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Regionale Versorgung

Müssen bald reihenweise Schweizer Spitäler schliessen?

Müssen bald reihenweise Schweizer Spitäler schliessen?
Bild: GZO Spital Wetzikon
Von Nico van der Heiden

Mit dem Spital Wetzikon ist erstmals ein Schweizer Spital in arger finanzieller Schieflage. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die neue Spitalfinanzierung über DRG mit grosser Verzögerung die intendierte Wirkung erzielt. Eine Bereinigung des Angebots wäre mehr als sinnvoll, regionalpolitisch aber hochgradig umstritten.

«Schuldenberg und Streit mit den Gläubigern – ist das Spital Wetzikon zu retten?» titelt der Tagesanzeiger vom 23. Oktober 2024. Und das Spital Wetzikon ist bei Weitem nicht das einzige Schweizer Spital in finanzieller Schieflage. Auch das Kantonsspital Aarau, die Inselgruppe in Bern sowie die Spitäler in den Kantonen St. Gallen und Fribourg schreiben (zum Teil hohe) Verluste.

KPMG geht davon aus, dass Spitäler eine EBTIDA-Marge (Anteil des Ergebnisses vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern an den Umsatzerlösen) von 10% erreichen müssten, um langfristig ihre selbstständige Refinanzierung zu sichern. Gegenwärtig erreichen sie im Durchschnitt gerade einmal 1.8%! So lassen sich die hohen Investitionen in naher Zukunft nicht finanzieren. Letztlich ist die Finanzierung der Schweizer Spitallandschaft nicht nachhaltig gesichert.

Woher kommt diese Finanzmisere? Sie ist letztlich das Ergebnis der 2012 eingeführten neuen Spitalfinanzierung (DRG), die auf Fallpauschalen basiert. Stark vereinfacht gesagt, werden den Spitälern nicht mehr die effektiven Kosten einer stationären Behandlung ausbezahlt, sondern nur noch entsprechende Durchschnittskosten (wer sich für die Details interessiert, findet bei der SGAIM eine gute Übersicht). Wer also teurer «produziert» als der Durchschnitt, macht Verluste. Dieser Wettbewerb war politisch gewollt, es sollte ein Kostendruck bei den Spitälern entstehen. Grössere Spitäler profitieren tendenziell von Skaleneffekten und werden von dieser Finanzierung bevorteilt.

Gemäss BFS gibt es heute in der Schweiz 275 Spitäler. Das ist wohl weltweit eine der höchsten Spitaldichten und es ist kaum denkbar, dass alle diese Spitäler mittels Durchschnitts-Fallpauschalen überleben können. Somit beginnt nun mit 12 Jahren Verzögerung die antizipierte Bereinigung der Spitallandschaft. Ohne namhafte Subventionen der öffentlichen Hand (meist der Kantone) werden viele Spitäler schliessen müssen, was in den Regionen heftigen (politischen) Widerstand auslösen dürfte. Dies zeigt sich aktuell am Beispiel des Kantons Luzern, wo im Spitalgesetz die Leistungen einzelner Spitalstandorte festgelegt werden sollen. Wie dies unter DRG finanziert werden soll, bleibt dabei schleierhaft. Es dürfte letztlich die EBTIDA-Marge des Luzerner Kantonsspitals weiter verschlechtern.

Aus Sicht der Patient*innen wäre eine Neustrukturierung der Schweizer Spitallandschaft mehr als wünschenswert. Die Qualität steigt mit der Anzahl Eingriffe, die ein Team pro Jahr vornimmt. Viele, vor allem kleinere Spitäler, sollten sich daher zu ambulanten und teil-stationären Zentren wandeln und im Mittelpunkt einer interprofessionellen Versorgung für eine Region stehen. Für schwierige medizinische Eingriffe würde die Konzentration auf wenige, grosse Spitäler in der Schweiz Sinn machen. Dies scheint aktuell im Schweizer Föderalismus aber noch fast unmöglich, vielleicht ist dafür der Finanzdruck dann doch noch nicht hoch genug. Wir können es uns offenbar immer noch leisten, eine ineffiziente, regionalökonomisch-motivierte Versorgungsstruktur zu betreiben. Allenfalls wird aber auch ein ganz anderer Aspekt die Finanzmisere übersteuern: Der Fachkräftemangel macht es kleinen Spitälern heute schon unglaublich schwer, ihr Leistungsangebot aufrecht zu erhalten. Eventuell müssen bald jene Spitäler schliessen oder sich zu ambulanten Zentren wandeln, die kein Personal mehr finden und nicht jene, welche sich nicht mehr finanzieren lassen.

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