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Wo beginnt Führung? – Und was Neurowissenschaften damit zu tun haben.

Wo beginnt Führung? – Und was Neurowissenschaften damit zu tun haben.

Autor: Lars Sonderegger

Führung beginnt im Gehirn denn es ist das Organ, welchem Leadership zugrunde liegt. Führung ist ein komplexes Phänomen und wer die neurowissenschaftlichen Insights in seine Führung integriert resp. auf diese baut, kann diese zentrale Aufgabe wirkungsvoller erfüllen. Überspitzt gesagt: Wer die Gesetze des Gehirns kennt, führt exponentiell. Wer sie nicht kennt, führt graduell.

Unternehmen müssen sich transformieren, aber das Gehirn mag Gewohnheiten

Die Rahmenbedingungen in der Wirtschaft ändern sich immer wieder und in unserer Zeit vor allem immer schneller. Das menschliche Gehirn mag jedoch Gewohnheiten und Wiederholungen. Darum sitzen in einem Seminar viele der Teilnehmenden gerne am gleichen Ort wie beim letzten Besuch, oder nehmen gerne den gleichen Heimweg und tendieren zur «same procedure as every day». In dieser Routine widerspiegelt sich der durchaus sinnvolle evolutionäre Mechanismus, das Gehirn ressourcen-schonend zu verwenden. In einer Welt in der rasche Veränderungen und Anpassungen gefragt sind, ist diese biologische Programmierung jedoch hinderlich und ruft die Führung auf den Plan um dieses Sparen von Ressourcen zu verhindern denn das menschliche Gehirn ist durchaus für kreatives Problemlösen optimiert – man muss nur wissen, wie man die neuronalen Netze im Gehirn aktiviert und dazu bewegt, etablierte Bahnen der Aufgabenlösung loszulassen.

Besser als Leadership-Effizienzdrill ist Synapsen zum Feuern zu bringen

In der «old economy» war eine «gute» Führungskraft eine Person, die primär ökonomische Resultate lieferte, den Umsatz vergrösserte und die maximale Effizienz aus ihren Unterstellten holte. Und diese Führungsmaxime ist auch heute noch weit verbreitet. Der vorherrschende Effizienzdrill geht aber auf Kosten der Motivation, des Engagements und der Verbundenheit zum Arbeitgeber. Denn Druck machen, vorschreiben, kontrollieren und mit Konsequenzen drohen unterdrückt das Potenzial des menschlichen Gehirns. Das Resultat: Mitarbeitende, die wenig engagiert sind und wenige Impulse für Innovationen bringen. Weit verbreitet, sind sie im Büro physisch anwesend und erledigen die aufgetragenen Aufgaben korrekt – aber mehr nicht. In Transformationsprojekten sagen sie dann «ja zum Projekt», aber die Handlungen sprechen eine andere Sprache. Für die Herausforderungen einer globalen, volatilen, unsicheren und komplexen Wirtschaftswelt muss eine wirksame Führungskraft Neugier, Begeisterungsfähigkeit und Veränderungs- bzw. Gestaltungslust wecken können und die Synapsen zum Feuern bringen, damit Innovation und Transformation bottom up geschehen.

Das Fundament der Führung updaten

Um die Innovationskraft zu stärken, die Zusammenarbeit zu verbessern und das Engagement in einer volatilen Welt zu erhöhen braucht es ein grundlegendes Verständnis darüber, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Es geht nicht darum ob «the art of leadership» sich weiterentwickelt, sondern darum, auf welchem Fundament sich Führung in Zukunft weiterentwickelt. Das Gehirn ist ein «social brain» und lässt sich nicht mit einem Prozess kontrollieren. Das zeigt sich darin, dass zwischenmenschliche Beziehungen zum Allerwichtigsten überhaupt gehören. Menschen treffen sich in ihrer Freizeit, um gemeinsam einem Hobby nachzugehen oder Jugendliche «gamen» gemeinsam online für Stunden. «Gemeinsam etwas zu tun» hat sich über die Evolution als Eigenschaft erwiesen, die für das erfolgreiche Überleben von Menschen zentral ist. Wie auch zwei globale Studien der BCG mit über 300’000 Teilnehmenden (BCG, 2018) gezeigt haben, haben Zufriedenheit und damit Engagement im Job primär mit Wertschätzung sowie der Beziehung zu Kollegen und Vorgesetzten zu tun.

Experimentieren, statt darüber studieren…

Wie lässt sich dieses Wissen um das «social brain» nun wirksam in der Führung nutzen? Anstatt lange darüber zu schreiben, laden wir Sie zu nachfolgendem Experiment ein:

Während der nächsten zwei Wochen achten Sie darauf, was in Ihrem Team gut läuft. Nicht die Fehler sehen, sondern das, worüber Sie froh sind, dass es so positiv erledigt wird. Ob es die Arbeitsräumlichkeiten sind, die immer gepflegt erscheinen oder jemand, der eine Lösung für ein Problem gebracht hat, das Team aufstellt und für gute Vibes sorgt. Nehmen Sie positive Impacts bewusst wahr und trainieren Sie in der ersten Woche ihr Gehirn darin, was gut funktioniert zu sehen und zu beschreiben. In der zweiten Woche beginnen Sie auf ein Post-It zu notieren, was Ihnen gefallen hat und kleben diesen am Abend an den PC oder Schreibtisch dieser Person. Beobachten Sie, wie sich das Verhalten dieser Person in den nächsten Tagen verändert und lassen das auf sich wirken. Kleiner Tipp: Das Gehirn reagiert auf ein «Das hast du aber gut gemacht» weniger stark als auf eine ganz konkrete Beschreibung des Verhaltens, das Sie schätzen. Schreiben Sie z. B ein «Danke für die gestrige Unterstützung beim Erarbeiten des Reportings, war für mich eine grosse Erleichterung!» und achten Sie auf die Reaktion – Sie werden staunen!

Zusammengefasst in 3 Sätzen

Führung ist also eine Funktion des Gehirns. Wenn Führung dann wie ein Puzzleteil auf das führende Organ passt, dann wird Führung einfacher und wirkungsvoller. Aber anstatt dieser Aussage zu glauben oder zu verwerfen, testen Sie die Aussage mit einem Experiment.

Kommentare

1 Kommentare

Markus Hess

Danke Lars für diesen Artikel, finde ich prima! Neugier, Begeisterungsfähigkeit, Veränderungs- und Gestaltungslust sind gefragt, mehr denn je - Fragen und Probleme mit Mitarbeitenden aber auch in der Gesellschaft anzupacken gibt es zu Hauf'. Ergänzen möchte ich Dein "Anforderungsprofil" an moderne Führungskräfte mit der Fähigkeit, Menschen und Mitarbeitenden im Trubel der kleinen und ganz grossen Veränderungen mit Ruhe, einer gewissen Gelassenheit und innerer Kraft, Stabilität und Orientierung zu geben. Das ruft dann nach Zeit und Zuwendung für Mitarbeitende, da sein für Begegnung und Resonanz. Damit antwortet eine Führungskraft wirkungsvoll auf das menschliche Grundbedürfnis nach Kontrolle und Sicherheit (vgl. Mourlane D. 2015, emotional leading; oder Rosa H. 2019, Unverfügbarkeit).

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