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Conversational Onboarding – Sind die schweizerischen Kunden bereit?

Conversational Onboarding – Sind die schweizerischen Kunden bereit?
16.01.2023, von Sophie Hundertmark & Prof. Dr. Florian Schreiber

Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) hat zusammen mit dem Schweizer Software-Hersteller mesoneer AG einen Innovationscheck zum Thema «Conversational Onboarding: Insurance» erhalten. Ziel des Forschungsprojektes ist es, mehr über die Akzeptanz und das Design eines Conversational Onboardings-Prozesses bei Versicherern herauszufinden.

Über das Projekt des Innovationschecks (Innocheck)

Conversational Onboarding bedeutet, dass der gesamte Onboarding-Prozess des Kunden innerhalb einer Konversation, konkret, innerhalb eines Chats, verläuft. Der Onboarding-Prozess wiederum umfasst den gesamten Kundendialog bis hin zur Identifizierung und Vertragsabschluss.

Im Rahmen des vorliegenden Innocheck-Projektes wurden stellvertretend für alle Chat-Formen lediglich Chatbots berücksichtigt. Letztere sind Sammelbegriff für automatisierte Chats, bei denen ein Text-Roboter eines Versicherers mit einem realen Kunden Textnachrichten via einem Chat-Interface austauscht. Chats zwischen einem menschlichen Berater und einem Kunden wurden in dieser Studie nur am Rande berücksichtigt. Darüber hinaus fokussiert sich die vorliegende Studie verstärkt auf Neukunden und all diejenigen Personen, die komplexe Produkte, wie bspw. eine Lebensversicherung, abschliessen wollen.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnten wir unter anderem nachweisen, dass Schweizer Versicherungskunden durchaus aufgeschlossen für das Thema Conversational Onboarding sind. Ebenso können sie sich diese mitunter durchaus vorstellen, ihre gesamte Kundenreise via Chatbot abzuwickeln. Insbesondere dann, wenn dies mit einer Zeitersparnis verknüpft ist und einen unnötigen Kanalwechsel zwischen Online-Suche und allfälligen Filialbesuchen ersetzt. Versicherer dürfen beim Conversational Onboarding jedoch das Thema Datenschutz nicht unbeachtet lassen: Die Ergebnisse zeigen, dass Bedenken rund um den Datenschutz die grössten Hürden bei einer Identifizierung im Chatbot aus Kundensicht darstellen. Schlussendlich zahlt sich eine zielgerichtete Kommunikation, die ausreichend Informationen zum Angebot und zum Prozess liefert, aus und führt zu einer positiven Customer Experience.

Abbildung 1: Conversational Onboarding, ein Beispiel

So sind wir vorgegangen – Unsere Methode

Basierend auf der Conversational Theory (Pangaro, P. (2010). The Architecture of Conversation Theory) haben wir drei aufeinander aufbauende Fokusgruppen mit potenziellen Versicherungskunden im Alter von 18 bis 65 Jahren durchgeführt. Diese fanden im September 2022 statt und wurden online in Form von Microsoft Teams-Calls abgehalten. Pro Fokusgruppe haben drei bis fünf Personen teilgenommen. Sämtliche Teilnehmenden wurden zufällig aus dem bestehenden Netzwerk des IFZ ausgewählt und per E-Mail kontaktiert. Die finale Zuteilung zu den einzelnen Fokusgruppen fand anschliessend unter Berücksichtigung des Alters und der bisherigen Chat-Erfahrung statt. Jede Fokusgruppe sollte mindestens eine Person innerhalb der drei folgenden Altersgruppen enthalten: 18 – 30 Jahre, 31 – 45 Jahre und 46 – 65 Jahre. Weiterhin haben wir darauf geachtet, dass in jeder Fokusgruppe mindestens eine Person vertreten ist, die ihre bisherige Chat-Erfahrung als «gering» bzw. «hoch» bezeichnet.

Zur Durchführung der ersten Fokusgruppe haben wir initial einen Interview-Leitfaden entwickelt. Für die darauffolgenden Fokusgruppen wurde der Interviewfaden jeweils mit den Ergebnissen der vorherigen Gruppen ergänzt und angepasst. Das Erweitern der Interview-Leitfäden ist im Rahmen der Konversationstheorie eines der zentralen Elemente und soll so zu neuen Ideen und Innovationen führen.

Die Ergebnisse

Allgemeine Zustimmung zum Conversational Onboarding

Über alle Fokusgruppen und Altersgruppen hinweg hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der teilnehmenden Personen den Prozess des Versicherungsabschlusses von der Beratung bis zur Identifizierung in einem Chatbot erledigen würde: 67 % aller Teilnehmenden haben sich positiv zum Onboarding-Prozess via Chatbot als Neukunde einer Versicherung geäussert. Gleiches gilt beim Abschluss einer komplexen Versicherung, wie bspw. eine Lebensversicherung.

