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Helvetia-Chatbot mit ChatGPT-Technologie

Helvetia-Chatbot mit ChatGPT-Technologie
13.04.2023, von Sophie Hundertmark, Prof. Dr. Nils Hafner & Prof. Dr. Florian Schreiber

Clara, der Chatbot der Helvetia Schweiz, experimentiert neu mit der ChatGPT-Technologie von OpenAI und kombiniert diese mit ihrem Versicherungswissen. Die Hochschule Luzern durfte das Projekt begleiten und wird den Versicherer in den kommenden Monaten bei den Analysen unterstützen. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie es dazu kam, dass Helvetia den Schritt als «First Mover» im globalen Versicherungsmarkt mit ChatGPT gemacht hat. Weiter lernen Sie im Interview mit Florian Nägele, Head Conversational & Marketing Automation der Helvetia Schweiz, welche ersten Learnings der Schweizer Versicherer aus dem Chatbot-Experiment zieht und wie es danach wohl weiter geht.

Dieses Interview ist rund zwei Wochen nach dem Launch der «neuen» Clara entstanden.

Wann habt ihr euch dazu entschieden, ChatGPT bzw. GPT in eurem Chat-Service zu nutzen?

Florian Nägele: Am Morgen des 3. März 2023. Unser Entwickler zeigte mir die ersten Resultate der ChatGPT-API, nachdem er zuvor Teile unserer Website als «Wissen» integriert hatte. Ich war fasziniert und entschied direkt, dass wir unser Experiment «Clara mit ChatGPT-Technologie» nach Möglichkeit noch im März auf den Markt bringen sollten.

Was genau ist ChatGPT?

Es handelt sich um eine künstliche Intelligenz (KI) von OpenAI, hinter der grosse Sprachmodelle (Large Language Models, LLM) stehen. Diese sind in der Lage, Texte zu verstehen und Antworten zu generieren. Als OpenAI Anfang März die Programmierschnittstelle (API) zu ChatGPT veröffentlicht hat, haben wir am IFZ umgehend mit internen Tests begonnen. Mehr dazu in diesem Beitrag.

Welche Abteilungen haben die Nutzung eines Chatbots mit ChatGPT-Technologie getrieben und wie wurden die internen Stakeholder abgeholt?

Florian Nägele: Als Treiber fungierte unser bereichsübergreifendes Team aus dem Kunden- und Marktmanagement und der IT, welches sich bereits bisher um Clara, aber auch andere Conversational-Lösungen bei Helvetia Schweiz kümmert. An unserem «Vollsprint» waren aber natürlich viele weitere Kolleginnen und Kollegen aus diversen Bereichen und über alle Hierarchiestufen hinweg beteiligt. Ohne ein grosses und motiviertes Team hätten wir es nicht geschafft.

Ihr bezeichnet die Integration von ChatGPT in Clara als Experiment; verfolgt ihr trotzdem den Plan, ChatGPT langfristig zu nutzen?

Florian Nägele: Ja. Diese Technologien werden in den kommenden Jahren grossen Einfluss auf die Versicherungswirtschaft nehmen. Dies gilt für interne Prozesse genauso wie für den Kundenservice. Im Bewusstsein, dass viele Fragen noch unbeantwortet und viele Herausforderungen noch unbekannt sind, haben wir uns für ein öffentliches Experiment entschieden. So sammeln wir eigene Erfahrungen und Daten, damit wir unsere nächsten Schritte besser ableiten können. Zugleich geben wir unseren Kundinnen und Kunden die Chance, sich selbst ein Bild von den neuen technischen Möglichkeiten zu machen. Wir werden alle den Umgang mit künstlicher Intelligenz im Alltag erlernen müssen.

Was erhofft sich Helvetia kurzfristig und langfristig von dem neuen Chat-Service?

Florian Nägele: Kurzfristig wollen wir lernen, wie wir die Antwortqualität von Clara mit GPT-Technologie Schritt für Schritt verbessern können. Ausserdem ist es natürlich hochinteressant zu erfahren, wie unsere Kunden einen solchen Service annehmen und nutzen. Langfristig könnte dieser Service womöglich nicht nur Fragen zu Versicherung und Vorsorge passgenau beantworten. Wir sehen ebenso grosses Potenzial für die Convenience der Kunden. Insbesondere bei Self-Services innerhalb des Chats und bei den Möglichkeiten, die Kunden zu einem weiteren Kontaktpunkt zu leiten, beispielsweise zur persönlichen Beratung mit Helvetia-Experten.

