20. März 2023

Studentische Beiträge

So werden Plusenergiehäuser noch nachhaltiger gebaut

<strong>So werden Plusenergiehäuser noch nachhaltiger gebaut</strong>
Quelle: https://hanf-kompass.com/category/hanf-als-baustoff/

Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement

Angesichts steigender Energiekosten und der momentanen Energieknappheit lohnt sich bei der Planung eines Hauses der Blick auf ein Plusenergiehaus, auch bekannt unter Aktivhaus, mehr denn je. Diese Häuser produzieren dank guter Wärmedämmung und Photovoltaikanlage auf dem Dach und/oder Hausfassade mehr Strom als die Bewohner selbst verbrauchen. Und mit nachhaltigen Rohstoffen wie Holz, Hanf, Kalk, Lehm und CO2–neutralem Beton kann der ökologische Rucksack eines Gebäudes bedeutend reduziert werden.

Ein Artikel von Evelyne Steinger und Florian Spichtig

Mit Minergie-ECO nachhaltig bauen

Hohe Qualität beim nachhaltigen Bauen hat aus wirtschaftlicher Sicht oberstes Gebot. Jedoch ist ein Gebäude mit geringem Energieverbrauch nicht zwangsläufig nachhaltig. Gemäss BAFU (Bundesamt für Umwelt) werden in der Schweiz jährlich 62 Millionen Tonnen Material verbaut (BAFU, 2020). Daher sollten Architekten und Bauherren von Anfang an energieeffizient planen. Minergie als Beispiel ist ein Qualitätslabel der ersten Generation, das sich auf Energieverbrauch, Effizienz und Wohnkomfort fokussiert. Ein Minergie-Neubau, klassischerweise mit guter Wärmedämmung und einer Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung, verbraucht pro beheizten Quadratmeter und Jahr nicht mehr als 38 kWh Energie, bei modernisierten Altbauten nach Minergiestandard liegt der Grenzwert bei 60 kWh. Ein konventionell erstelltes Gebäude benötigt bedeutend mehr Energie – nämlich rund 48 kWh pro beheizten Quadratmeter und Jahr und bei grösseren Umbauten gar bis zu 90 kWh (Beobachter, 2011).

Noch ökologischer ist die ECO-Variante des Minergie-Labels, bei welcher neben Effizienz auch eine gesunde Bauweise wichtig ist. Hier kommt zum Beispiel lokaler Recyclingbeton zum Einsatz, zudem werden nur schadstofffreie Materialien verbaut. Der Umweltbelastung, insbesondere der grauen Energie, wird bei Minergie-ECO eine zentrale Bedeutung beigemessen (Minergie, 2022). Die graue Energie bezeichnet die gesamte Menge an nicht erneuerbarer Primärenergie (PEne) in Baustoffen, Bauteilen und Gebäuden, die für alle vorgelagerten Prozesse erforderlich ist. Der Verbrauchswert von Neu- und Umbauten mit dem Minergie-ECO-Label liegt bei 30 kWh pro beheizten Quadratmeter und Jahr. Doch es geht noch besser.

Mit Plusenergiehaus mehr Energie erzeugen als benötigt wird

Ein Plusenergiehaus ist auf den ersten Blick oft nicht zu erkennen, für diese Hausvariante gibt es keine verbindlichen Standards. Denn egal ob Neu- oder Altbau, mit den entsprechenden baulichen Massnahmen kann praktisch aus jedem Gebäude ein Plusenergiehaus entstehen. Mithilfe hochwertiger Wärmenutzung, Wärmedämmung und -rückgewinnung wird erreicht, dass dieser Haustyp auf ein konventionelles Heizsystem verzichten kann. Und dank der Photovoltaikanlage auf dem Dach, idealerweise ergänzt durch Solar- und Geothermie, werden die Bewohner zu ihrem eigenen Stromlieferanten und damit unabhängiger von steigenden Energiepreisen. Der tagsüber produzierte, ökologisch saubere Solarstrom wird in einer Stromspeicher-Batterie gespeichert und steht somit an verbrauchsstärkeren Zeiten zur Verfügung. Die Zukunft des nachhaltigen Bauens liegt also darin, ein Plusenergiehaus mit nachhaltigen Baustoffen zu ergänzen.

