Arbeits- & Organisationspsychologie

Flow für Einsteiger

Flow für Einsteiger
Photo by Andrea Piacquadio from Pexels

Lesezeit 5′ Minuten // Ein Beitrag aus dem Modul «Motivationspsychologie»

Kennen Sie das Gefühl ganz und gar in eine Tätigkeit einzutauchen, die Zeit zu vergessen und in kompletter Konzentration zu versinken? Vielleicht sind Sie diesem Gefühl schon einmal bei der Ausübung Eures Hobbies begegnet – beim Klavier spielen, Zeichen, Klettern oder Tanzen? 

Falls die Antwort auf die oben genannten Fragen „JA“ lautet, dann haben Sie wahrscheinlich Flow erlebt. „Ich bin im Flow“ – was bedeutet das eigentlich? Flow ist einer der erfreulichsten Zustände, der uns hilft kreativer, produktiver und glücklicher zu sein. Im Flow erfreuen wir uns an der Ausübung einer Aktivität und achten nicht auf die Zeit. Auch die Erreichung eines Ziels rückt eher in den Hintergrund – ein wahrer Tätigkeitsrausch.

Diane Allen, Violinistin und Keynote Speakerin beschreibt in Ihrem TEDxTalk, wie sie persönlich in den Flow Zustand findet und diesen aktiv beeinflusst, um dessen ganzes Potential entfalten zu können. 

Losing yourself in flow state | Diane Allen | TEDxNaperville

Die Ursprünge von Flow und wie man ihn findet 

Der ungarische Glücksforscher Mihály Csikszentmihalyi beschäftigte sich in den 70er Jahren eingehend mit der Entstehung von Flow, da dieser Zustand neben Autonomie und Gemeinschaft, Motivation fördert. Fun Fact: Csikszentmihalyi hat sich der Psychologie nach einem Besuch in einem Schweizer Ski Resort gewidmet, wo er einen Vortrag des Schweizer Psychologen Carl Jung gehört hatte. Csikszentmihalyi war beeindruckt von Jung und begann sich intensiver mit seinen Werken zu beschäftigen, bevor sich für ein Psychologie-Studium in den USA entschied. 

Die Fähigkeit, Flow zu erleben, kann von Person zu Person unterschiedlich sein. Csikszentmihalyi beschreibt Personen, welche häufig Flow erleben, als «autotelische Persönlichkeiten». Diese Personen setzen sich selbstbestimmt realistische Ziele, sehen Schwierigkeiten als Herausforderungen an und neigen dazu, Dinge, um ihrer selbst willen zu tun, anstatt von einem äußeren Ziel angetrieben zu werden. Dieser Persönlichkeitstyp zeichnet sich zudem durch höhere Persistenz (d.h. Ausdauer von Verhalten), gesteigerte Lernmotivation und Zufriedenheit sowie einen positiven Selbstwert aus. 

Flow entsteht, wenn folgende Komponenten in der Situation erfüllt werden: 

  1. Optimale Beanspruchung: Sie fühlen sich optimal beansprucht und haben trotz hoher Anforderung das sichere Gefühl, das Geschehen noch gut unter Kontrolle zu haben. Es herrscht eine Balance zwischen Anforderungen und Fähigkeiten auf hohem Niveau. Langeweile oder gar Angst sind ausgeschlossen. 
  2. Klare Handlungsanforderungen und Rückmeldungen: Sie wissen zu jedem Zeitpunkt, ganz intuitiv was der nächste richtige Schritt ist, da Handlungsanforderungen und Rückmeldungen klar und interpretationsfrei erlebt werden. 
  3. Flüssiger Handlungsablauf: Sie haben das Gefühl, das Geschehen wird von einer inneren Logik geleitet, da ein Handlungsschritt flüssig in den Nächsten übergeht. 
  4. Keine willentliche Konzentration: Es kommt zur Ausblendung aller Kognitionen, die nicht unmittelbar auf die jetzige Ausführungsregulation gerichtet sind. Sie müssen sich nicht willentlich konzentrieren, vielmehr kommt die Konzentration von selbst, ganz so wie die Atmung. 
  5. Zeiterleben beeinträchtigt: Im Flow ist das Zeiterleben stark beeinträchtig. Sie vergessen regelrecht die Zeit und wissen nicht, wie lange Sie die Tätigkeit schon ausführen. Stunden vergehen wie Minuten.
  6. Verschmelzung mit der Tätigkeit: Sie erleben sich selbst nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit. Sie gehen vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität auf – das Selbst und die Tätigkeit verschmelzen. Es kommt zum Verlust von Reflexivität und Selbstbewusstheit.

