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«An der Informatik fasziniert mich, dass sie unglaublich kreativ ist»

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«An der Informatik fasziniert mich, dass sie unglaublich kreativ ist»
Wünscht sich, dass Frauen in der Informatik eine Selbstverständlichkeit werden: Georgette Weingärtner, 20, studiert an der ETH Zürich.

Von Gabriela Bonin

Sie ist Informatikstudentin, er Informatikprofessor: In einem Vater-Tochter-Interview sprechen Georgette Weingärtner und Tim Weingärtner über Kreativität und Frauenförderung in der Informatik. Und warum sich die Leidenschaft für Pferde und jene für Mathematik gut verbinden lassen.

Als junges Mädchen hatte sich Georgette Weingärtner eine einfache Formel zurechtgelegt: Informatik + Beruf = Computerarbeit. Denn immer, wenn sie ihre Eltern zu Hause im Homeoffice beobachtete, arbeiteten diese schweigend am Computer. Was die Tochter einer promovierten Informatikerin und eines Informatikprofessors indes nicht sehen konnte: was die Arbeit der Eltern an deren externen Arbeitsplätzen alles enthält. Wie sie in ihren Teams lebhaft neue Ideen entwickelten. Wie sie Lösungsansätze diskutierten, knobelten, out of the box dachten und kollaborativ arbeiteten.

Heute weiss sie, dass ihre Formel aus der Kindheit nur die halbe Wahrheit ist. Denn mittlerweile studiert die 20-Jährige Informatik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH in Zürich und stellt fest: «Ich hätte mir gewünscht, dass einem schon früher gesagt worden wäre, dass die Informatik so kreativ ist.» Das sagt sie in diesem Video, mit dem sie im Rahmen der Initiative IT-Feuer mehr Mädchen für informatische Berufe begeistern will:

Sprüht vor Begeisterung für Algorithmen: Georgette Weingärtner engagiert sich mit diesem Video für die Frauenförderung in der Informatik
Mehr über IT-Feuer und die European Girls’ Olympiad in Informatics (EGOI), die im Juni in Zürich stattfinden wird.

IT-Feuer ist ein Netzwerk von unabhängigen Organisationen, darunter ist auch die Hochschule Luzern – Informatik. Das Netzwerk macht auf den mangelnden Nachwuchs in der Informatik aufmerksam. Es wendet sich insbesondere an Mädchen und junge Frauen. Auf seiner Website bietet es eine Übersicht mit spannenden Angeboten zur Informatikbildung. Auslöser der Initiative war die European Girls’ Olympiad in Informatics (EGOI), die im Juni 2021 erstmals in der Schweiz stattfindet. Auch unsere Dozentin Esther Hänggi wirbt mit einem Interview auf der Plattform für Informatik-Berufe.

Darum fragten wir nach, ob und wie Eltern ihre Töchter an Informatikberufe heranführen können. Lesen Sie im folgenden Interview mit unserem Mitarbeiter Tim Weingärtner und seiner Tochter, worauf es dabei ankommt.

Frau Weingärtner, welchen Berufstraum hegten Sie als Kind?

Georgette Weingärtner: Ich wollte zuerst Bereiterin und dann Tierärztin werden. Das war mein Wunsch seit dem Tag, an dem mich mein Vater als 4-Jährige erstmals auf ein Pony gesetzt hatte. Pferde sind bis heute meine Leidenschaft. Darum ging ich nach meiner Matura für ein Jahr nach Irland und arbeitete dort im Stall eines Springprofis.

Haben Ihre Eltern versucht, Sie bei der Berufswahl zu beeinflussen?

Georgette Weingärtner: Sie liessen mir immer die Wahl. Sie unterstützten meinen Entscheid, mit Pferden arbeiten zu wollen.  

Es gab also keinerlei Einflussnahme seitens Ihrer Eltern?

Georgette Weingärtner: Doch, aber im positiven Sinne: Sie haben mir als Kind Reitstunden ermöglicht, mich aber auch im Bereich Informatik spielerisch gefördert. So bauten sie beispielsweise mit mir zusammen Lego-Roboter und halfen mir, Knobelaufgabenzu lösen. Knobeln war schon immer mein Ding, darum liebe ich die Mathematik so sehr. An den nationalen Zukunftstagen besuchte ich meine Eltern an ihren Arbeitsplätzen. Das war auch toll. Trotzdem hatte ich immer das Bild, dass Informatik primär mit dem Entwickeln von Computerprogrammen zu tun hat.

