Arbeits- & Organisationspsychologie,

Markt- & Konsumentenpsychologie

Vorsicht Halo-Effekt: Wie unsere Meinungsbildung unbewusst gesteuert wird

Vorsicht Halo-Effekt: Wie unsere Meinungsbildung unbewusst gesteuert wird
Photo by Jonas Ferlin from Pexels

Lesezeit 7′ Minuten // Ein Beitrag von Marina Deiss (Business Psychology Studentin)

Welche der beiden abgebildeten Personen schätzen Sie intelligenter ein? Vermutlich tendieren Sie, wie die meisten Menschen, zur attraktiveren Person auf dem linken Foto. Falls dem so ist, wurden Sie gerade Opfer des Halo-Effekts! Dies ist keineswegs verwunderlich, beeinflusst uns doch dieses Phänomen in vielen Lebensbereichen bei unserer Meinungsbildung. Doch was ist der Halo-Effekt genau?

Vom Computer generiertes Portrait einer weiblichen Person (Quelle: Beautycheck)

Der Halo-Effekt tritt häufig beim ersten Eindruck in Erscheinung. Am stärksten nehmen wir ihn in Bezug auf physische Attraktivität wahr. Wir schreiben attraktiveren Menschen alle möglichen positiven Eigenschaften wie Intelligenz, Sympathie, Geselligkeit, Erfolg, Zufriedenheit, Fleiss und Kreativität zu.

Je unattraktiver wir eine Person wahrnehmen, desto negativer schätzen wir die damit verbundenen Eigenschaften dieser Person ein. Wissenschaftlich konnte aber bereits früh belegt werden, dass zwischen den Eigenschaften, Attraktivität und Intelligenz kein relevanter Zusammenhang hergestellt werden kann. Folglich spielt uns hier unser Gehirn einen Streich.

Der klassische Halo-Effekt

Je positiver wir eine Eigenschaft wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir dieselbe Person auch in anderen Bereichen positiver einschätzen. Der Halo-Effekt ist folglich auch als «Heiligenschein-Effekt» bekannt, da er alle anderen Eigenschaften überstrahlt und die Person folglich in einem guten Licht erscheinen lässt. Nehmen wir eine negative Eigenschaft wahr, verbinden wir weitere negative Aspekte mit dieser Person. Im Umkehrschluss sprechen wir deshalb vom «Teufelshörner-Effekt».

Die überstrahlten Eigenschaften werden beim Halo-Phänomen vernachlässigt oder gänzlich ignoriert, weshalb wir oftmals Zusammenhänge sehen wollen, welche gar nicht gerechtfertigt sind. Es kommt zu einer Fehleinschätzung.

Weitere gängige Ableitungen des Halo Effekts sind beispielsweise:

  • Brillenträger sind klug
  • Übergewichtige sind lustig
  • Grossgewachsene sind selbstbewusst

Der Halo-Effekt wird im Rahmen des Business Psychology Bachelorstudiums in der Vertiefung Markt- und Konsumentenpsychologie an der HSLU gelehrt.

Bachelor of Science in Business Psychology

Mehr Informationen auf der Website der Hochschule Luzern – Wirtschaft

Vorauswahlverfahren bei Bewerbungen

Doch wir treffen den Halo-Effekt nicht nur in der Theorie an, sondern werden in unserem Alltag auch immer wieder mit ihm konfrontiert.

Jeder von Ihnen hat bestimmt schon das eine oder andere Personalauswahlverfahren durchlaufen. Selbst im Rahmen eines professionellen Selektionsprozesses kommt der Halo-Effekt zum Vorschein. So überschätzen Personalverantwortliche attraktive Bewerberinnen und Bewerber bezüglich deren Kompetenzen und Fähigkeiten in Bereichen wie beispielsweise Fachwissen, Sozial- und Methodenkompetenz und unterschätzen diese bei weniger attraktiven Bewerberinnen und Bewerbern.

Die Folge davon ist, dass gutaussehende Kandidatinnen und Kandidaten mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Problematisch daran ist, dass dieser Prozess völlig unbewusst abläuft!

Kaufpräferenzen als Knackpunkt beim Konsum

Die Kaufpräferenzen werden ebenfalls durch den Halo-Effekt gesteuert, womit wir einen Exkurs in die Konsumentenpsychologie (weitere Beiträge in der gleichnamigen Serie) wagen. Als Beispiel verwenden wir Bio-Labels aus der Lebensmittelindustrie.

Ein möglicher Halo-Effekt bei Konsumprodukten – hier anhand einer Packung Bio-Chips (Quelle: Migros)

Eine grossangelegte Studie lud Probandinnen und Probanden ein, verschiedene Produkte wie Chips, Kekse, Brot und Joghurt zu testen. Es gab eine Version als «Bio» und eine andere als «Normal» gekennzeichnet. Anschliessend durften die Testpersonen die Lebensmittel bewerten. Was sie aber nicht wussten, war, dass es sich jeweils um dasselbe Produkt handelte.

Die Mehrheit der Teilnehmenden schätzten die vermeintlichen Bio-Produkte kalorienärmer ein. