Markt- & Konsumentenpsychologie
Lesezeit 5′ min // Ein Beitrag von Marco Mumprecht
„Fear of Missing Out“, abgekürzt FOMO, bezeichnet die Angst, etwas Wichtiges zu verpassen. Zusammen mit dem Aufkommen von Smartphones und den sozialen Medien, wie Twitter oder Instagram, ist auch diese Angst immer verbreiteter geworden. Auch in der Wirtschaft wird FOMO als Werkzeug genutzt, um Kunden anzulocken und von einem Kauf zu überzeugen. Ein passendes Beispiel dazu ist der „Black Friday“, welcher mit grossen Rabatten verlockt.
Das Konzept von „Fear of Missing Out“ ist an sich nichts Neues. Einen grossen Aufschwung in seiner Verbreitung hat es erhalten, als die allgemeine Bevölkerung begonnen hat, kleine Computer in den Hosentaschen mitzunehmen. Somit haben wir jederzeit Zugriff auf alle möglichen Informationen und stehen in ständigem Kontakt mit der ganzen Welt. Gehört ihr auch zu den Menschen, welche fast zwanghaft vor dem Aufstehen und/oder dem Schlafengehen kurz die neuesten Updates in den sozialen Medien anschauen müssen? Wenn ja, kann dies dazu führen, dass man sich eher unglücklicher fühlt, weil man sein eigenes Leben mit dem anderer vergleicht und nach Zugehörigkeit zu Online-Communities sucht. In den sozialen Medien werden natürlich auch nur die bestmöglichen Inhalte geteilt, um den Schein eines sorgenfreien Lebens aufrechtzuhalten. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass das Gefühl der FOMO über soziale Medien nicht stärker wahrgenommen wird, sondern der Zugang zu den Auslösern einfach vereinfacht (Hobson, 2018). So sind wir genauso traurig darüber, einen Kinofilm verpasst zu haben, wenn ein Kollege persönlich darüber schwärmt, wie wenn wir seinen Beitrag dazu auf Instagram sehen.
Aber auch offline ist die Angst, etwas zu verpassen weit verbreitet. Ein gutes Beispiel wäre die Kaffeepause: Möglicherweise besagt bei Ihnen im Betrieb eine unausgesprochene Regel, dass sich die Kollegen auf Ihrem Stock jeweils um zehn Uhr in der Cafeteria treffen und einen Kaffee zusammen trinken. Nun haben Sie heute sehr viel Dringenderes zu tun und müssten diese Zeit eigentlich besser nutzen, um sie in die Arbeit zu investieren. Machen Sie nun am Abend mögliche Überstunden oder verzichten Sie auf den freundlichen Austausch mit den Kollegen?
Wie wird das Prinzip der FOMO nun im wirtschaftlichen Raum von den Firmen ausgenutzt und instrumentalisiert?
Rabattaktionen, allen voran der «Black Friday», bieten eine gute Veranschaulichung. Am letzten Freitag des Monats November verteilen die meisten Unternehmen oft massive Rabatte auf grosse Teile ihres Sortiments. Mittlerweile scheint aber der eine Tag nicht mehr genug zu sein. Während der ganzen letzten Woche oder teilweise durch den ganzen November hindurch werden grosse Rabatte angeboten. Die meisten Online-Shops verlängern die Vergünstigungen sogar bis zum darauffolgenden Montag, dem «Cyber Monday». Dies erscheint logisch, denn wir lieben einen guten Deal und die positiven Gefühle, die er mit sich bringt. Auch Wörter wie Rabatt oder Schnäppchen erwecken unser Interesse, insbesondere wenn sie noch auf knalligen roten Schildern stehen. In Bezug auf FOMO ist es aber die zeitlich limitierte Offerte, welche uns zu schaffen macht. Der Mensch hat die kognitive Neigung zur sogenannten «Verlustaversion». Diese besagt, dass Verlusten innerlich mehr Gewichtung zugetragen wird als Gewinnen. Ob etwas ein Verlust oder ein Gewinn war, wird vom subjektiven Referenzpunkt festgelegt.
