8. April 2019

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Künstliche Intelligenz in der Finanzbranche – eine Utopie?

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In den letzten Jahren haben einige grosse Firmen der Finanzbranche ihr Personal im Bereich Data Science und Analytics massiv aufgestockt. Diese Entwicklung wird von der Akzeptanz genährt, dass die Auswertung der immensen Datenvorräte zu einer verbesserten Kundenansprache und einer effektiveren und effizienteren Ressourcenallokation führt. In den letzten Jahren wurden insbesondere im Bereich der automatischen Bild- und Spracherkennung oder in Computerspielen bahnbrechende Fortschritte erzielt. Diesen Erfolgen liegen die Konzepte von Deep Learning zugrunde. Dessen Einsatz in der Finanzbranche hält sich zurzeit aber noch in Grenzen. Mit dem Fokus auf die Finanzindustrie möchten wir im heutigen Blog einige gängige Vorurteile im Kontext von Deep Learning aus dem Weg räumen.

Behauptung Nr. 1: Deep Learning ist nur eine modische Worthülse für längst etablierte Techniken.

Es ist in der Tat so, dass Deep Learning ihren Ursprung in den 1950er-Jahren hat. Bis vor kurzer Zeit war es jedoch nicht möglich, komplexe Modelle auf grossen Datenmengen zu trainieren. Die Verfügbarkeit von starker Rechenleistung hat dies über die letzten Jahre mehr und mehr ermöglicht. Aus mathematischer Sicht kann man Deep Learning als eine geschickte Strategie verstehen, wie man mittels Neuronaler Netzwerke äusserst komplexe Zusammenhänge elegant erlernen und approximieren kann. Bisher als unlösbar bezeichnete Aufgaben sind plötzlich auf eine überzeugende Art und Weise zu knacken. Für die Finanzbranche eröffnet dies ganz neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel das Treffen optimaler Geschäftsentscheide unter Berücksichtigung von Unsicherheiten und einer langen Reihe von Nebenbedingungen.

Behauptung Nr. 2: Deep Learning kommt für uns nicht in Frage, da wir nicht über genügend Daten verfügen.

Diese Behauptung hört man oft und trifft für gewisse Anwendungsfälle wie beispielsweise die Bilderkennung zu. Ein Neuronales Netzwerk kann nur so gut sein, wie man es trainiert. Für Anwendungsfälle von Deep Learning in der Finanzbranche tut dies aber nichts ab. Die Parametrisierung ökonometrischer Probleme ist vergleichsweise einfach im Vergleich zur allgemeinen Bilderkennung. Möchte man beispielsweise das Liquiditätsmanagement einer Bank optimieren, dann trifft auch das Argument der fehlenden Daten nicht oder nur teilweise zu. Entsprechende Modelle können mit unterschiedlichen Annahmen und Szenarien trainiert werden.

Behauptung Nr. 3: Der Regulator wird für unsere Modelle den produktiven Einsatz von Deep Learning als undurchschaubare Blackbox ohnehin nie erlauben.

Neurale Netzwerke können aufgrund ihrer Grösse bedingtermassen als Blackbox angeschaut werden. Dies spricht aber nicht gegen eine Einsatzfähigkeit von Deep Learning in der Finanzbranche. Einerseits erlaubt es, neue und allenfalls bahnbrechende Lösungsvorschläge zu finden, die man auf klassischen Wegen nie in nützlicher Frist gefunden hätte. Andererseits kann die Validierung von einem trainierten Deep-Learning-Modell viel leichter durchgeführt werden als jene für herkömmliche Modelle. Die Performance der Lösungsvorschläge liegt unmittelbar und mühelos für hunderttausende von Szenarien vor. Das Argument der Blackbox ist demnach nicht gültig. Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis klassische Bewertungs- und quantitative Risikomanagement-Modelle der Banken mit den neuen Möglichkeiten ergänzt oder gar durch sie abgelöst werden.

Behauptung Nr. 4: Es gibt abertausende interessante Prototypen, aber im jetzigen Marktumfeld ist künstliche Intelligenz nicht produktiv.

