30. Mai 2023

Studentische Beiträge,

Unternehmen

Standortanalyse im digitalen Zeitalter – Trends und Zukunftsaussichten

Standortanalyse im digitalen Zeitalter – Trends und Zukunftsaussichten
Quelle: Freepik, 2022

Studentischer Beitrag aus dem MAS Immobilienmanagement

Die Standortanalyse ist für Unternehmen bei der Wahl des idealen Standorts ein wichtiges Instrument. In der Immobilienbranche gilt die Standortanalyse als essentielles Kriterium in der Entscheidungsfindung und ist ein wesentlicher Parameter in der Kosten-Nutzen-Rechnung. Nutzer und Anbieter identifizieren Limitationen und äussern Kritik und Wünsche zu den einzelnen Tools. Zukünftige Trends und Herausforderungen der Standortanalyse im digitalen Zeitalter werden im Rahmen von Experteninterviews aufgezeigt.

Ein Artikel von Kevin Bruderer und Lorenz Hammer

Bedeutung und Aspekte der Standortanalyse

Demografie, Standortökonomie, Wettbewerb und Verkehr (Erschliessung) sind wichtige Bereiche, die in der Standortanalyse abgedeckt und analysiert werden. Die Standortanalyse hilft Unternehmen den idealen Standort zu finden, indem sie demografische und psychografische Daten, Markenaffinitäten, Handelsgebiete, Verkehrswege und andere wichtige Faktoren analysiert. Dabei hat sich die Standortanalyse in der Immobilienbranche zu einem entscheidenden Faktor entwickelt, um erfolgsrelevante Entscheidungen zu treffen und um Verluste zu vermeiden. Der Standort einer Immobilie ist unveränderbar und hat den grössten Einfluss auf ihren Wert

Die Standortanalyse setzt sich aus folgenden Elementen zusammen: allgemeine Marktlage, Makrolage, Mikrolage sowie das Objekt.

Die Digitalisierung erfordert eine Zerlegung der Standortqualität in standardisierte Einzelindikatoren im Mikro-Rating-Bereich. Diese Einzelindikatoren beinhalten Besonnung, Aussicht, Image des Quartiers, Dienstleistungsqualität, Freizeit, öffentlicher Verkehr, Fussgängerfrequenzen, Strassenanbindung sowie Lärmbelastung. Dabei kann den genannten Indikatoren ein Wert zugemessen werden, der digital erfasst wird und die Summe der Einzelindikatoren zu einer Gesamtbewertung zusammenfügt.

Abbildung 1: Standortanalyse Puzzle Hasenmaile

Die grössten Anbieter in der Schweiz

Über die Jahre haben mehrere digitale Dienstleister eigene Programme aufgebaut, um den Nutzern die Daten gesammelt anbieten zu können. Im Bereich der Standortanalyse prägen folgende drei Anbieter die digitale Landschaft:

  1. Wüst Partner AG mit dem Tool „Wüest Dimensions“
  2. Fahrländer Partner AG mit dem Tool „IMBAS“
  3. IAZI AG – CIFI SA mit dem Tool „IAZI MapsPro“

Ansprüche und Meinungen aus Sicht der Nutzer

Zwei Nutzer der oben genannten Tools wurden zu den digitalen Einsatzmöglichkeiten befragt. Diese nutzen die Tools in folgenden Anwendungsbereichen: Transaktionen (Akquisition und Verkauf von Renditeobjekten) und Development (Entwicklung, Bau).

  • Luca Calzavara (Project Manager Development, Swiss Finance & Property Group)

Bei der Akquisition von Entwicklungsprojekten dienen die Standortinformationen von WP (Wüest Partner AG) primär dazu, sich einen ersten Eindruck von den vor Ort zu Grunde liegenden Marktverhältnissen zu verschaffen. Im Wesentlichen werden die Preisspektren für die verschiedenen Nutzungen (Miete / Stockwerkeigentum) sowie die Baulandpreise herangezogen. Die Preisspektren dienen dazu, einen Anhaltspunkt zu erhalten, wo sich die zu erzielenden Preise bzw. die zu zahlenden Landpreise befinden und ab welchem Quantil eine Entwicklung wirtschaftlich ist bzw. welches Quantil unter Berücksichtigung der absoluten Stückpreise verlangt werden kann. Die digital ermittelten Preisspektren sind Grundlage für Kauf- und Investitionsanträge zu Händen der Entscheidungsgremien. Sie machen die verschiedenen Annahmen, die für die Kalkulationen getroffen wurden, sichtbar.

