Eine eigene Sprache zu finden, das muss man vor allem wollen
Von Pirmin Bossart
Die Jazzausbildung an der Hochschule Luzern – Musik bietet Studierenden die Möglichkeit, eine breite Palette von stilistischen Ausdrucksformen kennenzulernen und die technisch-handwerklichen Fähigkeiten am Instrument zu vertiefen. Aber reicht das schon, um seine eigene künstlerische Sprache zu entwickeln? Einer, der schon früh an diesem eigenen Ausdruck gearbeitet hat, ist der Gitarrist Manuel Troller. Er gehört zu den Instrumentalisten, die mit ihrer spezifischen Handschrift auffallen und dafür auch Anerkennung gefunden haben.
Ob als Solist, mit seiner Band Schnellertollermeier oder dem Trio Baumschule: Wie der Gitarrist mit seinem Sound, seinen rhythmischen Akzenten, seiner Präzision und seinem Gefühl für Space die Musik mitgestaltet, das ist untrüglich Manuel Troller. Man spürt bei ihm eine Haltung und einen Ausdruck, die in allen Projekten durchscheinen, diese prägnant und eigen machen. Manuel Troller hat an der Hochschule Luzern – Musik 2013 den Master Performance Jazz absolviert und 2015 mit einem Master Musikpädagogik nachgedoppelt. Wie hat ihn dieses Studium zu seiner Eigenheit der musikalischen Sprache befähigt, was war förderlich für ihn?
Früh eine eigene Band
«Wenn ich während meines Studiums meine eigenen Sachen vernachlässigt hätte, wäre ich sehr unzufrieden geworden und hätte das Studium möglicherweise gar abgebrochen», sagt Manuel Troller. Das Statement sitzt. Es fasst gut zusammen, was es braucht, um seine eigene Kreativität zu entfalten. Erstens: Den unbedingten Drang, etwas Eigenes kreieren zu wollen. Und zweitens: Ein Studienumfeld, das dies ermöglicht, ja fördert. Heute werde in der Jazzausbildung in Luzern der Fokus stärker daraufgelegt, dieses Eigene wachsen zu lassen, ihm Raum zu geben, sagt Troller. «Als ich studierte, war das noch viel weniger ausgeprägt. Es hing stark von den einzelnen Dozierenden ab, ob sie etwas Eigenes erkannten und dich motivierten, das weiter zu verfolgen.»
Die erste Voraussetzung brachte Troller früh mit: Schon vor seinem Studium hatte er eigene Stücke komponiert und spielte mit Schnellertollermeier in einer eigenen Band. Diesen Fokus auf das Entwickeln des eigenen kreativen Materials wollte er während des Studiums unbedingt beibehalten. Sonst wäre er verkümmert. Als Beispiel für einen Dozenten nennt er Christy Doran, der ihm diesen Raum gab. «Er hat mich unterstützt, liess mich spüren, dass ich dort suchen und weitergehen solle. Auch wenn der Lehrplan dann halt etwas kürzer kam.»
Natürlich würden die Studierenden ganz unterschiedliche Talente mitbringen, sagt Troller. Und es wollten auch nicht alle unbedingt etwas Ureigenes kreieren, sondern sich vielleicht lieber als kompetente Sidewo:man oder gewiefte Allrounder profilieren. Trotzdem findet Troller, dass eine Schule neben aller Vermittlung von musiktheoretischen Grundlagen und handwerklicher Technik den Fokus stärker auf die Schärfung der eigenen künstlerischen Persönlichkeit legen sollte. Wie kann sie das erreichen, was sind förderliche Strukturen?
Diversität ist aus meiner Sicht in allen Bereichen einer Gesellschaft eine Stärke.