Wenn man sich im Marktumfeld umhört und entsprechende Vorträge an Industriekonferenzen besucht, dann wird man mit bahnbrechenden Innovationen überhäuft. In der Versicherungsbranche werden zehntausende Briefe mit handgeschriebenen Anmeldungen, Arztzeugnissen, Beschwerden, Rechnungen, etc. im Handumdrehen von Neuralen Netzwerken mit hohen Erfolgsraten entweder automatisch verarbeitet oder an die korrekten Empfänger weitergeleitet. Die grösseren Unternehmen haben in den letzten Monaten und Jahren viel investiert, um Fortschritte im Deep Learning zu eigenen Zwecken nutzen zu können. Doch der Erfolg zeichnet sich nur langsam ab. Viele Marktteilnehmer geben zu, dass derzeit erst vereinzelte Lösungen wirklich in die Produktion eingebettet worden sind. Die Komplexität in den Unternehmensstrukturen, den Abläufen und der IT sorgt dafür, dass der Wandel bisher nur schleppend vorankam. Aufgrund der getätigten Investments und des Potentials wird sich das aber bald ändern.

Behauptung Nr. 5: Mit Deep Learning beschäftige ich mich nicht konkret. Aufgrund meiner Defizite in Mathematik und der fehlenden Gewandtheit in Programmiersprachen werde ich die Konzepte sowieso nie anwenden können.

Mathematische Fähigkeiten und Programmierkenntnisse erleichtern in der Tat den Zugang zu Neuralen Netzwerken. Deep Learning hält hingegen nebst den erforderlichen wissenschaftlichen Fortschritten gerade deshalb Einzug in vielen Domänen, weil die Technologie relativ einfach für alle zugänglich ist. Eine Vielzahl von illustrativen Beispielen ist zusammen mit dem Code frei auf dem Web verfügbar. Ein einschlägiger Universitäts-Abschluss in Mathematik und Computer Science ist überhaupt nicht zwingend. Beispielsweise lässt sich ein Deep-Learning-Algorithmus unter Verwendung der Python Library Keras (Open-Source) sehr intuitiv und in wenigen Zeilen realisieren. Ausgehend davon kann man die Konzepte mit fortschreitender Komplexität Schritt für Schritt erarbeiten und auf neue Anwendungsfälle adaptieren. Die Spielwiese liegt bereit, man muss sich lediglich wagen, darauf herumzutummeln. Eine sehr gute Gelegenheit hierfür bietet die vom IFZ organisierte FinTech-Summerschool Anfang Juli 2019. Diese widmet sich nebst anderen interessanten Themen einer Einführung in Deep Learning. Nach einem Halbtag werden Sie in der Lage sein, Neurale Netzwerke für einfache Klassifikationen und Prognosen einsetzen zu können.

Fazit

Deep Learning steckt derzeit gerade in der hiesigen Finanzindustrie noch in den Kinderschuhen. Es sind im Laufe der nächsten Jahre aber grosse Veränderungen zu erwarten. Für die Finanzindustrie bieten sich beispielsweise im Bereich der Risikoquantifizierung ganz neue Möglichkeiten. Es liegt an den Marktteilnehmern, diese vielversprechende Innovationsmöglichkeit als Chance zu nutzen und Anwendungsfälle von Deep Learning in einem produktiven Reifegrad auszuarbeiten. Hierfür braucht es «nur» Offenheit und die entsprechenden Skills.

Hinweis zur Summer School

Blockchain und Data Analytics sind Themen, die derzeit an vielen Konferenzen in der Form von Referaten behandelt und vorgestellt werden. In der vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ angebotenen FinTech-Summerschool vom 1. Juli – 5. Juli 2019 erlernen die Teilnehmenden die Grundkonzepte der Blockchain-Technologie und von Data Analytics. Darüber hinaus können erste Erfahrungen mit konkreten Anwendungsfällen aus der Praxis gesammelt werden. Es können auch nur einzelne Blöcke besucht werden (2.5 Tage Blockchain, 2.5 Tage Analytics). Weitere Angaben finden Sie hier

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