4. Dezember 2025

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Warum Frauengesundheit kein Nice-to-have ist, sondern ein Wettbewerbsfaktor

Warum Frauengesundheit kein Nice-to-have ist, sondern ein Wettbewerbsfaktor
Von Ines Junginger

Frauengesundheit bleibt in vielen Organisationen noch unsichtbar – trotz klarer Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit, Absenzen und Arbeitgeberattraktivität. Dieser Beitrag zeigt, weshalb frauenspezifische Gesundheitsaspekte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement stärker berücksichtigt werden sollten und wie Unternehmen mit einfachen, sensiblen Massnahmen zu einer inklusiveren und nachhaltigeren Arbeitskultur beitragen können.

Die Arbeitswelt steht vor grossen Herausforderungen: steigende Absenzen, höhere Kosten und ein sich verschärfender Fachkräftemangel. Gleichzeitig rücken die Bedürfnisse der Mitarbeitenden stärker in den Fokus, insbesondere die Frage, wie Unternehmen attraktiv bleiben und Mitarbeitende langfristig binden können. Ein Aspekt bleibt dabei jedoch erstaunlich unsichtbar, obwohl er viele Erwerbstätige betrifft: Frauengesundheit und Wellbeing am Arbeitsplatz. Die Debatten um Menstruationsurlaub oder kostenlose Menstruationsprodukte zeigen, wie emotional und gesellschaftlich sensibel das Thema ist. Dabei geht es keineswegs darum, die Gesundheit von Männern zu vernachlässigen: Ein modernes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) sollte geschlechts­spezifische Risiken und Belastungen von Frauen und Männern berücksichtigen.

Warum Frauengesundheit im Arbeitskontext relevant ist

Der Fokus auf Frauengesundheit ist notwendig, weil Frauen aufgrund historischer und medizinischer Vernachlässigung, spezifischer biologischer Bedürfnisse (z. B. Menstruationszyklus, Menopause) sowie einer überdurchschnittlichen Doppelbelastung durch unbezahlte Care-Arbeit besonderen Stressoren ausgesetzt sind. Diese geschlechts­spezifische Gesundheitslücke zu schliessen, ist ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit – und sichert Unternehmen Know-how, Fachkräfte und Produktivität. So beschreibt etwa HR Today im Hinblick auf die Menopause:

«Wo die Wechseljahre tabuisiert werden, entstehen Mehrbelastungen und Fehlzeiten. Diese wiederum schlagen sich in höheren Kosten und geringerer Produktivität nieder

Die Relevanz von Frauengesundheit zieht sich dabei über die gesamte Lebensspanne hinweg. Es geht längst nicht nur um die Bereitstellung von Menstruationsprodukten, sondern um eine umfassende Berücksichtigung frauenspezifischer Aspekte im Arbeitsalltag. Darunter Menstruations­störungen, (unerfüllter) Kinderwunsch, Schwangerschaft und Wiedereinstieg sowie Menopause, die real und relevant sind, aber in Unternehmen häufig unsichtbar bleiben.

Beispiel Rückkehr nach der Schwangerschaft

Die Phase nach dem Mutterschaftsurlaub ist für viele Frauen eine körperlich und organisatorisch anspruchsvolle Übergangszeit. In dieser Situation entstehen leicht Konzentrations­schwierigkeiten, erhöhte Erschöpfung und ein doppelter Erwartungsdruck. Unternehmen können hier gezielt unterstützen: etwa durch einen stufenweisen Wiedereinstieg, flexible Arbeitszeiten, die Integration von Stillzeiten in den Arbeitsalltag sowie Räumlichkeiten mit Privatsphäre und Kühlmöglichkeiten für die abgepumpte Milch.

Beispiel Menopause

Ganz anders gelagert, aber ebenso relevant, sind die Belastungen in der Menopause. Viele Frauen erleben über Jahre hinweg Symptome wie Schweissausbrüche, Schlafstörungen, Hitzewallungen oder Konzentrationsschwierigkeiten. Diese Beschwerden sind selten sichtbar, wirken sich aber unmittelbar auf Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit aus. Unternehmen können hier mit einfachen Massnahmen ansetzen: Homeoffice-Optionen, flexible Arbeitsgestaltung, sensibilisierte Führungspersonen oder kleine Anpassungen wie Temperaturregelungen und kurze Pausen machen einen spürbaren Unterschied.

Kleine Schritte, grosse Wirkung

Es braucht keine Umstrukturierungen und Neubauten, um Frauengesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Entscheidend ist insbesondere die Rolle von HR und Führungspersonen. Sie prägen massgeblich, ob Beschäftigte ihre gesundheitlichen Bedürfnisse ansprechen können. Eine unterstützende, sensible und professionelle Gesprächskultur kann hier viel bewirken. Der Einstieg ist weniger komplex, als es auf den ersten Blick scheint. Oft genügen kleine, gut begründete Schritte wie etwa das Angebot für vertrauliche Gespräche, flexible Lösungen bei individuellen Bedürfnissen oder das bewusste Ansprechen bisher tabuisierter Themen. Organisationen, die hier aktiv werden und Massnahmen zur Frauengesundheit nicht als Nice-to-have, sondern als Erfolgsfaktor sehen, setzen ein klares Zeichen für eine moderne, nachhaltige Arbeitskultur. Sie stärken nicht nur Fairness und Wohlbefinden, sie sichern sich auch Motivation, Bindung und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden. Somit gilt: Wer Frauengesundheit stärkt, stärkt die gesamte Organisation – heute und in Zukunft.


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Autorin: Ines Junginger

Ines Junginger arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Unternehmensentwicklung, Führung und Personal der Hochschule Luzern und doktoriert im Rahmen des Projekts "People Analytics at Work. Intensive Case Studies of Pioneering Companies in Germany and Switzerland". Ihre Expertise liegt insbesondere in den Themen Betriebliches Gesundheitsmanagement, Human Resources und Gendermedizin.

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