Digitale Auswertungen liefern eine Grundlage. Nicht digitalisierbare Erfahrungswerte spielen eine grosse Rolle bei Akquisitionsobjekten in einem Gebiet, in welchem bereits Akquisitionen bzw. Entwicklungen durchgeführt wurden. Hier sind Erfahrungswerte der jeweiligen Projektleiter massgeblich. So ist es in den Städten Zürich oder Basel abschätzbar, in welchen Quartieren, welche Preise für welche Nutzung erzielt werden können. Ergänzend zu Vorgenanntem sind Informationsquellen wie z.B. Immobilieninserate und Publikationen von Gemeinden (Baugesuche) wichtig. Diese helfen ein ganzheitliches Bild des Marktes zu erlangen.

Aus Entwicklersicht ist ein Tool wünschenswert, welches in Ergänzung zum Geografischen Informationssystem (GIS) / Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB) automatisch die maximale Ausnützung einer Parzelle auf Basis des vor Ort zu Grunde liegenden Baurechts berechnet. Dies, unter Berücksichtigung essentieller Faktoren, wie vorgesehene Nutzung (Miete / STWE), Gebäudetypologie, Ausrichtung, Erschliessung, Lärmemissionen und Sonneneinstrahlung. Eine erweiterte Potentialanalyse (u. A. Grundrissschema) sollte resultieren.

  • Bernhard Nagl (Head Transactions, Swiss Finance & Property Group)

Insbesondere das Instrument «Wüest Dimension» von Wüest Partner, das u.A. Funktionen wie Geoinfo integriert hat, vereinfacht die Arbeit und geniesst einen hohen Stellenwert. Es ist wichtig, die Zahlen richtig zu interpretieren und auf den konkreten Fall anzuwenden. Dabei gilt es die durchschnittlichen, sowie die aggregierten Werte auf Objektebene zu betrachten. Eine weitere «Challenge» ist die zeitliche Verzögerung (zum Teil bis zu 3 Monaten). Deshalb gilt es sog. «Quer-Checks» und Konkurrenzanalysen durchzuführen. Allerdings zeigen die Tools nicht alle Neubau-, Konkurrenz- und Referenzprojekte an.

Spannend wäre es, eigene Objekte (fiktiv) in dem Tool erfassen zu können, bzw. das zu analysierende Projekt mit allen Attributen in die Marktgegebenheiten (Bestand) integrieren zu können. Die Positionierung des eigenen Zahlensets im Gesamtzahlenset würde zu extremen Zeitersparnissen führen. Aktuell geht durch die manuelle Erstellung im Nachgang viel Zeit verloren.

Zukunftschancen: Beide Experten verweisen auf die Funktionalitäten des «Potential Seekers» von Wüest Partner. Besonders in der Praxis könnte dieses Tool zu Erleichterungen führen.

Trends und Herausforderungen aus Sicht der Anbieter

Im Folgenden werden die möglichen Veränderungen und Herausforderungen der Standortanalyse aufgezeigt. Dazu wurden ausgewählte Expertinnen und Experten der drei marktführenden Anbieter befragt.

  • Jacqueline Schweizer (Partnerin bei Wüst Partner AG)
  • Manuel Lehner (Partner bei Fahrländer Partner AG)
  • Simon Hurst (Senior Consultant Bei IAZI AG – CIFI SA)

Zusammenfassend bestätigen die Experteninterviews, dass der Faktor «Standort» weiterhin entscheidend ist und in die Digitalisierung und Auswertung einiges investiert wird.  Die Trends für digitale Standortanalysen sehen wie folgt aus: Die Standortanalyse wird zusehends komplexer. Verantwortlich dafür ist der zunehmende Umfang von verfügbaren Standortdaten. Das erhöht die Komplexität der Analyse und die Notwendigkeit für Innovationen. Digitale Standortanalysen werden künftig neben den Grundlagen ein ganzes Spektrum von Daten abbilden können: Darunter fallen baurechtliche Themen, erwartete Transaktionspreise und Marktmieten, wirtschaftliche und demografische Basisfaktoren, Nachhaltigkeitskriterien (ESG-Ratings und Indikatoren), geplante Bauprojekte, Passanten-ströme, Simulation von Lichteinfall und Aussicht, Gefahrenkarten und Umwelteinflüsse. Energie und Nachhaltigkeit sowie die aktive Vermarktung von Standorten gewinnen an Bedeutung. Einschätzungen zu Transaktionspreisen, Marktmieten und Marktentwicklungen sowie Nachhaltigkeitskriterien sind zunehmend gefragt.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz dürfte die Anwendung von «Machine Learning» eine grosse Rolle spielen. Die künstliche Intelligenz kommt bei der Entwicklung von Schätzmodellen sowie bei der automatischen Bildanalyse zur Anwendung. Weitere Anwendungsbeispiele sind statische Preismodelle mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erstellung und Wartung effizienter Data Pipelines: Verknüpfungen und Schnittstellen mit anderen Applikationen müssen hergestellt werden, um die Aktualität der Daten zu gewährleisten: Es gilt die Transparenz und Klarheit bei gleichzeitiger Reduktion der Komplexität aufrechtzuerhalten. Eine Fokussierung auf Daten- und Modellqualitäten und die Konkurrenz im PropTech Bereich sind wichtig.