Abbildung 1: Beispiel eines Plusenergiehauses (Plusenergiehaus – das Haus als Stromlieferant (schwoererhaus.com))

Konventionelle Bauweise erzeugt viel Abfall, anders ist dies mit Hanf

Die klassische Gebäudehülle besteht aus einer drei- bis vierschichtigen Kompaktfassade: Klebemörtel, Wärmedämmung, Einbettmörtel mit Kunststoffnetz und dem Deckputz, welche untrennbar miteinander verbunden sind. Beim Rückbau können die Materialien nicht sortenrein getrennt werden und landen in der Regel auf der Deponie. Das ist mit Hanf anders. Bei dieser Bauart besteht der Wandaufbau aus Baustein, Mörtel und Putz immer nur aus drei Materialien: Hanf, Kalk und Wasser. Hierfür werden Hanfschäben mit Naturkalk und Mineralien in einem Kaltluftverfahren zu einem Baustein gepresst, diese Verbindung lässt das Material hart wie Fels werden. Der Zyklus bindet mehr CO2 als es abgibt und entlastet damit aktiv die Umwelt. Aufgrund der hervorragenden thermischen Eigenschaften der Hanfbausteine ist eine zusätzliche Dämmung gar überflüssig. In puncto Luftreinigung und Feuchtigkeitsregulation hat die Hanf-Kalk-Mischung ähnliche Eigenschaften wie Lehm und sorgt dadurch für ein gesundes Wohnklima und reine Raumluft. Und beim Rückbau können die Hanfbausteine sogar vollständig als Baumaterial wiederverwendet oder in gebrochenem Zustand als Naturdünger eingesetzt werden. Es entsteht also kein Abfall (Hanf-Kompass, 2020).

Abbildung 2: Innendämmung mit Hanfbausteinen (Ein Einfamilienhaus aus einem Hektar Hanf (circularhub.ch)

Mit Hanf und Lehm bereits heute die Pariser Klimaziele 2050 erreichen

Der Altstätter Andy Keel hat sich bei seinem geplanten Plusenergiehaus – welches laut seinen Angaben bereits heute die Pariser Klimaziele 2050 erreicht – für einen Holzelementbau mit Hanfbetondämmung und nicht tragenden Hanfbaustein-Innenwänden entschieden. Der nachhaltige Baustoff Holz bietet gute Eigenschaften, weil er Feuchtigkeit reguliert, wiederverwertbar und schadstoffarm zu entsorgen ist.

Für das Widnauer Mehrfamilienhaus, sagt Andy Keel, werde ein Drittel der inländischen Hanfernte benötigt, CO2-neutraler Beton für den massiven Treppenhauskern verwendet und in den Decken mehrere hundert Kubikmeter Lehm verarbeitet. Ein Kilo der dem Beton beigemischten Pflanzenkohle (Biochar) bindet drei Kilo CO2. Laut Andy Keel sei für den Bau von Plusenergiehäusern alles vorhanden. Das Spannende sei, alles richtig zusammen- und einzusetzen. Das gehe vom Chip hinter jeder einzelnen Steckdose bis zur selbst zu programmierenden Steuerungs-App für das Haus sowie einer Hausbewohner-App. So seien z.B. die Fenster mit automatisch gesteuerten Lüftungsklappen ausgestattet und die Holzfassade werde durch eine hinterlüftete Holzlattung mit Witterungsschutz gebildet (Tagblatt, 2022).

CO2-neutrale und beinahe autarke Wohnüberbauung

Das CO2-neutrale Wohnquartier „Am Aawasser“ in Buochs erreicht mit einem zukunftsorientierten und nachhaltigen Energiekonzept bereits heute einen Autarkiegrad von 90 % (Am Aawasser, 2022). Der Autarkiegrad beschreibt die Menge des Eigenverbrauchanteils im Verhältnis zum Gesamtstromverbrauch. Ermöglicht wird dies durch die eigene Energiegewinnung über ein Wasserkraftwerk und diversen Photovoltaikanlagen sowie einer effizienten und umweltverträglichen Batteriespeicherung des überschüssigen Stroms.

Beim ganzheitlich ausgelegten Energiekonzept sind auch Effizienzmassnahmen wie eine optimale Wärmedämmung, Steuersysteme zur Energierückgewinnung, nachhaltige Haushaltsgeräte sowie das hauseigene E-Carsharing auf der Verbraucherseite entscheidend. Mit einem innovativen Energiebudget, das im Mietpreis enthalten ist, werden die Bewohner für einen bewussten Konsum sensibilisiert.

Abbildung 3: Schnecke Wasserkraftwerk „Am Aawasser“ (Energiekonzept – Am Aawasser (am-aawasser.ch))

Nachhaltiges Bauen rechnet sich

Die Baukosten für ein nachhaltiges Gebäude sind heute aufgrund der hohen ökologischen und sozialen Standards noch vergleichsweise hoch. Vergleicht man jedoch die Lebenszykluskosten (LZK) von konventionellen und nachhaltigen Gebäuden über die Planungs- und Bauphase sowie die Nutzung bis hin zu Instandhaltung, Rückbau und Recycling, besticht die nachhaltige Bauweise auch in ökonomischer Hinsicht. So wird zum Beispiel die Raumaufteilung in nachhaltigen Gebäuden heute so geplant, dass spätere Umbauten oder Nachnutzungen erleichtert und damit auch finanziell günstiger werden.

In der Schweiz ist der Leitfaden LCC (Life-Cycle-Costing bzw. Lebenszykluskostenrechnung) das gängigste Instrument bei der Planung der Lebenszykluskosten. Diese basiert auf der Baukostenplanung und Phasenstruktur der Norm SIA 112, Modell Bauplanung 2014, von der Strategie bis zur Bauwerkserhaltung. Publiziert wird dieser Standard von der Zentralstelle für Baurationalisierung (CRB) und richtet sich vor allem an Anwender mit einem nachhaltigen wirtschaftlichen Interesse (ETH, 2019).

Da der Aufwand für eine umfassende LCC-Bewertung bisher sehr gross ist, zeigt das Bundesamt für Energie im Schlussbericht „Lebenszykluskosten – eine effiziente und breite Anwendung“ vom 31. Oktober 2020 auf, wie man mit einem effizienten und einfachen 3-Stufen-Modell zu einer nachhaltigen Entwicklung des Gebäudeparks der Schweiz beitragen kann (CSD Ingenieure AG, 2020).

Abbildung 4: Vorteile moderner Nullenergieprojekte (baunetzwissen)

Die Folgekosten für Energie, Heizung, Kühlung, Strom und Warmwasser entfallen bei energetisch optimierten Bauten komplett. Dadurch reduzieren sich die Lebenszykluskosten bei modernen Plusenergieprojekten um rund 38 % gegenüber Objekten nach konventioneller Bauweise (BaustoffWissen, 2014).

Fazit: Nachhaltig gebaute Plusenergiehäuser sind „state of the art“

Immobilien, welche mit nachhaltigen Rohstoffen als Plusenergiehäuser realisiert werden, bestechen in ökologischer und ökonomischer Hinsicht. Diese Objekte tragen durch ihre Bauweise wesentlich zur Erreichung der Pariser Klimaziele bei. Und aufgrund der bedeutend tieferen sowie berechenbaren Betriebskosten sind diese Häuser für Anleger und Nutzer gleichermassen interessant.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.