Gefangen in der Blase. Über den Druck, den soziale Medien auf Musikerinnen und Musiker ausüben.

Bachelor-Student Luca Koch reflektiert darüber, wie soziale Medien den Leistungsdruck unter Künstlern und Künstlerinnen steigern: «Keine/r zeigt sich an Tagen, an denen es einfach nicht so läuft.»

Ein Produkt mit künstlerischem Wert zu schaffen, braucht Zeit, Fleiss und Selbstreflexion. In meinem Fall zumindest. Doch wie oft fühle ich mich, als ob ich nicht vom Fleck komme. Wenn ich in kleinen Pausen auf mein Smartphone schaue und auf Facebook zu dutzenden Konzerten und Veranstaltungen eingeladen werde, frage ich mich, wieso meine Kunst noch nicht auf Bühnen präsentiert wird. Gerade die Zeit scheine ich nicht zu haben. Bin ich zu langsam? Bin ich nicht gleich weit wie mein Studienjahrgang? Der Vergleich mit Mitstudierenden ist so schnell gemacht und ich brauchte lange, um ihn mir abzugewöhnen.

Scheinwelt soziale Medien

Die sozialen Medien haben den Prozess mit Sicherheit nicht erleichtert, denn sie kreieren ein verzerrtes Bild unserer Realität. Auf Facebook ist alles blitzeblank. Dieser und jene postet Bilder von seinen Konzerten oder lädt Videos hoch, wie sie das perfekte Gitarrenlick spielt oder er noch höher singt. Keine/r zeigt sich an Tagen, an denen es einfach nicht so läuft. Alle scheinen perfekt. Dabei macht jede Person Fehler oder hatte auch mal Mühe, dorthin zu kommen, wo sie jetzt steht. Und das ist gut so, denn Kunstschaffende, die nie an sich zweifeln oder sich herausfordern, fehlt es an Sensibilität. Leider hat die Scheinwelt von Instagram und dessen Geschwistern dazu geführt, dass ich im Studium Angst bekam, Fehler zu machen. Was denkt man von mir? Will man jetzt nicht mehr mit mir spielen? Werde ich trotzdem für Projekte gefragt, obwohl die eine oder andere Note nicht richtig sass? Wie präsentiere ich mich?

Vergleiche sind Zeitverschwendung

Ich glaube, dieser Leistungsdruck trägt nichts zur Qualität der Kunst bei, die an Musikhochschulen erschaffen wird. Meines Erachtens ist es viel wichtiger, seine Aussage zu finden, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob man quantitativ hinterherhinkt. Denn all diese Energie an Zweifeln verpufft im Nichts. Gerade im Gebiet der schönen Künste, wo das Produkt ein Teil der eigenen Persönlichkeit ist und man kreativen Hochleistungssport betreibt, ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass jeder sein eigenes Tempo hat. Keine Zweite hat die gleichen Hände, Ohren oder Stimmbänder. Vergleiche zu ziehen ist schlicht unmöglich, da jeder Mensch seinen eigenen Rucksack an Erlebnissen und Empfindungen mit sich trägt. Hinter perfekten Konzertmitschnitten stecken dutzende Stunden an Zweifel, Fehlern und Tränen. Wir dürfen wegen diesem Leistungsdruck deshalb nie vergessen, warum wir Künstlerinnen und Künstler sind.

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Luca Koch

Luca Koch erzeugte bereits als Kind die grössten Lärm-Emissionen. Genau diese Eigenschaft bringt ihn heute auch auf die Bühnen der Schweiz – und noch viel weiter! Aktuell studiert er Jazzgesang an der Hochschule Luzern – Musik. Nebenbei bildet er sich auf weiteren Instrumenten und in Gesangstechniken weiter, widmet sich der Malerei und dem Tanz. Mit seinen Projekten, die von Jazz und Electro über Freie Improvisation sowie Hip Hop bis Metal reichen und oftmals interdisziplinären Charakter haben, bringt er seine Farben in die Schweizer Kunst- und Musikszene. Neben der Bühne ist Luca Koch passionierter Gesangslehrer, Chorleiter und Musikjournalist mit einem grossen Interesse an Menschen, die wie er nach ihrer Stimme in dieser bizarren Welt suchen.

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