10. Februar 2020

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Sprichst du schon oder tippst du noch? Ein erstes Fazit zum digitalen Sprachassistenten der St. Galler Kantonalbank

Von Prof. Dr. Andreas Dietrich

Bereits 2016 verzeichnete Google 20 Prozent der Suchanfragen per Stimme. Seither steigt diese Zahl weiterhin an. Es erstaunt daher auch nicht, dass BigTech Firmen wie Amazon, Apple oder Google noch immer viel in Spracherkennung investieren. Im Schweizer Banking ist dieser Trend hingegen noch nicht angekommen. Meines Wissens ist die St. Galler Kantonalbank das einzige Finanzinstitut hierzulande, welches seit dem letzten Juni gewisse Abfragen durch einen Sprachassistenten anbietet. Daher wollte ich von der Bank wissen, wie der bisherige Start verlaufen ist.

So sieht die Lösung der St. Galler Kantonalbank aus

Die Mobile Banking-App der St. Galler Kantonalbank (SGKB) verfügt seit dem letzten Juni über eine von Spitch entwickelte Spracherkennung, die auch Schweizerdeutsch versteht. Damit können im Finanzassistenten (PFM) Fragen direkt per Sprache gestellt werden («Wieviel han ich im letschte Monet für Esse usgäh?»; ein kurzes Video dazu finden Sie hier). Die Antwort wird dann jeweils als Graphik dargestellt. Damit die Sprachmöglichkeit möglichst einfach genutzt werden kann, hat die App innerhalb des Finanzassistenten einen «Sprachbutton» erhalten (siehe Abbildung 1). Die Spracheingabe kann – im Gegensatz zu Anfragen an Siri oder Alexa – nur innerhalb der App gemacht werden.

Abbildung 1: Einige Printscreens mit Sprachbutton

Gemäss Falk Kohlmann, Leiter Digital Banking bei der SGKB, hat man sich nicht zuletzt aus Risikoüberlegungen ganz bewusst bei diesem Projekt und ersten Versuch im Bereich der Sprachassistenz auf eine Funktion im Bereich der «Informationen» entschieden. Transaktionsbefehle sind derzeit nicht möglich. Die SGKB hat folgende Ziele mit dem Vorhaben verfolgt: 1) Verstehen wie stark das Bedürfnis nach Sprachsteuerung bereits ist und frühzeitig in einen Lernprozess einzusteigen, da sich bei tatsächlicher Durchsetzung die Interaktionsarten zwischen Kunde und Bank stark verändern können, 2) Ausprobieren ob «versteckte» Funktionen mittels Spracheingabe für Nutzer einfacher zugänglich werden.
Zu beachten ist, dass der Sprachbefehl nur über mobile Geräte funktioniert. Im E-Banking ist diese Funktion nicht vorhanden. Des Weiteren hat man sich entschieden, keine Audiodateien zu speichern. Das klingt zwar auf den ersten Blick positiv. Auf der anderen Seite führt dies aber dazu, dass die Spracherkennung keine Fortschritte mehr machen kann und auch für Kunden nützliche Auswertungen und damit Optimierungen nicht gemacht werden können.

Das sagen Kunden zu digitalen Assistenten

Gemäss einer kürzlich publizierten Studie des IFZ und von ti&m ist die Nutzung digitaler Assistenten bei Schweizerinnen und Schweizern noch nicht sehr verbreitet. Solche Tools werden im Alltag nur von 16 Prozent der befragten Personen aktiv verwendet. Dabei kommen insbesondere der «Google Assistant» und «Siri» zum Einsatz. Der weltweit vermutlich bekannteste Assistent, «Alexa» von Amazon, weist hierzulande die wenigsten Nennungen auf, was sicherlich auch dem Umstand der begrenzten Geschäftstätigkeit von Amazon auf dem Schweizer Markt geschuldet ist. Die 84 Prozent, die angeben, keinen digitalen Assistenten zu benutzen, begründen dies vorwiegend durch «fehlendes Interesse» bzw. durch «die fehlende Lust» sich einzuarbeiten (42 Prozent aller Nennungen, gemessen an der Gesamtanzahl der Antworten). Interessanterweise machen «Datenschutzbedenken» und «Sicherheitsbedenken», welche auch als Antwortmöglichkeiten vorgegeben wurden, nur jeweils 15 Prozent der Nennungen aus.
In Bezug auf eine zukünftige Nutzung von digitalen Assistenten im Zusammenhang mit Bankgeschäften ist eine ziemlich grosse Skepsis spürbar. Immerhin 14 Prozent der Befragten können sich aber vorstellen, digitale Assistenten im Zusammenhang mit Bankgeschäften zu nutzen. Dieser technologischen Möglichkeit stehen vor allem jüngere männliche Personen mit überdurchschnittlicher Bildung aufgeschlossen gegenüber. Zudem sind 24 Prozent der Befragten noch unentschlossen. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, kommen für die gegenüber der Technologie aufgeschlossenen Personen vor allem Kontostandsabfragen und Transaktionen als mögliche Anwendungsfälle für die Nutzung digitaler Assistenten in Frage.

