23. Mai 2022

Sustainable Investments

Divergenzen zwischen Nachhaltigkeitsratings. Beispiel Tesla

Divergenzen zwischen Nachhaltigkeitsratings. Beispiel Tesla

«S&P Global Ratings has lost their integrity», so reagierte Elon Musk auf den Ausschluss Teslas aus dem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG-Index auf Twitter. Das Beispiel zeigt eines exemplarisch: ESG-Ratings sind kontrovers und werden oft missverstanden. Denn Nachhaltigkeitsratings stellen keine objektiven Wahrheiten dar, sondern sind subjektive Werturteile von Ratingagenturen.

Autoren: Manfred Stüttgen, Brian Mattmann, Daniel Baumgartner

Am 2. Mai 2022 wurde Tesla vom Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG entfernt. Der Index nutzt Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten, um Unternehmen wie beispielsweise Tesla zu bewerten. Die Kriterien umfassen hunderte Datenpunkte wie den Umgang von Firmen mit Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten oder die Art und Weise wie Unternehmen und deren Produkte den Planeten beeinflussen. Das Rating für den Index wird von S&P Global im Rahmen des Corporate Sustainability Assessment (CSA) jährlich durchgeführt. Der dem Index zugrundeliegende S&P DJI ESG Score von Tesla aus dem Jahr 2021 wurde nun herabgesetzt. Im Zuge einer Neubeurteilung wurde das Nachhaltigkeitsrating von Tesla nun heruntergesetzt. Die Gründe hierzu sind gemäss S&P Global zahlreich, darunter fallen z.B. eine nicht ausgereifte Strategie zur Senkung des Kohlenstoffdioxidausstosses im Produktionsprozess, Gerichtsverfahren zu Unfällen mit Todesfolgen oder vermehrte Anschuldigungen zu schlechten Arbeitsverhältnissen und Rassismus im Teslawerk in Fermont. Auch wenn Tesla als Produzent von Elektroautos für sich eine führende Rolle in der Transition in ein umweltverträgliches Mobilitätszeitalter in Anspruch nimmt, ist das Unternehmen offensichtlich bei einer breiteren Nachhaltigkeitsbetrachtung hinter seine Konkurrenten zurückgefallen. [1]

Der Ausschluss von Tesla aus einem Nachhaltigkeitsindex wirft erneut ein Schlaglicht auf die Funktionsweisen von ESG-Ratings. Die untenstehende Abbildung zeigt, dass sich die Rating-Agenturen nicht einig sind über das Nachhaltigkeitsprofil von Tesla. Dies wird speziell in der Umweltdimension sichtbar.

Abbildung: Divergenzen in den ESG-Ratings von Tesla, in Anlehnung an Mackintosh, (2018). [2]

Doch aus welchen Gründen entstehen diese Divergenzen? Im Wesentlichen können Divergenzen zwischen ESG-Ratingagenturen durch vier Faktoren erklärt werden [3]:

1) Unterschiedliche Kriterienauswahl

Divergenzen entstehen, wenn den ESG-Bewertungen unterschiedliche Kriterien zugrunde gelegt werden. Beispielsweise definieren einige ESG-Ratings die Umweltverträglichkeit der produzierten Produkte einer Firma als wichtiges Umweltkriterium. Andere Ratingagenturen berücksichtigen nicht primär die Umweltverträglichkeit von Produkten, sondern beurteilen stattdessen die Umweltverträglichkeit des Produktionsprozesses.

2) Unterschiedliche Messmethoden

Unterschiede entstehen, wenn ESG-Ratingagenturen ein und dasselbe Kriterium mit unterschiedlichen Indikatoren messen. Beispielsweise kann das Kriterium «Arbeitspraktiken» bei einem Unternehmen anhand der «Fluktuation der Belegschaft» oder anhand der Zahl der «arbeitsrechtlichen Verfahren gegen das Unternehmen» gemessen werden.

3) Unterschiedliche Gewichtung

Divergenzen bei der Gewichtung treten auf, wenn bestimmte Kriterien stärker gewichtet werden als andere, was unterschiedliche Ansichten über die Wesentlichkeit dieser Faktoren widerspiegelt. Zum Beispiel könnte das Kriterium «Umwelt» für die Ratingagentur «A» mit grösserem Gewicht in die endgültige Bewertung einfliessen als für die Ratingagentur «B».

4) Ungleiche Transparenz

Unterschiede in der Offenlegung verstärken die Divergenz in den Messungen: Falls ein Unternehmen eine Messgrösse – zum Beispiel den CO2-Ausstoss ihrer Fabriken – nicht ausweist, müssen diese anderweitig geschätzt werden. Einige Ratings bewerten die ESG-Transparenz von Unternehmen als eigenständiges Kriterium mit einem Bonus/Malus-System. Andere schliessen die Datenlücke durch Rückgriff auf einen Branchendurchschnitt oder nehmen mangels Datentransparenz einen unterdurchschnittlichen Wert an.

Fazit:

Das Beispiel verdeutlicht, dass ESG-Ratings subjektive Werturteile von Ratingagenturen sind. Ihre Nutzer sollten sie nicht als objektive Wahrheit betrachten. Entsprechend nimmt Transparenz bei ESG-Ratings eine zentrale Rolle ein. Investoren sollten ein ESG-Rating verstehen und seine Herleitung nachvollziehen können. Nur so können sie das Urteil eines ESG-Ratings adäquat in ihre Anlageprozesse integrieren.

[1] Kolodny, (2022).

[2] Mackintosh, (2018).

[3] Berg et.al., (2019).

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