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Standardisierte Kostenrechnung und Benchmarking: Für eine starke Spitex

Standardisierte Kostenrechnung und Benchmarking: Für eine starke Spitex
Von Kaisa Ruoranen

Ab 2028 sollen ambulante und stationäre Gesundheitsleistungen einheitlich finanziert werden (EFAS). Ab 2032 wird auch die Pflege in EFAS integriert. Dies bedeutet, dass unabhängig davon, ob Pflege im Spital, in einer Praxis, im Pflegeheim oder zuhause durch die Spitex geleistet wird, die Kostenteilung zwischen Krankenversicherern und öffentlicher Hand immer gleich funktioniert. Damit die Reform gelingen kann, braucht es standardisierte Kostenrechnungen und gemeinsame Datengrundlage für alle Leistungserbringer. Für die Spitex fehlen sie noch. Bis 2032 sind es noch paar Jahre, doch es soll vorwärts gehen.

Matthias Wächter, Sie haben mit den Wirtschaftspartnern Heyde und Polynomics im Rahmen eines Innosuisse-Projekts eine Lösung entwickelt, die schweizweit einheitliche Kostenrechnungen sowie aussagekräftige Kosten- und Leistungsvergleiche innerhalb der Spitex ermöglichen. Was ist das Kernelement des Systems?

Die neue Anwendung zieht die Daten aus den Datensystemen der individuellen Spitex-Organisationen zusammen. Also zum Beispiel aus der Spitex-Software und den Finanz- und Lohnbuchhaltungssystemen. Ein Expertenteam aus Finanz- und Spitex-Spezialisten und -Spezialistinnen korrigiert und harmonisiert sie und verarbeitet sie national einheitlich und automatisiert weiter. Das Resultat ist eine standardisierte Kostenrechnung mit detailliertem Überblick und interaktiven Auswertungen zu Themen wie Finanzen, Personal und Produktivität. Zudem haben wir auf dieser Basis eine Spitex Benchmarking Plattform aufgesetzt. Diese ermöglicht vertiefte, betriebsübergreifende Analysen darüber, wie Struktur-, Betriebs- und Leistungsstrukturkennzahlen die Kosten einer Spitex beeinflussen.

Warum genügen die bestehenden Kennzahlensysteme der Spitex nicht?

Die heutige Restfinanzierung, also wie viel der Kanton oder die Gemeinde von den Pflegekosten übernehmen soll, sowie neue Finanzierungsmodelle hängen massgeblich von belastbaren Zahlen ab. Die Kennzahlensysteme der verschiedenen Spitex-Organisationen sind aber sehr heterogen und die Kostenrechnungen untereinander nur bedingt vergleichbar. Mit der neuen Anwendung können die Kosten für Spitex-Leistungen sehr detailliert aufgeschlüsselt werden.

Und diese Benchmarking Plattform; wofür beispielsweise kann die Spitex die Benchmarking benutzen?

Die Benchmarking-Plattform bietet eine wichtige Grundlage für eine Weiterentwicklung der Tarifstrukturen sowie des Monitorings, und sie dient als Grundlage für die Steuerung von bedarfsgerechten Versorgungsstrukturen: Wo braucht es welche Leistungen. Zudem können die Organisationen sehen, wie sie im Quervergleich bezüglich Kosten und Leistungen stehen und können entsprechende Optimierungsmassnahmen ergreifen.

Leistungserbringer sind meistens nicht begeistert, wenn sie mit neuen Anwendungen konfrontiert werden.

Da die Daten, die für die Kostenrechnung benötigt werden, direkt aus den individuellen Spitex-eigenen Systemen zusammengezogen werden und von einem externen Expertenteam harmonisiert werden, werden die Spitex-Organisationen entlastet. Eine Analyse der 130 Organisationen mit der neuen Anwendung, hat gezeigt, dass bis zu 80% des Aufwandes bei ihnen entfallen im Vergleich zu anderen Ansätzen. Persönlich hätte ich nichts gegen eine solche Entlastung.

Kosten ist das eine, Qualität das andere. Wie soll ein reines Kostenrechnungssystem zur Qualität der Versorgung beitragen?

Das Projekt legt einen Grundstein dafür, dass sich die Tarifsysteme weiterentwickeln können und die Spitex ihre Rolle in einer integrierten Versorgung übernehmen kann. Sollte das System sich als Standard durchsetzen, lassen sich die Kosten- und Ertragsstrukturen über die ganze Schweiz hinweg vergleichen. Das beseitigt Fehlanreize. Eine Benchmark-Plattform, wie sie in diesem Projekt aufgesetzt wurde, stärkt zusätzlich die Verhandlungsposition der Spitex gegenüber den Sozialversicherungen und Restfinanzierungspartnern, da sie die Kosten transparent aufweisen können. Und die Transparenz ist einer der wichtigsten Faktoren für die Sicherstellung der Versorgungsqualität und die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems.

Herr Wächter, vielen Dank für das Gespräch.


Dr. Co-Leiter Forschungsprogramm Management und Politik im Gesundheitswesen Dozent

Dr. Matthias Wächter ist Co-Leiter des Forschungsprogramms Management und Politik im Gesundheitswesen. Seine Themenschwerpunkte sind Kostenrechnungen der Spitex-Organisationen, Finanzierung der Langzeitpflege, integrierte Versorgungsansätze und Strategien der Altersversorgung sowie Palliative Care.


Zum Projekt: Das Forschungsprojekt «Kennzahlensysteme und Kostenmanagement der Spitex» (2020-2023)  wurde von Innosuisse, der Schweizer Agentur für Innovationsförderung, mit rund 410’000 Franken unterstützt. Unter der Leitung der Hochschule Luzern wurden zwei Anwendungen für ein ausgereiftes betriebsübergreifendes Kennzahlensystem und eine hochauflösende Kostenrechnung entwickelt. Dies geschah in enger Kooperation mit den Wirtschaftspartnern Heyde und Polynomics sowie einer repräsentativen Auswahl von Spitex-Organisationen und mit Spitex Schweiz.

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