Zielgruppe wünscht sich keinen Medienbruch

Den grossen Mehrwert sehen die Befragten vor allem darin, dass es keinen Medienbruch während des Onboardings gibt. Kunden profitieren nicht nur von den Vorteilen einer ortsunabhängigen Beratung via Chatbot, sondern auch von den Vorteilen eines ortsunabhängigen und digitalen Authentifizierungsprozesses. Es fällt also ein störender Medienbruch weg und gleichzeitig verliert der Onboarding-Prozess an unnötiger Komplexität. Einige der befragten Personen gaben diesbezüglich an, dass sie sich durch die Nutzung des Bots kürzere bzw. gar keine Wartezeiten erhoffen.

Kunden ab 31 Jahren besonders affin für Conversational Onboarding

Die Befragten, die sich für das Conversational Onboarding ausgesprochen haben, gehören mehrheitlich zur Altersgruppe der 31 – 45-Jährigen. Aber auch ältere Befragte bis zu 65 Jahren haben sich im Dialog teilweise positiv gegenüber dem gesamten Conversational Onboarding ausgesprochen.

Im Falle einer ablehnenden Haltung in Bezug auf Conversational Onboarding geht es zunächst darum, eine wichtige Unterscheidung zu treffen: Möchten die potenziellen Versicherungskunden (i) generell kein Onboarding bzw. keine Identifizierung via Chat oder (i) kein Onboarding via Chatbot (also nicht via einem Roboter). Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Hälfte derer, die den Onboarding-Prozess per Chatbot abgelehnt haben, diesen durchaus in einem Chat mit einem realen Menschen nutzen würden. Lediglich 13% der Teilnehmenden aller Fokusgruppen würden den Conversational Onboarding-Prozess generell ablehnen (also unabhängig davon, ob dieser durch Mensch oder Maschine geführt wird). Diejenigen 20%, die den Conversational Onboarding-Prozess zwar via Chatbot ablehnen, aber via einer realen Person akzeptieren würden, begründen ihre Entscheidung vor allem mit der persönlichen Nähe, die sie sich im Bereich der Identifizierung wünschen.

Angst um mangelnden Datenschutz als grösste Hürde für das Conversational Onboarding

Über alle Fokusgruppen hinweg hat sich gezeigt, dass die grössten Hinderungsgründe für das Conversational Onboarding im Bereich Datensicherheit liegen: Die Befragten haben über alle Befragungsrunden hinweg ihre Bedenken zur Einhaltung der Datenschutzanforderungen geäussert. Ein Teil dieser Bedenken konnte innerhalb des Dialogs beiseite geschafft werden, indem wir aufgezeigt haben, dass der geplante Conversational Onboarding-Prozess den Schweizer Datenschutzrichtlinien entspricht und aufgrund des Chat-Interfaces keine weiteren Datenschutzrisiken entstehen. Dieses Argument war jedoch nicht für alle Teilnehmenden ausreichend, sodass immer noch eine Restunsicherheit vor Datenschutzproblemen geblieben ist.

Ein weiterer Hinderungsgrund, der innerhalb der Fokusgruppen deutlich geworden sind, ist das generell mangelnde Vertrauen in Chatbots. Einzelne Teilnehmenden haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Chatbots gemacht. Es handelte sich hierbei mehrheitlich um Situationen, in denen der Bot die Kundenanfrage nicht beantworten konnte oder sogar falsche Antworten gegeben hat. Folglich fürchten einzelne Befragte, dass ein Chatbot während des Authentifizierungsprozesses ebenfalls Fehler machen könnte und lehnen diese Art von Identifizierung deshalb ab.

Conversational Onboarding kombiniert mit Video-Identifizierungslösungen

Im weiteren Verlauf der Fokusgruppen wurde genauer analysiert, wie ein Conversational Onboarding-Prozess konkret ausgestaltet sein muss und welche Technologien hierbei eingesetzt werden sollten. Die knappe Mehrheit der Fokusgruppen (55 %) hat in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen mit Video-Authentifizierunglösungen gemacht. Folglich scheint es für die User sinnvoll, dass auch beim Conversational Onboarding die Kamera zur Identifizierung genutzt werden kann. Wie bereits erwähnt wird hierbei jedoch unterschieden, ob ein anderer Mensch oder ein Chatbot auf der Gegenseite sitzt und die Identifizierung durchführt. Insbesondere die älteren Teilnehmenden, welche über weniger technische Kenntnisse verfügen, legten im Rahmen der Gespräche ihre Bedenken in Bezug auf die technische Kombination zwischen Chat und Video-Identifizierung offen.

Unsere Handlungsempfehlungen für Finanzdienstleister

Grundannahmen

Die folgenden Handlungsempfehlungen basieren auf diesen Grundannahmen:

  • Beim Conversational Onboarding handelt es sich zunächst um ein Onboarding mit Chatbots, also Roboter, mit denen per Texteingabe am Computer oder am Smartphone kommuniziert wird. Voicebots wurden im Rahmen dieser Forschung nicht berücksichtigt. Livechats wurden nur am Rande berücksichtigt.
  • Der Conversational Onboarding-Prozess startet bereits mit der Neukunden-Beratung im Chatbot, geht dann über in die Produktauswahl, bis hin zum Vertragsabschluss und einer Video-Authentifizierung via Chatbot.
  • Die Ergebnisse beinhalten Erkenntnisse zu potenziellen Versicherungs-Neukunden und Kunden von komplexen Versicherungsprodukten, die den gesamten Prozess im Chat erledigen.

