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HSLU-Technologie könnte Europas Schienengüterverkehr revolutionieren

HSLU-Technologie könnte Europas Schienengüterverkehr revolutionieren

Seit 1861 wird im Güterverkehr mit Schraubenkupplungen gearbeitet. Diese sind robust und sehr einfach aufgebaut. Ein Vorteil im rauen Umfeld des Güterverkehrs. Aber die Nachteile überwiegen:

  • Mühsamer und gefährlicher Handbetrieb
  • Bremsproben erfordern Laufwege entlang des gesamten Zugs
  • Rangier- und Abfertigungsprozesse sind personalintensiv und teuer

Die neu entwickelte Digitale Automatische Kupplung (DAK) könnte hier Abhilfe schaffen. Mit ihr werden die Wagen nicht nur mechanisch miteinander verbunden, es entsteht zugleich eine durchgehende Stromleitung und Datenkommunikation von der Lokomotive zu allen Wagen. Vor allem die Datenkommunikation ermöglicht ganz neue Prozesse wie etwa das automatische Kuppeln oder die Automatische Bremsprobe (ABP).

Grundlage der DAK ist das von der HSLU entwickelte Kommunikationssystem PLUS Powerline Train Backbone (PTB). Der Vorteil: PTB nutzt vorhandene Stromleitungen zur Datenübertragung. Es sind keine zusätzlichen Kabel, Kontakte oder Funkverbindungen nötig.

Prototyp einer Digital Automatischen Kupplung (DAK)
Prototyp einer Digital Automatischen Kupplung (DAK).

Der DAC+-Testzug unterwegs für EU-Rail

Um ihre neue Technologie zu testen, hat das Kompetenzzentrum Intelligente Sensoren und Netze (CC ISN) [1] der HSLU zusammen mit SBB Cargo den DAC+-Testzug gebaut. Dieser besteht aus sieben Wagen, die jeweils mit einer DAK, einem ABP-System und mit dem Kommunikationssystem «PLUS Powerline Train Backbone» ausgerüstet sind (der Name «DAC+» setzt sich aus diesen Komponenten zusammen). Die Tests sind Bestandteil des europäischen Projekts FP5-TRANS4M-R, die Testergebnisse wurden kürzlich auf der Website von Europe’s Rail Joint Undertaking (EU-Rail) publiziert [2].

Testfahrt des DAC+ Testzugs im malerischen Glarus
Testfahrt des DAC+ Testzugs im malerischen Glarus.

Erfolgreiche Tests der HSLU-Technologie

Die Technologie hinter «Powerline PLUS Train Backbone» (PTB) wurde speziell für die Anwendung im Zug entwickelt und in Stand-, Rangier- und Fahrtests ausgiebig auf ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit getestet. Die Ergebnisse:

  • Zuverlässige Datenkommunikation
  • Automatische Detektion der Wagenreihenfolge
  • Erfolgreiche Tests von Entkupplung und Bremsprobe
  • Nachweis der Onboard-Zugintegrität (OTI): kontinuierliche Verbindung bis zum letzten Wagen

Funktionsweise und Vorteile von PLUS Powerline Train Backbone

Das am CC ISN entwickelte Kommunikationssystem «PLUS Powerline Train Backbone» überträgt Nachrichten zwischen der Lokomotive und den Wagen direkt über die Stromleitung. Zu diesem Zweck wurde eine bereits aus dem Heimbereich bekannte Powerline-Kommunikationstechnik weiterentwickelt und an die speziellen Anforderungen des Güterverkehrs angepasst. Die Vorteile:

  • Mit der Nutzung der Stromleitung zur Datenübertragung können Kabel gespart werden
  • Das vermeidet insbesondere auch zusätzliche Datenkontakte in der DAK zwischen den Wagen
  • Damit wird das System zuverlässiger und robuster, was wiederum kostensenkend wirkt.
  • Gegenüber den Funklösungen auf dem Markt bietet PTB als leitungsgebundene Technik höhere Cybersicherheit und funktioniert z.B. auch während Tunnelfahrten zuverlässiger.
Live-Demonstration der Automatischen Kupplung in Horw
Live-Demonstration der Automatischen Kupplung in Horw.

Ausblick auf den weiteren Testverlauf

Damit die DAK erfolgreich im kommerziellen Güterverkehr eingesetzt werden kann, braucht es noch viele weitere technische Lösungen. Offene Fragen bestehen etwa bei der Stromversorgung, müssen doch viele Rangierbewegungen ohne Bahnstrom funktionieren.

  • Ein Power Management System soll sicherstellen, dass die Batterien auf den Wagen möglichst lange durchhalten.
  • Ausserdem sollen nicht funktionierende Wagen oder entladene Batterien im Zugverband erkannt werden.
  • Am Schluss müssen dann die Lösungen für all diese Aufgaben den hohen Sicherheitsstandards der Bahn genügen und sich nahtlos in die komplexen Prozesse der Bahn einbinden lassen.

Auch hier wird die HSLU weiterhin mit ihrem Knowhow zur Entwicklung von innovativen Lösungen beitragen.

Virtual Train Test Lab an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur
Im Testlabor forscht die HSLU weiter an technischen Lösungen für den Einsatz der DAK.

Nächster Halt: Europas Schienennetz

Die Entwicklungen und Tests zu DAK laufen EU-weit auf Hochtouren. In Bezug auf die Kupplung selbst werden Crashtests und Klimakammertests durchgeführt und Fragen der Interoperabilität geklärt. Andernorts wird betriebsseitig erforscht, wie die Umrüstung, zu der auch ein Mischbetrieb in einer Übergangsphase gehört, in die laufenden Prozesse integriert werden kann. Ein wichtiger Meilenstein ist sicherlich der Startschuss für die sogenannten «Pioneer Trains» Mitte 2026. Diese Züge, die im Normalbetrieb fahren werden, werden ausgerüstet sein mit Technologien, die einen hohen Reifegrad aufweisen. Der Plan ist, damit Erfahrungen zu sammeln, damit letzte Korrekturen vorgenommen werden können, bevor der Umstieg auf die neue Technologie erfolgt.


Referenzen:
[1] Kompetenzzentrum Intelligent Sensors and Networks (https://www.hslu.ch/isn)
[2] «Successful Testing of the DAC with Powerline Train Backbone», Europe’s Rail Joint Undertaking News, 28. März 2025, https://rail-research.europa.eu/latest-news/successful-testing-of-the-dac-with-powerline-train-backbone/
[3] Powerline PLUS Train Backbone (PTB), plc-tec AG, https://www.plc-tec.ch/ptb/

The project FP5-TRANS4M-R is supported by the Europe’s Rail Joint Undertaking and its members. Fundedby the European Union. Views and opinions expressed are however those of the author(s) only and do not necessarily reflect those of the European Union or the Europe’s Rail Joint Undertaking. Neither the European Union nor the granting authority can be held responsible for them.

 

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