Chatbot mit ChatGPT-Technologie
Helvetia Chatbot «Clara» mit ChatGPT-Technologie

Was waren die grössten Stolpersteine des Go-live des Chatbots mit ChatGPT aus technischer Sicht?

Florian Nägele: Als wir Anfang März mit der Entwicklung begannen, hatten wir keinerlei Erfahrungen, wie wir die Antwortqualität optimieren können. Ă„hnlich erging es uns mit dem Kontext des Dialogs, den Clara im Rahmen des Chats möglichst behalten sollte. Wir haben technisch viel Neuland betreten und befinden uns immer noch am Anfang unserer Lernkurve. Ich finde aber, dass sich die Resultate nach dieser kurzen Zeit durchaus sehen lassen können.

Gab es aus organisatorischer Sicht auch Stolpersteine des Go-live des Chatbots mit ChatGPT? Und wenn ja, welche waren dies?

Florian Nägele: Wir haben uns vorgenommen, schnell und wenn möglich sogar als erstes Versicherungsunternehmen einen direkten Kundenservice mit dieser Technologie auf den Markt zu bringen. Diese Ambition führte zu Begeisterung und Dynamik bei allen Involvierten. Die Geschäftsleitung schenkte dem Team das notwendige Vertrauen. Mit ein Grund dafür ist sicherlich, dass Helvetia schon lange vor dem ChatGPT-Hype mit der Nutzung von Chatbots begonnen hatte. Stolpersteine gab es also in diesem Sinne nicht.

Wovor hattest Du bzw. Euer Team die grösste Angst bei dem Go-live des Chatbots mit ChatGPT?

Florian Nägele: Angst hatten wir nicht, aber Respekt. Schliesslich sind wir eine Versicherung und keine Software-Entwicklungsfirma, die grosse Erfahrungen mit der öffentlichen Lancierung neuer digitaler Services hat. Wenn man dahinter blickt, wie viele technische Komponenten zusammenspielen müssen, damit wir zeitgleich einer Vielzahl von Kunden rund um die Uhr diesen Service anbieten können, gewinnt man Respekt vor der Komplexität. In diesem Zusammenhang will ich der IT der Helvetia meinen allergrössten Dank aussprechen.

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Wie haben die Kundinnen und Kunden auf das Experiment mit dem Chatbot Clara reagiert?

Florian Nägele: Nach allem, was ich bisher gesehen habe, sehr positiv. Allerdings muss man auch dies einordnen. Menschen, die ein gesteigertes Interesse an diesem Angebot haben und es direkt zu Beginn ausprobieren, sind tendenziell aufgeschlossener und experimentierfreudiger für innovative Lösungen. Es liegt nun an uns, Clara weiter zu verbessern, damit sie für einen weiten Teil unserer Kundinnen und Kunden ein attraktives Angebot darstellt.

Was sind deine grössten Learnings aus dem ChatGPT-Projekt?

Florian Nägele: Generell erscheint mir die LLM-Technologie (engl., Large Language Model) noch mächtiger als ich erwartet hatte. Sie wird meines Erachtens grossen Einfluss auf unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftsleben nehmen. Womöglich vergleichbar mit der Verbreitung des World-Wide-Web und der Lancierung des iPhones. Konkret lässt sich bei den Chats bereits erkennen, dass die Nutzer andere – und vor allem komplexere – Anfragen an Clara mit GPT stellen, als wir es bislang gewohnt waren. Die Erwartungen an den Bot scheinen mit den technologischen Möglichkeiten zu wachsen.

GPT und Kundenservice – Was wird sich aus Eurer Sicht verändern?

Florian Nägele: Wir werden sicherlich viele unterschiedliche Ansätze im Markt vorfinden. Ich erwarte, dass sich die Möglichkeit einer Sprach- oder Texteingabe neben den visuell aufbereiteten Websites & Apps zu einem zweiten Startpunkt für den Kundendialog entwickeln wird. Womöglich verschmelzen die Ansätze auch zunehmend. Mit einer wachsenden Zahl automatisierter Chat-Dialoge wird auch die Zahl der Kundenchats mit Mitarbeitenden deutlich zunehmen. Gerade wenn für das Kundenanliegen kein Self-Service zur Verfügung steht, eignet sich der Chat sehr gut, weil hierdurch Medienbrüche vermieden werden können.

Florian Nägele, Head Conversational & Marketing Automation, Helvetia Schweiz

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Autorin: Sophie Hundertmark

sophie.hundertmark@hslu.ch

Autor: Prof. Dr. Nils Hafner

nils.hafner@hslu.ch

Autor: Prof. Dr. Florian Schreiber

florian.schreiber@hslu.ch

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