Allgemeine Handlungsempfehlungen

Das IFZ hat im Rahmen der Innocheck-Vorstudie folgende Handlungsempfehlungen für Versicherer erarbeitet:

  • Datenschutz an oberster Stelle

Der Datenschutz der Kunden und User muss zu jeder Zeit vollständig gewähreistet sein.

  • Einheitliche Konditionen

Der Chatbot muss mindestens die gleichen Konditionen anbieten, wie andere Kontakt-Kanäle. Je nach Kanalsteuerung kann es sogar vereinzelt von Vorteil sein, wenn der Bot tiefere Preise anbietet. Dies sollte die Kunden motivieren, den Chatbot stärker als andere nicht-automatisierbare Kontaktkanäle zu nutzen.

  • 24/7-Erreichbarkeit ohne Wartezeiten

Der Chatbot muss rund um die Uhr erreichbar sein und es dürfen keine Wartezeiten für Kunden entstehen.

  • UX ist Pflicht

Im Prozess der Versicherungsberatung müssen bewährte UX-Kriterien angewendet werden:

  1. Kurze und prägnante Sätze
  2. Passende Tonalität (siehe dazu weitere Empfehlungen)
  3. Aufrecht-erhalten des Dialoges
  4. Gezielter Einsatz von Call-To-Actions
  5. Nach Möglichkeit sollte eine hohe Individualisierung angestrebt werden
  6. Angemessener Einsatz von Emotionen und Emojis
  • Höchste Transparenz

User müssen umgehend zu den Sicherheits-Massnahmen innerhalb des Onboarding-Prozesses informiert werden.

  • Rückfragen erlauben

User müssen jederzeit die Möglichkeit haben, Fragen zum technischen Ablauf und zu den Datenschutzmassnahmen zu stellen. Der Chatbot sollte in der Lage sein, diese Fragen zu beantworten oder gegebenenfalls an einen menschlichen Agenten weiterleiten.

  • Kein Kanalwechsel

Die Authentifizierung sollte direkt im Chatbot starten, ohne dass die User den Screen wechseln müssen. Zur Authentifizierung empfiehlt es sich, eine Identifikationslösung via Video-Kamera einzusetzen. Die Freigabe der Kamera im Chat muss ohne Probleme möglich sein. Hier dürfen die User vor keine technischen Hürden gestellt werden.

Chat-Tonalität

Frühere Forschungsergebnisse haben gezeigt, wie wichtig die passende Chatbot-Tonalität ist. Folgende neue Erkenntnisse sind im Rahmen dieses Forschungsprojektes entstanden:

  1. Sofern es mit den Kommunikationsregeln des Versicherers vereinbar ist, sollte der Chatbot in Du-Form kommunizieren und auch während der Authentifizierung das Du beibehalten. Kunden wünschen sich eher die informelle-Du-Kommunikation.
  2. Die Tonalität muss seriös und zielgerichtet sein, einzelne Emojis zur Auflockerung des Gesprächs sind zusätzlich von Vorteil.
  3. Während der Beratung sind etwas längere und ausführliche Erklärungen von Vorteil. Während der Authentifizierung soll der Dialog eher zielgerichtet und kurz sein.
  4. Der Chatbot muss zu jeder Zeit Fragen zum Datenschutz aufnehmen können und diese auch in einfach-verständlichen Sätzen beantworten können.
  5. Sofern es für den Dialog und das Verständnis des Gesprächs von Vorteil ist, sollen Bilder oder Videos im Dialog eingepflegt werden.

Fazit und Ausblick

Die vorliegende Studie verdeutlicht, dass Versicherungs-Kunden den Onboarding-Prozess im Chatbot durchaus nutzen würden. Es ist sogar möglich, dass Kunden den Conversational Onboarding-Prozess gegenüber klassischen Onboarding-Methoden vorziehen werden. Dies vor allem unter dem Aspekt der Einfachheit und Zeitersparnis.

Weiter macht die Studie auf die Wichtigkeit der korrekten Kommunikation rund um den Datenschutz innerhalb eines Chatbots aufmerksam. Versicherer müssen hier grosse Transparenz hinsichtlich Datenschutz, Technologie und Angebot zeigen, damit Kunden die neuen Kommunikationsmedien akzeptieren und nutzen.

Es ist zur erwähnen, dass die Studie die technische Machbarkeit des hier dargestellten Onboarding-Prozesses bislang wenig beleuchtet hat. Weiterhin fokussiert sich die vorliegende Studie lediglich auf Text-Bots. In Zukunft sollte ebenfalls die Akzeptanz eines Onboardings via Voicebot analysiert werden. Anschliessend gilt es die Kanäle, Text-Bot, Voicebot und menschliche Agenten sinnvoll miteinander zu verknüpfen.

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Alle Infos und Anmeldemöglichkeiten dazu hier.

Autorin: Sophie Hundertmark

sophie.hundertmark@hslu.ch

Autor: Prof. Dr. Florian Schreiber

florian.schreiber@hslu.ch

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