Die Gesundheit eines Menschen und der Gesellschaft ist mehr als das Fehlen von Krankheit. Sie ist eine grundlegende Ressource für das individuelle Wohlbefinden, die wirtschaftliche Produktivität und die gesellschaftliche Stabilität eines Landes. Doch in der öffentlichen Debatte wird Gesundheit und das Gesundheitswesen zu oft als Kostenfaktor gesehen, anstatt als Investition in die Menschen, in eine nachhaltige Wirtschaft und in das Wohlergehen der Gesellschaft.
Gesunde Erwerbstätige sind das Rückgrat einer funktionierenden Wirtschaft. Sie tragen zur Innovation, Produktivität und zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung bei. Laut der CSS Gesundheitsstudie 2023 fühlen sich jedoch 34% der Schweizer Bevölkerung nicht vollständig gesund, ein signifikanter Anstieg im Vergleich zu 22% im Jahr 2020. Reduzierte Leistungsfähigkeit, Krankheiten und Frühverrentungen belasten Menschen, Familien und Unternehmen, aber auch die Volkswirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes. Unternehmen, die in das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) investieren, berichten von einem Return on Investment von bis zu 4:1. Die Einsparungen und der Nutzen resultieren u.a. aus reduzierten Fehlzeiten, weniger Fluktuation und erhöhter Produktivität. Und wenn wir über das einzelne Unternehmen und die Wirtschaft hinausdenken, ist jede Investition in die Gesundheit auch ein Beitrag an eine nachhaltige Gesellschaft.
Wie immer mehr Studien zeigen, führen Investitionen in die Gesundheit nicht nur zu einer erhöhten Lebensqualität und einem längeren Leben, sondern langfristig auch zu Einsparungen bei den Gesundheitskosten. Prävention, Gesundheitsförderung und Stärkung der Gesundheitskompetenzen sind die effektivsten Ansätze, um Krankheiten vorzubeugen, Krankheitsfolgen zu reduzieren, gesünder zu leben und Gesundheitskosten zu senken. Doch der Anteil der Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention in der Schweiz liegt bei nur 2,9% der gesamten Gesundheitsausgaben, was im internationalen Vergleich niedrig ist. Der grösste Teil der jährlich bald 100 Milliarden fliesst in die kurative Medizin, also in die Behandlung von Krankheiten und Unfällen. Darum wäre der Begriff «Krankheitskosten» treffender.
Die Nationale Strategie zur Prävention nicht übertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie des Bundes) und entsprechende Evaluationen zeigen, dass Investitionen in Prävention und Gesundheitsförderung mittel- bis langfristig eine hohe Rendite bringen können. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Krebserkrankungen, die ca. 80% der Gesundheitskosten verursachen, könnten durch gezielte Massnahmen teilweise verhindert oder im Auftreten sowie in den Auswirkungen reduziert werden. Zwar spielen andere Faktoren ebenfalls eine Rolle, doch präventive Ansätze können Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel oder Rauchen effektiv reduzieren.
Gesundheit ist jedoch nicht gleichmässig verteilt. Die sozioökonomischen Konstellationen beeinflussen massgeblich die Lebenserwartung und die Anzahl der krankheitsfreien Lebensjahre. Eine Studie aus dem Jahr 2010 hat gezeigt, dass sozial benachteiligte Gruppen in Grossbritannien im Durchschnitt zehn Jahre weniger lang und 18 Jahre weniger krankheitsfrei leben als privilegierte Bevölkerungsgruppen. Diese Ungleichheit belastet nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Gesundheitssystem und die Gesellschaft. Prävention und Gesundheitsförderung sollten darum auch gezielt auf vulnerable Gruppen ausgerichtet sein, denn sozial benachteiligte oder ärmere Menschen sind nicht per se krank. Einige Massnahmen wie zum Beispiel die Frühförderung von Kindern aus sozial benachteiligten Familien haben sich als besonders effektiv erwiesen. Studien zeigen, dass jeder investierte Franken in Frühförderung langfristig das Mehrfache an Kosten einspart resp. zu einem deutlichen Return on Investment führt.
«Health in All Policies» fordert, dass gesundheitspolitische Ziele in alle Politikbereiche integriert werden – von der Bildung über die Stadtentwicklung bis hin zur Arbeitsmarktpolitik. Dieser Ansatz basiert auf der Überzeugung und der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass sich Investitionen in die Gesundheit lohnen. Wir sollten nicht abwarten, bis Menschen krank werden, sondern vorher aktiv werden und das Umfeld, die «Verhältnisse» der Menschen verändern (auch via Anreize). Besonders die Gestaltung von Bildungsangeboten, Arbeitsplätzen, Lebensräumen und sozio-kulturellen Begegnungsräumen spielt eine zentrale Rolle. Familienfreundliche Arbeitszeiten, Programme zur Stressbewältigung und ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld (z.B. grundsätzlich weniger (Zeit)Druck im Arbeitsalltag und «gesündere Organisationskulturen») tragen nachweislich zur physischen und psychischen Gesundheit bei. Auch die NCD-Strategie des Bundes greift diesen Ansatz auf und setzt auf eine bessere Integration von Prävention in der Gesundheitsversorgung und der Lebenswelt der Menschen.
Gesundheit ist ein Gemeinschaftsprojekt. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, Unternehmen sollten aktiv in Gesundheitsförderung investieren, und jede:r Einzelne kann einen Beitrag leisten. Eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft erkennt an, dass Investitionen in die Gesundheit langfristig das Wohlergehen aller fördern. Der Appell an die individuelle Verantwortung (Stichwort Eigenverantwortung) reicht nicht aus. Besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen benötigen gezielte Unterstützung und die Gewährleistung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung. Beispiele wie die Präventionsabgaben auf Krankenkassenprämien und die Integration von Präventionsaspekten in Bildungsprogramme zeigen, dass Fortschritte möglich sind, wenn Verantwortung und Finanzierung geteilt werden.
Gesunde Menschen sind die Grundlage für eine produktive Wirtschaft und eine nachhaltige Gesellschaft. Investitionen in Gesundheitskompetenz, Prävention und Gesundheitsförderung zahlen sich mehrfach aus: Sie reduzieren langfristig die Gesundheitskosten , steigern die Produktivität und tragen zur sozialen Gerechtigkeit bei. Es ist an der Zeit, Gesundheit als strategische Ressource zu begreifen – für jede:n Einzelne:n und für die Gesellschaft als Ganzes.
Die auf diesem Blog veröffentlichten Beiträge spiegeln die persönlichen Meinungen und Einschätzungen der Autor:innen wider und entsprechen nicht zwingend der offiziellen Haltung der Hochschule Luzern.
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