Flow entsteht also generell durch eine Passung der Schwierigkeit, eine klare Zielsetzung, vorhandenes Feedback, eine oft neuartige und ungewohnte Aufgabe, keinen Zeitdruck und keine Störungen durch Telefon oder Mails. 

Angst, Langeweile, Entspannung oder Flow – das 4 Quadranten Flow Modell 

Csikszentmihalyi geht davon aus, dass in folgenden zwei Situationen ein Flow erlebt werden kann: (1.) je höher die Fähigkeit und je schwieriger die Anforderungen und (2.) je niedriger die Fähigkeit und je niedriger die Anforderungen. Dies führt nach dem Flow Quadranten Modell zu vier unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten: Angst, Flow, Langeweile oder Entspannung. 

Menschen sind gelangweilt, wenn die gestellte Aufgabe zu einfach und die Fähigkeit der Person zu niedrig ist. Angst wiederum verspüren Menschen, wenn sie merken, dass die eigenen Fähigkeiten niedrig, jedoch die Anforderungen hoch sind. Menschen entspannen sich, wenn die Anforderungen niedrig sind, sie aber über hohe Fähigkeiten verfügen. Ein Flow Gefühl entsteht bei optimaler Passung d.h. wenn sowohl Anforderung und Fähigkeit zusammenpassen. Haben Sie bereits Flow erlebt? Wenn ja, wann und wo? Schreiben Sie uns gerne einen Kommentar! 

Flow im Arbeitsalltag?

Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten.

Konfuzius

Wer hat diesen Aphorismus noch nicht gehört – aber hat Konfuzius nicht Recht mit seiner Aussage? Gerade für Unternehmen bildet die Flow Theorie eine wichtige Basis für eine optimale Arbeits- und Anforderungsgestaltung. Nichts ist schlimmer als Langeweile am Arbeitsplatz und Angestellte, die nur noch warten, dass die Uhr Feierabend schlägt. Wie Unternehmen diesen Ansatz sinnvoll nutzen können, erfahren Sie in einem späteren Blogbeitrag: Flow für Fortgeschrittene.

Wir hoffen, dieser kleine Exkurs in die Flow Theorie hat Ihnen gefallen und wünschen Ihnen, dass Sie Ihren persönlichen Flow schnell finden.


Referenzen

  • Csikszentmihalyi, Mihaly. (1998). Finding Flow: The Psychology of Engagement With Everyday Life.
  • Mike, O. (2020). 8 Ways To Create Flow According to Mihaly Csikszentmihalyi [+TED Talk]. Retrieved 24 September 2020, from https://positivepsychology.com/mihaly-csikszentmihalyi-father-of-flow/
  • Title Picture by Andrea Piacquadio from Pexels

Informationen zur Autorschaft

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Moduls «Motivationspsychologie» an der Hochschule Luzern. Herzlichen Dank an unsere Autor/innen.

Kommentare

2 Kommentare

Sandro

Sehr spannender Beitrag. Ich habe den Flow auch schon erelebt. Im Sport gibt es diesen Zustand ebenfalls. Man vergisst beim Joggen alles um sich und wenn man wieder "auwacht", ist man einfach zwei Kilometer weiter. Das Schwierige ist, diesen Zustand gezielt hervorzubringen.

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Malik J Palamar

Hallo Sandro Sehr spannend was Du beschreibst. Auch deine Aussage, dass es schwierig sei diesen Zustand hervorzubringen. Ich habe die Flow-Psychologie studiert und anschliessend noch Flow-Coaching draufgesetzt. Wir gehen davon aus dass man seinen Alltag so gestalten kann dass man umgeben ist von den sogenannten Flow-Triggern und dass man gleichzeitig die Flow-Blocker elliminieren soll. Diese sind teilweise individuell und man kann sie durch ganz bestimmte Prozess ausfindig machen. So ist es möglich Flow systematisch zu erfahren bei verschiedenen Tätigkeiten. Zum Schluss noch ein Grundsatz. Flow kommt von Flow, das heisst je öfter man im Flow ist umso leichter fällt es diesen Zustand zu betreten und sogar in den sogennanten Makro-Flow sich zu bewegen. Beste Grüsse Malik J

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