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Entspannt ans Ziel – dank besserer Zeitplanung

Entspannt ans Ziel – dank besserer Zeitplanung
Software-Projekte sind häufig im Verzug. Einfache Kniffe helfen, die Projektdauer besser einzuschätzen und entspannter zu realisieren (Bildquelle: Storyset on Freepik).

IT-Projekte brauchen eine gute Zeitplanung. Wenn wir versuchen, einen Zeitaufwand zu schätzen, führt uns die menschliche Psyche aber oft an der Nase herum. Fünf Tipps, wie du das korrigierst und deine Zeit besser einschätzt.

Von Susanne Müller, Teilnehmerin des CAS Requirements Engineering  

Software-Projekte überziehen ihren Zeitplan im Durchschnitt um gut einen Drittel. Das geschieht selbst dann, wenn die Verantwortlichen bereits geplante Features weglassen und zusätzliche finanzielle Mittel ins Projekt pumpen.

Verspätungen im Projekt haben viele Ursachen: Bugs, Personalausfälle, unklare Ziele und so weiter. Am wichtigsten sind aber psychologische Gründe. Die meisten von uns rollen die Zeitschätzung «von innen» auf: Wir betrachten die einzelnen Teile des Problems, und versuchen so, den Gesamtzeitaufwand herauszufinden.

Zu optimistische Schätzungen sind ein wichtiges Thema im Projektmanagement. Die Autorin identifiziert das Hauptproblem: nämlich psychologische Gründe

Programmleiter Martin Jud zu diesem Blogbeitrag aus dem CAS Requirements Engineering.

«Planungsfehlschluss» überwinden 

Dieses Vorgehen verleitet zu optimistischen Schätzungen. Wir nehmen keine Rücksicht darauf, wie lange ähnliche frühere Aufgaben gedauert haben. Auch nehmen wir an, dass es keine Verzögerungen geben wird – obwohl wir es besser wissen müssten. Neuropsychologinnen und -psychologen nennen das einen Planungsfehlschluss (planning fallacy).

Planungsirrtum: Wir lernen, dass wir nichts lernen. Obwohl es in früheren Projekten immer wieder Unvorhergesehenes gab, nehmen wir an, dass im nächsten Projekt alles läuft wie geplant. (Darstellung: S. Müller, Elemente via noun-project: Fahrrad – Jeevan Kumar, Big Foot – Mat Rutherford, Berg – H. Alberto Gongora.)

So lassen sich Fehleinschätzungen abwenden

Effizienter wäre es, ein Projekt «von aussen» einzuschätzen: Betrachte es also als nur eine Arbeit unter vielen. Dabei stützt du dich auf die Zeitverteilung ähnlicher früherer Projekte, um den Zeitrahmen des aktuellen Vorhabens abzuschätzen.

Allerdings hat man in der Praxis kaum Daten von 100+ Projekten, wie sie für diese sogenannte Referenzklassen-Prognose (reference class forecasting) nötig wären. Zum Glück kann man die Planung aber auch mit einfachen Kniffen in die richtige Richtung lenken.

Referenzklassen-Prognose: Wir schauen, wie lange ähnliche Vorhaben gedauert haben. Anschliessend berechnen wir mit statistischen Methoden, wie lange unser Projekt wahrscheinlich dauern wird (Darstellung: S. Müller).

Mit diesen fünf Tipps den Zeitaufwand besser einschätzen 

  1. Lass jemand anderen deinen Arbeitsaufwand schätzen: Der Planungsirrtum betrifft nur unsere eigenen Aufgaben. Projekte von anderen sehen wir hingegen in einem pessimistischeren Licht. Wir werden eher auf mögliche Hindernisse aufmerksam.
  2. Lass das Worst-Case-Szenario in die Schätzung einfliessen: Schätze die denkbar schlechteste (P), die wahrscheinlichste (W) und die bestmögliche Projektdauer (O). Verwende den gewichteten Durchschnitt (= (P + 4 x W + O) / 6) daraus. Das führt zu realistischeren Werten. Diese sogenannte «3-point-Estimation» regt zudem dazu an, frühzeitig über mögliche Risiken nachzudenken.
Bei der sogenannten «3-point Estimation» fliessen der Best und der Worst Case in die Berechnung ein (Darstellung: S. Müller).
  1. Erfasse deine Projektarbeitszeit Zeitmess-Tools wie Toggl unterstützen dich dabei. Es ist wichtig, auch unproduktive Zeit mitzumessen: Dazu gehören beispielsweise Unterbrechungen oder Momente, in denen du Projektzeit kurzfristig für etwas anderes aufwendest. So baust du dir schrittweise deine eigene Datenbank auf, mit der du deine Schätzungen überprüfen kannst. Schätzt du den Aufwand regelmässig zu hoch oder zu tief ein, so kannst du deine Werte mit deinem persönlichen Fudge-Faktor multiplizieren.
  2. Mach eine Monte-Carlo-Simulation: Das EvidenceBased Scheduling stützt sich auf diese Methode. Das Grundprinzip ist einfach: Für jede Projektaufgabe ziehst du zufällig einen Wert aus den Zeiten vergangener Projekte. Für ein Projekt mit 45 Aufgaben ziehst du also 45 Zufallswerte und berechnest die Gesamtzeit. Wiederholst du das 100 Mal, kannst du aus der entstehenden Zeitverteilung ableiten, wie lange das Projekt wahrscheinlich dauern wird.
  3. Plane mit natürlichen Zeitabschnitten: Wenn du den Aufwand in Stunden ermitteln willst, kann es nützlich sein, die Aufgaben als 90-Minuten-Blöcke zu schätzen. Diese Dauer entspricht dem menschlichen Rest-Activity-Zyklus. Pro Arbeitstag plant man vier solche Blöcke ein: zwei am Morgen (vor und nach der Kaffeepause) und zwei am Nachmittag (dito). Das macht die Schätzung greifbarer und schliesst in jeden Tag einige Stunden Pufferzeit für andere Tätigkeiten ein.
Teile deinen Arbeitstag zum Schätzen in vier Blöcke à 90 Minuten ein (Darstellung: S. Müller).

#NoEstimates als Alternative 

Wenn es mit dem Schätzen trotzdem nicht klappt, braucht man nicht zu verzweifeln. Die #NoEstimates-Bewegung hält wenig vom Schätzen der Aufgabendauer. Sie schlägt vor, Zeitschätzungen beiseitezulegen, und empfiehlt vielmehr, dass man beispielsweise die Anzahl der pro Sprint erledigten User Stories voraussagen soll.

Zeitschätzungen werden häufig als verbindliche Deadlines missbraucht. Daher empfiehlt #NoEstimates, sich besser auf Sprint-Throughput zu stützen (Komposition: S. Müller, Meme via awwmemes.com).

Frage in die Runde: Wie schätzt du den Zeitaufwand oder folgst du der #NoEstimates-Bewegung? Bitte schreib deine Best-Practice-Beispiele hier zuunterst in die Kommentarspalte.  

Veröffentlicht am 24.2.2022

Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde im Rahmen eines Leistungsnachweises für das CAS Requirements Engineering verfasst. Er wurde geprüft und redaktionell aufbereitet.

Susanne Müller
Susanne Müller

Geht Fehlplanungen auf den Grund: Susanne Müller bloggt aus dem Unterricht des CAS Requirements Engineering. Sie hat einen Doktortitel in Mikrobiologie und ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsspital Zürich. Sie hat bereits einige IT-Projekte beobachtet, die den vorgesehenen Zeitrahmen gesprengt haben. Darum interessiert es sie, warum wir immer wieder dieselben Fehler machen.

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