«You never ever make a showstop!» Katrin Frauchiger hat dieser Satz nachhaltig geprägt.

In loser Abfolge geben in der Reihe «Nachgefragt» Dozierende Auskunft über versteckte Talente, heimliche Lieblingsinstrumente und bevorzugte Auftrittsorte. Heute beantwortet Katrin Frauchiger unsere Fragen.
«Ich lernte, mich auf der Bühne über meine momentane persönliche Befindlichkeit zu erheben und in das grössere Ganze einzutauchen.»
Auf welches Talent, das nichts mit Musik zu tun hat, bist du besonders stolz?
Ich habe ein gutes Auge. Von klein auf habe ich diese Fähigkeit trainiert; als Kind hat sich meine Mutter auf Reisen mit mir irgendwo hingesetzt, um dasselbe Objekt, dieselbe Landschaft zu skizzieren oder zu aquarellieren. Es entstanden gleichwertige, aber sehr unterschiedliche Bilder. Mir wurde bewusst, dass ich eine eigene Sicht und einen unabhängigen Ausdruck habe. Als Teenager kaufte ich mir dann meine erste, für mich fast unerschwingliche Nikon-Spiegelreflexkamera und seither fotografiere ich immer und überall, auf Reisen und zuhause. Dabei interessiert mich vor allem die Bildkomposition und der Bildausschnitt, welcher etwas Bestimmtes transportiert. Ich halte Idyllisches, Zeitloses in der alltäglichen Realität fest; die Fotos widerspiegeln meine Wahrnehmung der Welt, ich blende nicht aus, sondern fokussiere. Mit 16 Jahren kaufte ich mir vom ganzen Ersparten mein erstes Bild. Das grosse schwarzweisse Bild zog mich in einer Galerie intensiv an, es trug den Titel «Tower of idea» – ich musste es einfach haben! Über die Jahre sind weitere abstrakte Bilder von befreundeten Künstlern dazugekommen. Meine Sammlung umfasst auch asiatische Kunstgegenstände, alte Postkarten, Stiche, Glaskugeln, Muscheln und Mineralien. Ich habe eine grosse Neugier für viele Dinge. Ich trage stets ein Notizbuch bei mir, in welchem ich skizziere, ausgeschnittene Illustrationen einklebe, Sätze aus Zeitungsartikeln oder Gesprächsfetzen, eigene Ideen und Inspirationen festhalte. Vieles davon fliesst in meine Arbeit ein. Aus diesen kleinen Büchlein ergeben sich Initialzündungen für eine Komposition, ein Projekt, einen Text. Als 15-Jährige notierte ich mir in Pompeji eine lateinische Wandinschrift und erst 15 Jahre später vertonte ich sie in meiner ersten grösseren Auftragskomposition, den «Pompeji-Fragmenten»…
Welches Instrument möchtest du gerne spielen können?
Das Klavierspielen ist mir sehr wichtig, ich begleite beim Unterrichten meine Studierenden, improvisiere, komponiere teils auch am Klavier. Aber ich würde das Instrument gerne auf professionellem Niveau spielen können! Und als Komponistin wäre es toll, verschiedene Instrumente zumindest minimal spielen zu können, z. B. das Cello oder das Schlagzeug, um einen direkteren Einblick in die technische Umsetzung zu haben.
Was war der beste Rat, den du als Musikerin jemals bekommen hast?
Während meines Studiums in Boston unterbrach ich an einer Masterclass selbstkritisch meinen Liedvortrag. Die berühmte Lehrperson reagierte wütend, machte mir vor dem ganzen Saal eine Szene und rief: «You never ever make a showstop!». Ich war schockiert durch diese harsche Blossstellung, rappelte mich aber auf und sang weiter. In diesem Moment lernte ich mich auf der Bühne über meine momentane persönliche Befindlichkeit zu erheben und in das grössere Ganze einzutauchen, um welches es in der Musik geht.
Wo würdest du am liebsten auftreten und weshalb?
Liebend gern würde ich in die wunderschönen italienischen Teatri von Verona, Grosseto, Rovigo und Treviso zurückkehren, in deren beglückender Atmosphäre und Akustik ich Belcanto-Arien von Catalani, Donizetti und zeitgenössische Werke von Dallapiccola und Donatoni aufgeführt habe.
Was ist der letzte Song, der dich richtig beeindruckt hat?
«Goodbye» von Gordon Jenkins. Der Song hat eine atypische Form, die Melodie ist vom Umfang her und vor allem durch die gedanklich weitgespannten Phrasen anspruchsvoll. Ich mag ganz besonders die sehnsüchtig-intensive Interpretation von Lizz Wright.
Was kann nur Musik?
Vielleicht kann Musik noch intensiver als andere Künste berühren, Emotionen entfachen, von grosser Freude bis zu tiefer Traurigkeit, ein Gefühl der Verbundenheit mit anderen, Erinnerungen an intensive Erlebnisse wachrufen, Spannung erzeugen und Trost spenden. Die Musik kann einen in ihren Bann ziehen: Momente der Erfüllung, welche wir Musiker auf der Bühne manchmal erleben und stets suchen, entschädigen uns für die oftmals harte Realität unseres Berufs.
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