.10.2016.pdf

Navigator. (2020b, Oktober 29). B-VR Switzerland GmbH. https://b-vr.ch/navigator/

Smart Media Agency AG & smart_media. (o. D.). Fokus Zukuftstechnologien: Die Treiber unserer Wirtschaft. Issuu. Abgerufen am 3. Dezember 2020, von https://issuu.com/smart_media/docs/tagi_zukunft Hodel, P. (2018, 10. April). Das digitale Bauen verändert die Immobilien­branche. Zug Estates. https://www.zugestates.ch/en/nc/themenportal/detailansicht/das-digitale-bauen-veraendert-die-immobilienbranche.html

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.