Tim Weingärtner: Wir Eltern haben die Möglichkeiten genutzt, die es heute gibt, um Georgette und auch unserem Sohn Maurice den Zugang zu Informatik-Themen zu öffnen. Zum Beispiel haben wir mit ihnen Computerspiele gespielt. Oder ich habe sie für die MINT-Angebote unseres Departements motiviert (siehe Info-Blox unten). Maurice macht derzeit die Matura und will dann auch Informatik studieren.

Georgette Weingärtner unterstützt die Plattform IT-Feuer – zusammen mit zahlreichen Informatikerinnen.

Herr Weingärtner, Ihre Tochter setzte dann aber zunächst auf einen Beruf mit Pferden. Was dachten Sie und Ihre Frau über diese Berufswahl?

Tim Weingärtner: Dass Georgette gerne reitet und mit Pferden arbeitet, war immer klar. Wir sagten zu ihr: Mach das, was dir Spass macht. Wir wiesen sie aber auch darauf hin, dass diese Arbeit körperlich anstrengend ist, der Verdienst in Bezug auf die Leistung eher gering ist und die zeitliche Vereinbarkeit mit einer Familie schwierig werden kann. Demgegenüber bieten informatische Berufe viel mehr Potenzial, gerade auch für junge Frauen. Sie ermöglichen viele verschiedene Ausrichtungen: Sie können stark von der Mathematik geprägt sein wie etwa in der Künstlichen Intelligenz. Wiederum ermöglichen sie kreative Tätigkeiten im Bereich Digital Ideation. Informatik-Berufe erlauben auch spannende Projektleitungen, Teilzeitarbeit und Homeoffice.

Informatiker-Familie Weingärtner
Familie mit Leidenschaft für die Informatik: Georgette Weingärtner mit ihrem Bruder Maurice und ihren Eltern.

Haben Sie und Ihre Frau schon vor Corona jeweils im Homeoffice gearbeitet?

Tim Weingärtner: Als die Kinder noch klein waren, arbeiteten wir beide Teilzeit und erledigten einen Teil davon auch im Homeoffice.

Georgette Weingärtner: Es gab zu Hause immer einen Mama- und einen Papa-Tag. Das habe ich sehr geschätzt. Das zeigte mir von klein auf, dass sich ein Vater selbstverständlich auch um die Kinder kümmert.

Ich wünschte mir, dass auch die Schulen die positiven Eigenschaften der informatischen Berufe besser aufzeigen würden

Tim Weingärtner

Georgette Weingärtner: Ja, sogar ich hatte lange Zweifel, ob ich für ein Informatikstudium gut genug sei. Da ich vor Studienbeginn nicht programmieren konnte, dachte ich, ich sei ungeeignet. Es wäre sehr wichtig, Mädchen in diesen Fragen zu ermutigen. Inzwischen studiere ich Informatik an der ETH und komme bestens klar. Dabei ist meine Begeisterung für Algorithmen viel wichtiger als gute Programmierkenntnisse.

Tim Weingärtner: Ich wünschte mir, dass auch die Schulen diese positiven Eigenschaften der informatischen Berufe besser aufzeigen würden! Es herrscht unter jungen Schülerinnen und Schülern noch immer das Vorurteil, bei diesen Berufen ginge es nur um einsame Computerarbeit von Nerds. Oder dass Programmierkenntnisse dafür unerlässlich seien. Das hält viele Jugendliche davon ab, eine Berufswahl in diese Richtung in Erwägung zu ziehen.

Wie kam es dazu, dass Sie sich doch für ein Informatik-Studium entschieden haben?

Georgette Weingärtner: Da Mathematik einfach mein Ding ist und mich mein Mathe-Lehrer ebenfalls zur Informatik ermutigt hat, zog es mich schliesslich doch an die ETH. Zudem wurde mir klar, dass ich neben dem Informatik-Studium weiterhin reiten kann. Pferde sind jetzt mein Hobby und ein idealer Ausgleich.

Wie reagieren gleichaltrige Kolleginnen und Kollegen auf Ihre Studienwahl?

Georgette Weingärtner: Viele Leute schauen mich deswegen schräg an. Oft witzeln sie und sagen, in dem Fall könne ich ja auch ihre Computerprobleme lösen. Ich wünschte mir, dass es einfach normal würde, dass wir jungen Frauen selbstverständlich auch in diesem Bereich vertreten sind.