Die folgenden zwei Entwicklungen stellen Herausforderungen dar: Das Umwandeln von Big Data zu Smart Data und das «Herstellen» eines ökonomischen Zusammenhangs zwischen den Daten. Der Umwandlungsprozess von Big Data zu Smart Data ist im untenstehenden Diagramm dargestellt. Es zeigt sich dabei die Komplexität die zu verarbeitenden Parameter zu vereinfachen, zu verständlichen und zu benutzbaren Aussagen zu machen.

Abbildung 2: Interpretation von Big Data zu Smart Data von Manuel Lehner

Durch die Visualisierung der Daten sowie den Abgleich mit anderen Datenbeständen können die Datenqualität auf dem aktuellen Stand gehalten und zeitnah plausible und qualitativ hochwertige Aussagen getroffen werden. Fehlermeldungen und Nutzerrückmeldungen vor Ort sind wichtige Faktoren, welche es miteinzubinden gilt.

Der Automation und Normierung von Qualitätssicherungen kommen dabei eine wichtige Rolle zu. Konkret, damit kann die Datenqualität überprüft und gewährleistet werden.

Generell findet ein informeller Dialog unter den Anbietern statt. Dabei wird die Konkurrenzsituation berücksichtigt. Alle drei Experteninterviews bestätigen, dass der Austausch mit dem akademischen Umfeld eine wichtige Rolle spielt. Hierbei steht die Anwendung des erarbeiteten Wissens im Zentrum. Wichtig ist auch der Dialog mit den Kunden und Nutzern um die angebotenen Produkte stetig zu evaluieren und zu verbessern und die Angebotspalette zu erweitern.

Bei Joint-Ventures kann der Austausch mit dem akademischen Umfeld besonders wertvoll sein. So können neue methodische Ansätze entwickelt werden. Erkenntnisse auf beiden Seiten resultieren.

Ergebnisse und Zukunftsaussichten

Die Auffassung einer gegenüber der Integration digitaler Prozesse resistenten Immobilienwirtschaft ist weit verbreitet. Dennoch lässt sich in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Angebot digitaler Lösungen beobachten. Dies, im Rahmen der Finanzierung, Vermittlung und Areal- und Standortentwicklung der Immobilien. Dies bestätigen auch Marti und Lehner von Fahrländer Partner, die explizit auf Pooling (datengestütztes Scouting) und Algorithmen in der Areal- und Standortentwicklung verweisen. Letzteres hilft vor allem im Rahmen der Prüfung der Baurechtskonformität, sodass manuelle Abklärungsprozesse verzichtbar werden. Entwicklungsmöglichkeiten werden im Rahmen von generativem Design in kürzester Zeit auf Umsetzbarkeit geprüft.

Unternehmen können durch den Einsatz effizienter Tools erfolgreicher werden, da sie mehr Zeit für ihre eigentliche Expertise haben. Die Suche nach Potenzialen auf dem Schweizer Immobilienmarkt wird immer herausfordernder. Dies macht neue Wege und Herangehensweisen notwendig. Beispielsweise mit dem Tool «Potential Seeker» von Wüest Partner gibt es eine digitale Lösung, die auf Datenbestände und Expertenwissen zurückgreift, um Nutzungspotenziale zu ermitteln. Durch die Integration in «Wüest Dimensions», einer führenden digitalen Lösung für Real Estate Management, können Mehrwert und ein Wettbewerbsvorsprung generiert werden, beschrieben von Schweizer von Wüest Partner. Digitale Lösungen durchdringen punktuell die Areal- und Standortentwicklung. Dies wird zu einem Wettbewerbsvorteil, wenn die Digitalisierungsstrategie die gesamte Wertschöpfungskette abbildet und digitale Lösungen für Teilaufgaben eingesetzt werden. Feststeht, dass bereits heute digitale Lösungen vorhanden sind, die einen Mehrwert für Unternehmen in der Immobilienbranche darstellen. Für die Prozess- und Produktqualität ist die Integration von digitalen Produkten mit offenem System und kompatiblen Schnittstellen in dem Gesamtentwicklungsprozess essentiell.

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