Kompetenzen stärken, Brücken bauen.

Kompetenzen stärken, Brücken bauen.

Das war die Swiss-African Business Case Challenge 2023.

In einer global vernetzten Welt ist die internationale Zusammenarbeit essenziell. Die Fähigkeit, über nationale und kulturelle Grenzen hinweg zu agieren und zusammenzuarbeiten, wird zunehmend zur Grundvoraussetzung für effektives Arbeiten. Doch wie können Hochschulen diese Fähigkeiten fördern? Wie lernen Studierende, über kulturelle Gräben zu springen und Differenzen produktiv zu nutzen? Wie bringt man ihnen bei, eigenen und fremden Vorurteilen offen und neugierig zu begegnen? Wie fördert die HSLU die Freude an internationaler Zusammenarbeit? Davon handelt dieser Text. Das war die African-Swiss Business Case Challenge 2023.

18 Personen, 12 Nationen, 2 Hochschulen, 1 Klasse

Die meisten Student:innen der HSLU sonnen sich bereits in der Badi. Erholen sich von der strengen Prüfungsphase und tanken neue Energie für das Herbstsemester. Während der Campus an der Zentralstrasse 9 vom Hausdienst fürs nächste Semester auf Vordermann gebracht wird, tummelt sich aber dennoch eine Klasse in den Räumen. Eine Klasse, bestehend aus 18 Studierenden. Bunt durchmischt aus der ganzen Welt: Rwanda, Schweiz, Mauritius, Nigeria, Ghana, Mexico, Frankreich, USA und viele mehr. Es ist die Klasse des ISA-Moduls Swiss-African Business Case.

Eine Woche lang setzen sich zehn Studierende der African Leadership University (ALU), die je einen Campus auf Mauritius und in Rwanda betreibt, sowie acht HSLU-Studierende intensiv mit einem Business Case auseinander, knüpfen Freundschaften und erleben eine Woche voller intensiver Diskussionen, Zusammenarbeit und wertvoller Lernerfahrungen.

Der Case

Der Rahmen der Projektwoche bildet die von den Organisator:innen erstellte Fallstudie. Der Fall begleitet die bunt zusammengewürfelte Klasse die ganze Woche hindurch:

Namibia plant zusammen mit einem Unternehmen ein ambitioniertes Energieprojekt, das das Potenzial hat, Millionen Tonnen CO2 einzusparen und Tausende von Arbeitsplätzen zu schaffen. Doch wie sollte das Land genutzt werden – für Wasserstoffproduktion, Solarenergie, Windenergie oder doch für ein Ökotourismusgebiet? Wie kann die lokale Bevölkerung profitieren und die Umwelt geschützt werden?

Fünf Interessensgruppen (vertreten von den Studierenden) sollen zusammen eine Lösung verhandeln:

Die Energiefirma. Eine profitorientierte Firma, die sich für die Energiewende einsetzt. Sie ist jedoch auf Investitionen angewiesen, um ihre Energieproduktion überhaupt realisieren zu können.

Das Bundesamt für Energie. Ausländische Interessensgruppen fördern erneuerbare Energien auf der ganzen Welt. Sie stellen hohe Summen an Investitionsgeldern zur Verfügung, sofern Projekte ihren Zielen entsprechen.

Die Investor:innen. Sie suchen nach «grünen» Investitionsmöglichkeiten in Namibia. Ihre Investitionen sollen Profite abwerfen. Und sie haben auch noch zwei, drei andere Eisen im Feuer.

Der Umweltverband. Er setzt sich für den Schutz der Umwelt und eine minimale Umweltbelastung ein und unterstützt Projekte, die zur grünen Elektrifizierung beitragen. Ohne ihn an Bord ist es schwierig, Energieprojekte in dieser Region umzusetzen.

Die lokale Interessensgemeinschaft. Sie kämpft für einen sorgfältigen Einsatz ausländischer Investitionen. Die Schaffung und Erhaltung von lokalen Arbeitsplätzen ist ihr ein Kernanliegen.

Können sich die Interessensgruppen auf eine Lösung einigen? Eingeteilt in diese fünf Gruppen, begleitet von Fachinputs, Ausflügen und der einen oder anderen langen Nacht, bearbeitet die Klasse diesen Fall und trifft sich am letzten Tag des Projekts zur Simulation der Verhandlung.

Die Verhandlung

Es ist der letzte Tag der Projektwoche: der Verhandlungstag. Die Klasse, eingeteilt in die fünf Interessensgruppen, trifft sich zu einem diplomatischen Boxkampf. Inmitten des Klassenzimmers stehen fünf Tischgruppen im Kreis, eine für jede Interessensgruppe.

«It looks like in the Hunger Games – I hope we don’t have to fight each other…»

L. J., eine Master-Studentin der Hochschule Luzern, bevor es in die Verhandlungen geht.

Sorgen machen muss man sich aber nicht. Die Stimmung ist freundschaftlich. Die intensive Woche hat die Klasse zusammengeschweisst. «I love your dress», «Are you coming to the dinner tonight?» hört man als Gesprächsfetzen im Klassenzimmer, bevor der Tag um 09.00 Uhr von Martin Gutmann, HSLU Dozent und Co-Leiter des Moduls (zusammen mit Oliver Kessler von der HSLU und Mary Auta und Tineyi Madungwe von der ALU), eröffnet wird.

