Ein Nidwaldner hilft, das All aufzuräumen
Jägersatelliten sollen das Weltall vom Schrott befreien. Eine Entwicklung von Andreas Rebsamen aus Ennetbürgen soll dabei helfen.
Andreas Rebsamen, ein 28-jähriger Ennetbürger, sorgt dafür, dass in Zukunft Raumfahrten weiterhin möglich sind. Zugegeben, das ist eine etwas plakative Formulierung. Einen Teil könnte Rebsamen aber tatsächlich beitragen. Wie kam es dazu?
Immer mehr Satelliten werden ins Weltall geschossen und umkreisen die Erde. Rund 5500 sollen es laut der HSLU etwa sein. Einige von ihnen sind defekt und rasen ungesteuert um den Erdball – und mit ihnen zahlreiche Trümmerteile. Dieser Weltraum-Abfall vermehrt sich auch durch Kollisionen mit Satelliten, was wiederum die Gefahr für weitere Kollisionen erhöht. Die Europäische Weltraumagentur (ESA) befürchtet, dass Raumfahrten so in Zukunft zu gefährlich werden. Sie hat deshalb die Aufräummission «Clearspace-1» gestartet.
Diese soll so funktionieren: Sogenannte Jägersatelliten werden in den Orbit in die Nähe eines Abfallteils geschickt. Dort werden die «Jäger» selbstständig. Mithilfe einer Kamera und künstlicher Intelligenz sollen sie sich dem Abfallstück nähern, es mit ihren Roboterarmen packen und schliesslich mit ihm in die Erdatmosphäre stürzen, sodass beide zusammen verglühen.
Wenig Energie, viele Berechnungen
Damit die künstliche Intelligenz die Kamerabilder übersetzen kann, sind viele Berechnungen nötig, die Zeit und Energie brauchen. Gleichzeitig sollen solche Jägersatelliten jedoch möglichst leicht sein, denn jedes zusätzliche Kilogramm benötigt auf der Reise ins All wieder mehr Energie. Und diese ist bei den Satelliten nicht im Überschuss vorhanden: Akkus sind zu schwer und grosse Solarplatten haben keinen Platz. Die Prozessoren, in denen die Berechnungen stattfinden, müssen also möglichst kompakt und effizient sein. Hier kommt Andreas Rebsamen ins Spiel.
Nach seinem Bachelor in Elektrotechnik nahm Rebsamen an der Hochschule Luzern den Master of Science in Engineering in Angriff. Dazu gehören zwei Vertiefungsarbeiten und eine Masterarbeit. Für Letztere entwickelte Rebsamen einen Beschleuniger. Dieser kann in den Prozessor, der nicht grösser als ein Pommes-Chip ist, einprogrammiert werden. Damit lassen sich Berechnungen der künstlichen Intelligenz schneller durchführen. Der Auftrag für das ESA-Projekt, den die HSLU erhalten hatte, eignete sich schliesslich als Anwendung für Rebsamens Beschleuniger.
Weiterer Verlauf noch unklar
Als Teil eines fünfköpfigen Teams der HSLU unter der Leitung von Jürgen Wassner und Klaus Zahn will Rebsamen nun herausfinden, inwiefern sich das Produkt für das Weltall eignet und was getan werden muss, damit es zuverlässig funktioniert. «Wir führen hier eine Art Machbarkeitsstudie durch», sagt Rebsamen. Die bisherigen Erkenntnisse aus den Simulationen seien erfreulich: «Das Prinzip kann funktionieren.»
Die ESA plant, ab 2026 solche Jägersatelliten einzusetzen. Bevor diese ins All geschossen werden, müssen noch verschiedene Praxisversuche durchgeführt werden. Etwa, ob die Technik genügend strahlungsresistent ist, oder wie die Arme rotierende Objekte greifen können, ohne selbst Schaden zu nehmen.
«Wenn eine Anwendung von uns ins Weltall gehen würde, wäre das – abgesehen davon, dass es ziemlich cool wäre – ein spannendes Projekt, woran wir dann auch weiterhin arbeiten könnten.» Inwieweit das Team der HSLU in den weiteren Verlauf des Projekts involviert ist, sei aber noch unklar. Denn auch andere Teams arbeiten parallel am selben Auftrag.
Vor dem Studium eine Lehre als Elektroniker
Für den Ennetbürger war es aber bereits jetzt ein Erfolg. Er konnte seiner Leidenschaft nachgehen, die er so erklärt: «Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, dass sie ein funktionierendes Handy oder einen Computer zu Hause haben. Mich interessiert, was dort drin passiert oder was sich die Entwickler dabei überlegt haben.» So ist es nicht verwunderlich, dass sich Rebsamen vor seinem Studium für eine Lehre als Elektroniker bei Schindler entschied.
Nach sechs Jahren Studium freut sich Rebsamen nun auf seine feste Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der HSLU. Dort werden ihm seine Erfahrungen aus dem Weltraum-Projekt zumindest teilweise noch von Nutzen sein.
Autor: Manuel Kaufmann
Bild: Sarina Fellmann (Horw, 1. 9. 2023)
Ersterscheinung: Nidwaldner Zeitung vom 12. September 2023. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.