18. November 2025

Betriebliches Gesundheitsmanagement,

Psychische Gesundheit

Homeoffice: Mehr Lebensqualität oder neue Stressfalle? 

Homeoffice: Mehr Lebensqualität oder neue Stressfalle? 
Von Jana Z'Rotz

Arbeiten, wo man lebt: Telearbeit bietet viel Freiheit, kann aber auch Grenzen verwischen und belasten. Der folgende Beitrag beleuchtet, warum Homeoffice für viele eine Chance auf mehr Wohlbefinden bietet, wo neue Stressfaktoren entstehen können und was Arbeitgeber:innen tun können, damit flexible Arbeit tatsächlich nachhaltig entlastet.

Arbeit, Familie, Freizeit und dazwischen zu wenig Stunden am Tag. Viele Erwerbstätige jonglieren täglich mit verschiedenen Rollen: Berufstätige, Eltern, Partner:innen, Freund:innen. Zeit ist dabei die knappste Ressource. Wenn die Anforderungen aus Job und Privatleben gleichzeitig steigen, entsteht schnell ein Spannungsfeld. Das trifft besonders Frauen, denn sie übernehmen nach wie vor einen grossen Teil der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeit.

Neue Arbeitsorte verändern den Alltag

Mit der Digitalisierung und der zunehmenden Entkopplung von Arbeitsort und Wohnort verändern sich diese Zusammenhänge rasant. Immer mehr Menschen arbeiten von zu Hause oder an alternativen Orten (Telearbeit), und nicht nur am regulären Arbeitsplatz der Arbeitgeberin. Laut Bundesamt für Statistik stieg der Anteil der Erwerbstätigen, die zumindest teilweise zuhause arbeiten in den letzten Jahren in der Schweiz stark an: Vor der Pandemie arbeitete nur rund ein Viertel der Erwerbstätigen ausserhalb des Büros, im Jahr 2024 waren es bereits mehr als 37 %.

Telearbeit ist damit längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt die Arbeitsorganisation unserer Gesellschaft. Neue Arbeitsorte wie Coworking Spaces oder sogenannte Dritte Orte wie Bibliotheken, Cafés, Gemeinschaftsräume und Ferienchalet erweitern die bisherigen Grenzen von Wohnen und Arbeiten. Zentrale Gründe für Telearbeit sind die Möglichkeit, konzentrierter zu arbeiten, Pendeldistanzen zu vermeiden und Beruf und Privatleben besser aufeinander abzustimmen. Besonders für Erwerbstätige mit Betreuungspflichten ist Telearbeit ein mögliches Instrument, um Erwerbs- und Familienarbeit in Balance zu halten. Viele Frauen nutzen die eingesparte Zeit vor allem für Betreuungs- und Hausarbeiten, wobei Männer eher Freizeit geniessen. Das zeigt, dass wir die Auswirkungen von Telearbeit auch auf die Rollenmuster und die Aushandlungsprozesse innerhalb des Haushaltes diskutieren sollten.

Chancen für mehr Balance und Risiken für neue Belastungen

Telearbeit eröffnet neue Chancen für das Wohlbefinden, indem sie die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Privatleben stärkt und durch den Wegfall des Pendelns Zeit spart. Eine aktuelle Untersuchung im Rahmen des Projekts SWICE zeigt: Die meisten Tele­arbeitenden sind mit ihrer Work-Life-Balance zufrieden und erleben die gewonnene Flexibilität als grossen Vorteil. Wer selbst bestimmen kann, wann und wo gearbeitet wird, fühlt sich ausgeglichener und motivierter.

Doch auch die neue Freiheit und Flexibilität haben ihre Schattenseiten und bergen Risiken: Die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit verschwimmen und die ständige digitale Erreichbarkeit führt bei manchen Erwerbstätigen zu zusätzlichem Stress. Wenn Arbeit und Privatleben ineinander übergehen, entstehen leicht Spannungen und Erschöpfung. Entscheidend ist, dass Arbeitsbelastung, Erreichbarkeit und private Verpflichtungen im Gleichgewicht bleiben.

Gute Rahmenbedingungen schaffen

Arbeitgeber:innen und Führungskräfte spielen hier eine zentrale Rolle: Flexibilität entfaltet ihr Potential nur dann, wenn sie auf gegenseitigem Vertrauen und klaren Regeln beruht. Mit der Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice oder in alternative Arbeitsorte verändert sich auch die Rolle der Arbeitgeber:innen: Sie bleiben dafür verantwortlich, gesunde und optimale Rahmenbedingungen zu schaffen. Wichtig ist, dass Unternehmen ihren Mitarbeitenden Orientierung und Unterstützung bieten. Dazu gehören etwa klare Regeln zur Erreichbarkeit, sinnvolle Arbeitsbelastung, aber auch zum Beispiel Unterstützung bei der Ausstattung des Arbeitsplatzes. Entscheidend ist zudem, dass Führungskräfte regelmässig den Austausch suchen, Belastungen wahrnehmen und realistische Erwartungen formulieren. Hilfreich sind gemeinsame Absprachen im Team zu Erwartungen an die Zusammenarbeit oder zur Nichterreichbarkeit, zum Beispiel festgehalten in einer Charta der Nichterreichbarkeit. Solche Vereinbarungen können klären, wie mit Abwesenheit umgegangen wird oder zu welchen Zeiten E-Mails gesendet und beantwortet werden sollen.

Telearbeit als Chance, aber keine universelle Lösung

Gute Arbeitsbedingungen und psychisches Wohlbefinden hängen eng zusammen. Telearbeit kann das Wohlbefinden nur dann stärken, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Sie ist keine universelle Lösung und führt nicht automatisch zu mehr Zufriedenheit. Wo Flexibilität verantwortungsvoll gestaltet wird, kann Telearbeit auch die Lebensqualität der Beschäftigten erhöhen und einen Beitrag zur sozialen und ökologischen nachhaltigen Gesundheit leisten. Damit wird Telearbeit zu einem wichtigen Baustein einer modernen Arbeitswelt unter der Voraussetzung, dass sie bewusst, sozial ausgewogen und nachhaltig umgesetzt wird.


SWICE – Sustainable Wellbeing for the Individual and the Collectivity in the Energy transition: Im Rahmen des Projects SWICE untersucht das Forschungsteam «New Work, Mobility and Energy» in einer siebenjährigen Langzeitstudie, wie eine nachhaltige und effiziente Lebensweise im Bereich New Work und Mobilität bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität in Arealen und Siedlungen erreicht werden kann. Weitere Informationen zum Projekt SWICE finden sie hier: SWICE


Brauchen Sie Beratung? Das Kompetenzzentrum Regionalökonomie entwickelt für Unternehmen und andere Organisationen massgeschneiderte Angebote für die Gestaltung der Telearbeit, z.B. in Form von praxisorientierter Workshops oder individueller Beratung für Teams. Wenn Sie Interesse am Beratungsangebot oder Fragen zum Projekt SWICE haben, kontaktieren Sie jana.zrotz@hslu.ch

Autorin: Jana Z'Rotz

Jana Z’Rotz arbeitet als Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Regionalökonomie der Hochschule Luzern. Sie ist Expertin für Telearbeit, neue Arbeitsformen und deren Auswirkungen auf Alltag, Mobilität und Wohlbefinden. Sie verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit praxisnahen Empfehlungen für Verwaltung, Politik und Organisationen.

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