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Menschenwürde bis zum Lebensende: Ein Geschenk nicht nur zum 6. Dezember

Menschenwürde bis zum Lebensende: Ein Geschenk nicht nur zum 6. Dezember
Von Larissa Sundermann

Man mag sich fragen, was der Samichlaus mit Menschenwürde bis zum Lebensende zu tun hat. Doch nach kurzem Überlegen, ist es genau das, was uns St. Nikolaus bereits vor rund 1700 Jahren mit auf den Weg gegeben hat. Hilfe für Menschen in Not. Für die Menschenwürde bis in den Tod zu sorgen, gehört zu diesen besonderen Taten, um notleidenden Menschen zu helfen. Im Interview gibt uns Prof. Dr. Karin Andrea Stadelmann Antworten auf die Frage, wieso wir uns mit dem Tod auseinandersetzen sollten und wieso Palliative Care so wichtig ist.

Du befasst dich schon lange mit dem Thema Palliative Care und der Arbeit in Hospizen. Vor kurzem hast du ein Buch zu den Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit in der Palliative Care verfasst, um die Sichtbarkeit des Themas zu erhöhen. Welche Bedeutung hat Palliative Care vor dem Hintergrund der versorgungspolitischen Entwicklungen in der Schweiz?

Eine immer gewichtigere. Wenn die Zukunft in der integrierten Versorgung im Gesundheitswesen liegt, wir von der Geburt bis zum Tod eine gut koordinierte Betreuung und Versorgung wollen, dann wird die Soziale Arbeit in der Palliative Care immer wichtiger. Sie kann als Türöffnerin und Vermittlerin viele Bedürfnisse im Alltag aufgreifen, die manchmal weder für die Betroffenen selbst noch für andere Berufsgruppen sofort sichtbar sind. 

Kürzlich ist dein Buch «Die Sorge um Andere am Lebensende als Beruf» erschienen. Zeitgleich wurde auch das erste Schweizer Kinderhospiz allani in Bern eröffnet. Kinderhospize leisten einen wichtigen Beitrag für Familien mit Kindern, die an einer lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Sie sorgen für Entlastung mit professioneller Pflege und individueller Begleitung. Dennoch ist das Kinderhospiz in Bern finanziell nur bis Ende 2025 gesichert. Haben Hospize und insbesondere Kinderhospize in der Schweiz keinen grossen Stellenwert?

Hospize, insbesondere Kinderhospize, kämpfen leider mit grossen finanziellen Herausforderungen und können nur dank privater Spenden existieren. Das muss sich dringend ändern. Es ist für mich unverständlich, dass es bei der Finanzierung von Begleitungen am Lebensende noch so grosse Unklarheiten gibt. Egal, ob es sich um Kinder, Berufstätige oder ältere Menschen handelt – jede von uns wünscht sich, gut umsorgt und nicht allein sterben zu können. Hospize leisten auch für Angehörige und Familien unschätzbare Arbeit, indem sie emotionale Unterstützung und Alltagsentlastung bieten. Ich werde mich weiterhin politisch dafür einsetzen, dass die Finanzierung dieser wichtigen Einrichtungen langfristig gesichert wird.

Du sprichst in deinem Buch auch die Sichtbarkeit der Palliative Care und der Hospize an. Dabei ist die Schweiz bekannt für ihren eher offenen Umgang mit dem Thema Tod bzw. mit der Sterbehilfe. Die Organisation EXIT ist weltweit bekannt und dies führt teilweise auch zu kontroversen Diskussionen. Zuletzt ging es um die «Suizidkapsel», gegen deren Einführung EXIT sich stellt. Hast du eine Erklärung, wieso wir uns in der Schweiz auf der einen Seite so offen zum Thema Tod äussern und auf der anderen Seite mit Palliative Care und der Aufgabe von Hospizen so schwertun?

Ich finde es persönlich gut, dass wir in Sachen Sterbehilfe fortschrittlich unterwegs sind. Die Schweiz hat erkannt, dass Selbstbestimmung auch am Lebensende wichtig ist. In der aktuellen Diskussion ist es jedoch entscheidend, zwischen Sterbehilfe – wie sie von EXIT angeboten wird – und Sterbebegleitung, wie sie in Hospizen oder Palliativeinrichtungen umgesetzt wird, klar zu unterscheiden. Selbstbestimmtes Sterben bedeutet nicht automatisch Sterbehilfe. Sterbehilfe und Sterbebegleitung sind zwei unterschiedliche Dinge: Es braucht mehr öffentliche Aufklärung, um diesen Unterschied deutlich zu machen.

Du bist selbst in der Politik, sitzt im Kantonsrat für «Die Mitte» und bist auch deren Parteipräsidentin. Du gestaltest im Luzerner Kantonsrat aktiv die Wege der Politik mit. Auf deiner Webseite betonst du, dass du für eine finanzierbare und würdevolle Gesundheitsversorgung stehst. Was wünscht du dir für die Palliative Care und die Hospize in der Schweiz?

Ich habe drei Wünsche! Erstens, dass wir die Finanzierung der Palliative Care und die Bedürfnisse am Lebensende – sowohl für jüngere als auch für ältere Menschen – endlich auf eine solide Grundlage stellen. Langfristig werden wir dadurch Gesundheitskosten sparen. Zweitens, dass Hospize die notwendigen Ressourcen erhalten, um ihre wertvolle Arbeit umfassend leisten zu können, damit auch die Soziale Arbeit endlich finanziert wird. Drittens, dass wir als Gesellschaft endlich lernen, offen über Sterben und Tod zu sprechen.

Möchtest du abschliessend noch etwas hinzufügen?

Gerne äussere ich noch einen vierten Wunsch: Viele Menschen am Lebensende verspüren das Bedürfnis, offene, ungelöste Fragen oder Probleme zu klären. Doch wer kann hierbei helfen? Die Soziale Arbeit ist die Spezialistin dafür, und sie kann dies am besten in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen tun. Das sollten wir uns bewusster werden.


Prof. Dr. Karin Andrea Stadelmann ist FH-Professorin und CC-Leiterin am Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik der HSLU – Soziale Arbeit. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Betreuung im Alter, strategische Entwicklung in der Alterspolitik, Gesundheitsförderung mit Fokus auf soziale Unterstützung sowie Bildung und Erziehung über die ganze Lebensspanne. Zudem ist sie Luzerner Kantonsrätin und Präsidentin der «Die Mitte Luzern». Wenn Karin nicht gerade in der Küche feine Menüs für ihre Freunde und Familie kreiert, ist sie in den Bergen oder am Meer zu finden. Zum Ausgleich powert sie sich gerne beim Joggen und auf dem Tennisplatz aus.

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