Manuel Troller
Impulse in Musikgeschichte holen
Alle Studierenden haben bestimmte Eigenheiten, sagt Troller. Zum Beispiel den Klang am Instrument. Oder eine Vorliebe, ein Händchen für Melodisches, ein Feeling für das Rhythmische. Ein spezielles Talent. Etwas, das auffällt, das sie auszeichnet. «Ich persönlich finde es viel spannender, den Fokus auf diese individuellen Stärken zu legen, ihnen nachzugehen, sie stärker hervorzuholen. Warum sollen alle Studierende dieses und jenes auch noch lernen und die ganze Ausbildungspalette abdecken müssen? Diversität ist aus meiner Sicht in allen Bereichen einer Gesellschaft eine Stärke.» Also Fokus statt Überblick. Eigenheiten fördern, statt stur ein Pflichtprogramm durchziehen. „Natürlich kann eine anerkannte und subventionierte Hochschule die Vermittlung von Handwerk und Grundlagen nicht ausblenden. Aber eine Balance zu schaffen mit individuellerer Förderung der verschiedenen Stärken – das finde ich wünschenswert.» Mit diesem Profil könne eine Schule die Kreativität der Studierenden unterstützen, ihnen Türen aufstossen, sagt Troller. «Aber den Weg müssen sie letztendlich selber gehen.»
Als Studierender konnte er auch in den musikgeschichtlichen Fächern Impulse holen. «Ich lernte Stilrichtungen kennen, die mich inspirierten und die Ohren öffneten. So habe ich etwa die Geschichte der Minimal Music schätzen gelernt und mich mit ihr auseinandersetzen können.» Ein tolles Angebot sei zudem das Modul «Step Across The Border» gewesen. International bekannte Musiker:innen arbeiteten mit den Studierenden im Grenzbereich von komponierter und improvisierter Musik. «Das Angebot war offen für alle, ob sie Jazz oder Klassik studierten.» Workshops mit Musikerpersönlichkeiten wie Alvin Lucier, Fred Frith oder Tim Berne, deren eigene Sprache stark erkennbar sei, hätten ihm deren Kompositions- und Improvisationsweisen nähergebracht und Anstösse für seine eigene Sprache vermittelt.
Do your own thing: «Ich kann Ideen liefern»
Den Master Musikpädagogik absolvierte Troller, um sich die Kompetenzen zu erwerben, je nach Bedarf einmal unterrichten zu können. «Für meinen künstlerischen Weg war dieser Master weniger wichtig. Aber ich fand es gut, ein Wissen zu erwerben, wie man etwas adäquat vermitteln, wie man Kritik äussert, wie man Studierende motivieren und weiterbringen kann.» Seit drei Jahren unterrichtet Troller selber an der Hochschule Luzern das kleine Modul «Do your own thing». Dort geht es gezielt um die Frage, wie die eigene künstlerische Sprache entwickelt werden kann.
Neben dem Gruppenunterricht arbeitet Troller in diesem Modul auch individuell mit den Studierenden. «Sie bringen, wenn möglich, eigenes Material mit, an dem sie bereits dran sind und wo zum Beispiel Fragen auftauchen, sie mit einer Komposition nicht weiterkommen. Wir hören uns das gemeinsam an und diskutieren über verschiedene Herangehensweisen und mögliche Lösungen. Ich kann Ideen liefern. Aber die Entscheide, wie sie weiter vorgehen, müssen sie selber fällen.»
Troller freut sich, dass der Fokus auf den eigenen musikalischen Weg im Jazz-Studium an Bedeutung gewonnen hat. Er würde sogar so weit gehen und fordern, dass bereits im ersten Jahr des Studiums alle Studierenden etwas Eigenes erarbeiten und vorlegen müssten, statt einfach zu reproduzieren, was vermittelt werde. «Je früher im Jazz-Studium der persönlichen Kreativität Raum gegeben wird, desto eigenständiger und interessanter werden die musikalischen Resultate sein. Und die Zufriedenheit und Motivation jener, die als Musiker:innen ihren Weg machen wollen.»
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