Das Advisory Board

Extra für den grossen Tag ist das Advisory Board angereist. Es war in die Entwicklung der Fallstudie involviert und beobachtet heute die Studierenden bei ihren Verhandlungen, um ihnen im Nachgang wertvolle Feedbacks und Tipps zu geben. Zugegen sind:

  • Therese Adam
    Ehemalige Schweizer Botschafterin in Mosambik
  • Gemma Aiolfi
    Head of Compliance, Corporate Governance and Collective Action at Basel Institute on Governance
  • Kudzai Bingepinge
    Head Client Solutions bei SwissRe

Lasst die Spiele beginnen

Wir alle wissen, wie schwierig es ist, Win-Win-Situationen zu erreichen. Aber wenn gleich fünf Interessensgruppen involviert sind, wird es noch etwas schwieriger.

Punkt 10.15 Uhr starten die Verhandlungen. Die Stimmung ist noch etwas verhalten, die Stimmen leise. Die Statements scheinen einstudiert. Die Rollen müssen erst noch gefunden werden.

Doch nur 20 Minuten später fühlt man sich wie in einer UNO-Versammlung. Diplomatisch, aber bestimmt wird diskutiert. Wertschätzend gestritten. Alle möchten ihre Standpunkte durchbringen. Werden sie zu einer Lösung kommen?

Es werden Allianzen untereinander geschmiedet. Absprachen getroffen. WhatsApp ist bei den meisten Gruppen offen. Sie schreiben sich Nachrichten, machen Zugeständnisse und versuchen, Vereinbarungen zu treffen.

Auch nach 115 Minuten sind die Verhandlungen noch im Gange. Nur noch fünf Minuten bleiben, um eine Einigung zu finden. Es fehlen noch 175 Millionen für das fiktive Projekt. Jedes Entgegenkommen kostet die Gruppe Punkte, die sie ihrem Verhandlungsmandat entnehmen können. Argumente müssen clever formuliert, Kompromisse gefunden werden. Andernfalls gehen alle Gruppen leer aus. Dann der Durchbruch: In den letzten zehn Sekunden kann man sich einigen. Das Projekt kommt zustande.

Wer kann teilnehmen?

Die ALU musste aus 140 Bewerbungen zehn Personen auswählen, die an der Reise und somit an dieser einzigartigen Projektwoche teilnehmen durften. Die Bewerber:innen verfassten Motivationsschreiben, die ALU führte mit ihnen Interviews durch und prüfte, ob die Projektwoche in den jeweiligen Studiengang der Interessierten passte. Die «best talents» erhielten eine Zusage und durften nach Luzern fliegen.

An der HSLU erfolgte die Auswahl der Studierenden über Motivationsgespräche mit den Bewerber:innen.

Und wer bezahlt?

Eine solche Woche ist ein organisatorischer und finanzieller Kraftakt, der ohne Fremdfinanzierung nicht realisierbar wäre. Um die Finanzierung des Projekts sicherzustellen, suchte Martin Gutmann nach möglichen Finanzierungsquellen. Er wandte sich an verschiedene Industriepartner, speziell an Schweizer Firmen mit Bezug zu Afrika. Nach verschiedenen Gesprächen konnte er Glencore als Sponsorin gewinnen. Ohne inhaltlich Einfluss auf die Projektwoche zu nehmen, finanzierte Glencore die Entwicklung des Moduls sowie die Reise- und Unterbringungskosten der Studierenden der Partneruniversität ALU. SwissRe erklärte sich bereit, ein Mitglied für das Advisory Board zu stellen, und auch die anderen beiden Beiratsmitglieder sagten interessiert zu.

Wir sagen Dankeschön…

Für Joonie, einen Teilnehmer der ALU, verging die Woche viel zu schnell: «Es ging so schnell vorbei. Ich hoffe, dass die Verbindungen, die wir aufgebaut haben, weiter bestehen bleiben», sagt er. Eine HSLU-Studentin ergänzt: «Es hat sich definitiv gelohnt, diese Sommerwoche hier zu verbringen, auch wenn ich manchmal etwas sehnsüchtig Richtung See geschaut habe. Ich habe so viel über Verhandlungsführung, interkulturelle Zusammenarbeit und Nachhaltigkeit gelernt, grossartige Menschen kennengelernt und gleichzeitig schon die ersten ECTS für das nächste Semester gesammelt.» Sie lacht.

Für Oliver Kessler, Co-Leiter des Programms, gehörten die «Reflection Rounds» jeweils am Abend zu den Höhepunkten der Woche. Hier diskutierte die Gruppe verschiedene Blickwinkel auf die Themen Nachhaltigkeit, Zusammenarbeit und Kommunikation. Auch wurden Stereotypen und Vorurteile offen angesprochen und reflektiert.

Kessler war beeindruckt von der Diskussionsbereitschaft und der partizipativen Lehrmethode der ALU-Studierenden: «Ihr Ansatz, durch den Austausch von Ideen und der aktiven Beteiligung an Diskussionen zu lernen, ist bemerkenswert. Nicht nur unsere Studierenden, sondern auch wir als Dozierende konnten viel in Sachen agile Lehrmethoden und Zusammenarbeit lernen.»

…und auf Wiedersehen!

Die Swiss-African Business Case Challenge wird im nächsten Jahr wiederholt. Es ist grossartig, die nächste Generation von Business Leadern vorbereiten zu können, die über die Grenzen von Ländern und Kulturen hinweg denken und handeln.

Mehr entdecken

fh-zentralschweiz