Nun sehen wir beispielsweise eine Jacke, welche uns gut gefällt und gerade reduziert ist. Ist der eigene Referenzpunkt nun der normale Preis und wir kaufen die Jacke während sie noch reduziert ist, haben wir an sich einen Gewinn gemacht. Setzen wir den Referenzpunkt nun auf den reduzierten Preis und kaufen sie erst, als die Rabattaktion vorbei ist, haben wir einen Verlust gemacht, der höher gewichtet wird. Menschen verhalten sich somit in Entscheidungssituationen, und insbesondere bei unsicheren Entscheidungen, oft irrational. Sie kaufen ein, selbst wenn die Notwendigkeit des Produktes nicht besonders hoch ist, um nicht die Reue des Verlustes zu spüren. Diese Erkenntnis steht im starken Kontrast zur Theorie des «Homo oeconomicus», dem wirtschaftlich denkenden Menschen. Dieser zeichnet sich unter anderem dadurch aus, rational zu handeln. Demnach sollten wir nicht einfach nach Lust und Laune einkaufen, sondern alle Investitionen objektiv und kalkuliert angehen. Die Theorie des «Homo oeconomicus» steht aber generell in der Kritik, da komplette Objektivität kaum möglich ist und wir so gut wie nie alle Informationen zu einem Produkt haben.
Aber welche Möglichkeiten gibt es, um die FOMO zu überwinden? Leider hat die Forschung noch keine Lösung hervorgebracht, die Angst komplett zu beseitigen, aber allgemeine Tipps sind vorhanden. Es sollte vor allem mehr im Hier und Jetzt gelebt werden. In den sozialen Medien sollte das eigene Leben nicht mit dem der anderen verglichen werden, denn auf diesen Plattformen zeigen sich alle nur von der besten Seite und negative Dinge werden oftmals vermieden. Wenn möglich, sollte man sich auf die Gewinne konzentrieren und nicht auf die Verluste. Zurück zum Anfangsbeispiel: Vielleicht haben Sie zwar keine Kaffeepause mit Ihren Arbeitskollegen und -kolleginnen gemacht, konnten aber dafür früher nach Hause gehen und noch ein kurzes Gespräch mit den Nachbarn führen.
Wie ist es bei Ihnen? In welcher Situation ist Ihnen die FOMO begegnet und wie haben Sie reagiert?
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Moduls «Kommunikationskompetenz: Mit Bildern und Texten informieren» an der Hochschule Luzern – Wirtschaft.
Marco Mumprecht befindet sich im ersten Jahr seines Bachelorstudiums in Business Psychology an der HSLU. Wichtige Entscheidungsfaktoren für diesen Studiengang waren für ihn, dass die behandelten Module eine gute Grundlage bieten, um sich in diverse Richtungen der Psychologie im wirtschaftlichen Raum spezialisieren und ausweiten zu können. Sein Ziel ist es, nach erfolgreichem Abschluss kreativ im Marketing arbeiten zu können und er ist überzeugt, dass das Studium ihn darauf theoretisch und praktisch bestens vorbereitet.
Kommentare
1 Kommentare
Michael
Gegen Fomo gibt es einfache Strategien. Wozu brauche ich Produkt oder News XY? Woher kommt mein Sendebewusstsein? Wie viele Nachrichten brauche ich wirklich? Wie relevant sind die Nachrichten und welche Emotionen werden damit transportiert? Bei Rabatten bin ich mittlerweile auch ziemlich ruhig geworden. Es wird nur etwas angesehen, was wirklich auf meiner Liste steht. Angefangen hatte es, dass ich ohne Geld einkaufen ging. Somit musste ich zweimal fahren und der Auslösereiz ging ins Leere. Nur wenn ich etwas wirklich notwendig war, lohnte es sich ein zweites Mal. Bei Wissenschaft ist oft das Problem, dass zu kompliziert an Sachverhalte rangegangen wird. Dazu sollen mehrere Menschen verglichen werden, die nicht vergleichbar sind. Den Kulturen, Glauben, Werte, Haltung und Ernährung sind sehr verschieden. Lustig ist es dann, wenn dann Anbieter verzweifelt sind, wenn ich nicht anspringe und sie meine Haltung nicht nachvollziehen können. Erst letztens an der Hotline gehabt, mit Streaming. "Es ist billiger als Original, sie sparen sehr viel Geld". Ich dann, wenn so etwas nicht brauche und lieber in die Natur gehe, spare ich noch mehr. Die Verzweiflung war spürbar.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.