Sie und weitere Informatikerinnen nehmen mit den Videobotschaften auf der Plattform IT-Feuer eine Vorbildfunktion ein. Welche Reaktionen erhalten Sie?

Georgette Weingärtner: Bis jetzt habe ich kein Feedback von jungen Mädchen bekommen. Es ist aber megacool, dass wir Informatikstudentinnen an der ETH einen tollen Kontakt pflegen. Wir bestärken uns untereinander und sind uns gegenseitig Vorbilder.

Wir Informatik-Studentinnen bestärken uns untereinander und sind uns gegenseitig Vorbilder.

Georgette Weingärtner

Herr Weingärtner: Wie lange wird es noch dauern, bis Ihre Tochter Ihnen oder Ihrer Frau im Bereich Informatik etwas beibringen kann?

Tim Weingärtner (lacht): Oh, das geschieht bereits heute. Es macht mir Freude, mit Georgette und meiner Frau in der Familie einen wissenschaftlichen Austausch zu führen. Jeder und jede von uns kann etwas besser als der oder die andere. Das ist ein positiver gegenseitiger Challenge.

Frage in die Runde: Wo sehen Sie Hindernisse oder gute Massnahmen im Bereich MINT-Förderung?

Auch unsere Dozentin Esther Hänggi wirbt mit einem Interview auf der Plattform für mehr Frauen in Informatikberufen.

Veröffentlicht am 25.5.2021

Tim Weingärtner
Tim Weingärtner

Informatikprofessor: Tim Weingärtner ist Dozent und Forscher im Blockchain Lab an der Hochschule Luzern – Informatik. Er verantwortet an unserer Hochschule das «Smart-up»-Programm. Dieses hat zum Ziel, Studierende und Mitarbeitende zu motivieren und zu befähigen, ihre Geschäftsideen umzusetzen.

Georgette Weingärtner
Georgette Weingärtner

Informatikstudentin: Georgette Weingärtner studiert an der ETH Zürich Informatik. Sie wurde 2019 vom nationalen Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» für Ihre Matura-Arbeit im Bereich Mathematik/Informatik ausgezeichnet. Sie setzte sich dafür mit der Funktionsweise und den mathematischen Hintergründen der Blockchain-Technologie auseinander. Im gleichen Jahr nahm sie am European Union Contest for Young Scientists (EUCYS) teil.

Europäischer Programmierwettbewerb in Zürich: Erstmals findet die European Girls’ Olympiad in Informatics (EGOI) in der Schweiz statt: Vom 13. bis 19. Juni 2021 wetteifern talentierte junge Frauen in Zürich um den Sieg. Während des Wettbewerbs lösen die Teilnehmerinnen herausfordernde Aufgaben. Dabei haben sie die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Die Initiative IT-Feuer macht auf diese Mädchen-Olympiade aufmerksam.  

Nachwuchsförderung: Die Hochschule Luzern – Informatik engagiert sich aktiv in der Kinder- und Jugendförderung. Als offizielles Regio-Zentrum ist sie Teil der internationalen Initiative «Roberta® – Lernen mit Robotern» und betreibt gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Luzern das Roberta Regio Zentrum Luzern. Im Rahmen der Initiative lernen Schülerinnen und Schüler mit zertifizierten «Roberta Teachers», wie Roboter und andere Hardware konstruiert und programmiert werden.

Lehrpersonen begleiten: Mit dem Joint-Degree-Master-Studiengang in Fachdidaktik Medien und Informatik ist die Hochschule Luzern – Informatik seit 2018 zusammen mit der Universität Zürich und den Pädagogischen Hochschulen Luzern und Schwyz auch in der Ausbildung von Lehrpersonen tätig.

Nächste MINT-Veranstaltung (sofern die Vorschriften betreffend Corona dies erlauben): Im Rahmen von «MINT unterwegs» besuchen unsere MINT-Expertinnen und -Experten auch dieses Jahr mehrere Schulen im Kanton Luzern, um Kinder, Jugendliche und Lehrpersonen für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern. Ausserdem findet Ende Mai/Anfang Juni die nächste World Robot Olympiad virtuell statt. Im Sommer 2021 will unser Departement zudem erneut Scratch-Workshops für die Ferienpässe Zug, Luzern und Nidwalden sowie neu auch Robotik-Workshops anbieten.

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Kommentare

1 Kommentare

Dana Fidalgo

sehr spannender und motivierender Artikel :-)

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