Abbildung 2: Geschäfte, bei welchen sich Kunden vorstellen können, einen digitalen Assistenten zu nutzen

So nutzen SGKB-Kunden bislang die Sprachmöglichkeiten

Für diesen Blog-Artikel hat mir die St. Galler Kantonalbank die folgenden Informationen zur Verfügung gestellt:

  • Bislang haben knapp 6 Prozent aller Kunden, welche PFM aktiv auf dem Mobile nutzen, den Sprachassistenten mindestens einmal ausprobiert. 2.5 Prozent der Kunden haben das Voice-Feature seit der Lancierung mehr als einmal genutzt. Es ist hier anzumerken, dass seit der Lancierung im Sommer 2019 das Angebot nicht mehr weiter beworben wurde. Dies um herauszufinden, wie gross aktuell bereits das latente Bedürfnis ist.
  • 42 Prozent der Nutzer hat den Sprachassistenten mehrmals benutzt. 58 Prozent der Nutzer haben diesen nur einmal benutzt.
  • Das Durchschnittsalter eines Nutzers ist 36.4 Jahre.
  • Typischerweise nutzen Männer – wie bei fast allen technologischen Innovationen im Bankenbereich – diese Möglichkeiten in der frühen Phase deutlich öfters. Wie Abbildung 3 aufzeigt, werden 80 Prozent der Klicks von Männern getätigt. In Bezug auf die Anzahl Nutzer ist das Verhältnis 2:1.
Abbildung 3: Nutzung des Sprachassistenten nach Geschlecht (Quelle: SGKB, 2020)

Fazit

Das Thema Sprachassistenz hat in der Schweiz derzeit erst eine beschränkte Bedeutung im Alltag der Menschen. Diese Situation ist beispielsweise in Deutschland anders. So hat eine Studie der Postbank im Sommer 2019 ergeben, dass 32 Prozent der Menschen in unserem nördlichen Nachbarland digitale Sprachassistenten verwenden. Auch einige Sparkassen haben Sprachassistenten im Einsatz, welche sich bereits heute einer gewissen Beliebtheit erfreuen.
Ich persönlich gehe davon aus, dass das Thema «Sprachassistenz» in der Schweiz deutlich an Bedeutung gewinnen wird und mittelfristig auch im Banking Anwendung findet. Vor diesem Hintergrund begrüsse ich diesen «First Mover»-Schritt der St. Galler Kantonalbank sehr. Es macht meines Erachtens auch Sinn, dass der gewählte «Ausprobier-Fall» aus Risiko- und Kostensicht überschaubar ist. Hingegen macht es – aus einer Produktperspektive – nur bedingt Sinn, die Audiodateien nicht zu speichern. Es besteht zwar durchaus ein Reputations-Risiko, wenn die Kunden zu wenig verstehen, was mit ihren Daten geschieht. Auf der anderen Seite kann die Lösung ohne (zumindest temporäre) Speicherung der Anfragen nicht verbessert und optimiert werden.
Die Zahlen sind zwar insgesamt (noch) nicht berauschend. Aber für den gewählten Use Case ist das Nutzungspotenzial alleine schon dadurch stark eingeschränkt, dass dieser nur für Personen zugänglich ist, welche den Finanzassistenten (bei den meisten Banken werden diese von ca. 20-30% der Kunden mit einem E-Banking-Vertrag eingesetzt) über das Mobile Gerät nutzen. Ich schätze, dass zwischen 2 und 8 Prozent der Gesamtkunden diese Möglichkeit überhaupt nutzen können. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der mangelnden Bewerbung des Angebots sind die ersten Ergebnisse zufriedenstellend.

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