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«Soziale und wirtschaftliche Ziele zu verknüpfen, ist eine Kunst!»

«Soziale und wirtschaftliche Ziele zu verknüpfen, ist eine Kunst!»
Das Sozialwesen lässt sich nicht nach rein betriebswirtschaftlichen Grundsätzen führen. Es braucht eine Verknüpfung mit ideellen Zielsetzungen.

Die «Ökonomisierung» der Sozialen Arbeit, die einseitig wirtschaftliche Betrachtung des Berufsfeldes, hielt in den 1990er-Jahren Einzug. Und heute? Donat Knecht, Fachmann für Sozialmanagement, setzt sich mit den entsprechenden Spannungsfeldern auseinander und zeigt auf, was das Führen von sozialen Organisationen auszeichnet.

Donat Knecht, was muss man unter dem Begriff Sozialmanagement verstehen?
Grundsätzlich ist damit das Management im Bereich von sozialen Dienstleistungen gemeint. Sozialmanagement verknüpft typischerweise soziale Zielsetzungen mit ökonomischen Anforderungen. Die klassische Betriebswirtschaftslehre lässt sich somit nicht unbesehen in den sozialen Bereich übertragen.

Ende der 1990er-Jahre kam es zu einer Ökonomisierung der Sozialen Arbeit, was hatte das für Folgen?
Es war die Zeit des Neoliberalismus und des New-Public-Managements. Unternehmerisches Handeln kam auch im Sozialbereich auf die Agenda. Man wollte damals, ähnlich wie in der Privatwirtschaft, «Produkte» definieren und diese mit einem Preisschild versehen. Echte Leistungs- und Kostenvergleiche sind bei sozialen Dienstleistungen aber sehr schwierig. Das Bedürfnis nach mehr Leistungs- und Kostentransparenz wurde jedoch von vielen Professionellen verstanden. Schliesslich finanziert sich die Soziale Arbeit stark über öffentliche Gelder. Grundsätzlich war wirtschaftliches Denken für soziale Organisationen aber nicht neu: Sie waren es eigentlich seit jeher gewohnt, mit knappen Mitteln umzugehen.

Wie kann man das Spannungsfeld zwischen sozialen und wirtschaftlichen Aspekten ausgleichen?
Ich weiss nicht, ob man es ausgleichen kann, aber es gibt natürlich Zielkonflikte. So tangiert die Steigerung der Effizienz ab einem bestimmten Punkt meist die Qualität sozialer Dienstleistungen. Soziale Organisationen haben darum mit wenigen Ausnahmen keine Profitorientierung. Dennoch soll die soziale Zielsetzung auf möglichst wirtschaftliche Art und Weise realisiert werden. Deswegen wurden unter dem Begriff «Sozialmanagement» in den letzten Jahrzehnten Modelle erarbeitet, die den Besonderheiten des Sozialwesens Rechnung tragen. Dieser eigenständige Fachdiskurs wird auch international geführt. So hat zum Beispiel die Hochschule Luzern die Internationale Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement/Sozialwirtschaft INAS für Fachpersonen aus dem deutschsprachigen Raum mitgegründet.

Welche Kompetenzen müssen Führungspersonen im Sozialbereich haben? 
Sie müssen unter anderem mit einem komplexen Geflecht von Anspruchsgruppen umgehen können. Dazu zählen die Adressatinnen und Adressaten, die sich oft nicht mit klassischen Kunden und Kundinnen vergleichen lassen. Ebenso wichtig sind die öffentliche Hand oder Spenderinnen und Spender, die die Angebote der Sozialen Arbeit oft erst ermöglichen, kompetente Mitarbeitende, die diese umsetzen, sowie andere Organisationen, mit denen kooperiert oder konkurrenziert wird. Auch die Medien spielen eine Rolle, da soziale Organisationen auf das Vertrauen der Öffentlichkeit angewiesen sind. Zum Management von Nonprofit-Unternehmen gehört also einerseits die erfolgreiche Verknüpfung ihrer Gemeinwohlorientierung mit Effizienzüberlegungen, und andererseits das Ausbalancieren der Ansprüche und Logiken der «Stakeholderinnen und Stakeholder». Das ist komplex und letztlich eine hohe Kunst.

Soziale Organisationen sind sich seit jeher gewohnt, mit knappen Mitteln umzugehen.

Donat Knecht

Auch gesamtgesellschaftlich gibt es eine Wechselwirkung von Sozialer Arbeit und Wirtschaft, wie äussert sich das?
Die Möglichkeiten des Sozialwesens sind zu einem Grossteil abhängig davon, wie es der Wirtschaft geht. Auf der anderen Seite profitiert auch die Wirtschaft vom sozialen Frieden und der Stabilität in unserem Land, die unter anderem den sozialen Sicherungssystemen und einer vorausschauenden Sozialpolitik zu verdanken sind. Das wird oft als Widerspruch gesehen. Ich finde, es sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Wir erleben eine sehr krisenanfällige Zeit, hat das einen Einfluss auf den Sozialstaat?
Der Sozialstaat zeigt seinen Wert in der Krise. In der Krise wächst der Bedarf an sozialen Dienstleistungen, gleichzeitig stehen dem Sozialstaat weniger Einnahmen zu Verfügung. Das bedingt, dass der Sozialstaat ein stückweit antizyklisch handeln muss: «Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.» Aus der Pandemie wissen wir, wie wichtig es ist, soziale und wirtschaftliche Verwerfungen abfedern zu können.

Haben Sie eine Vision, wie es mit dem Sozialstaat weitergehen könnte?
Ganz allgemein glaube ich, es lassen sich für viele Bereiche unserer Gesellschaft zukunftsfähige Lösungen finden, wenn wir uns von den Prinzipien der Nachhaltigkeit leiten lassen. Die Krisenhaftigkeit unserer Zeit macht uns zweifelslos Dampf bei dem Suchprozess, wie man Ökonomie, Ökologie und soziales Zusammenleben sinnvoll verbinden kann.

Donat Knecht

Donat Knecht

Dozent und Projektleiter Donat Knecht arbeitet am Institut Sozialpolitik, Sozialmanagement und Prävention der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und lehrt und forscht vor allem in den Bereichen der Sozialpolitik, der Sozialplanung sowie der Führung und Entwicklung sozialer Organisationen.

Weiterbildungen Sozialmanagement
Das Institut Sozialpolitik, Sozialmanagement und Prävention bietet eine Reihe von Weiterbildungen an für Führungspersonen im Sozial- und Gesundheitswesen sowie zu Aspekten des demografischen Wandels.

CAS Sich und Mitarbeitende führen im Sozial- und Gesundheitsbereich Selbstkompetenzen und Leadership entwickeln für Führungskräfte

CAS Systemisches Projektmanagement Nachhaltige Projekte

Fachseminar Motivierende Gesprächsführung nach Miller/Rollnick

Interview: Anette Eldevik
Mitarbeit: Livia Barmettler
Bild: Ingo Höhn
Veröffentlicht: 3. Juni 2022

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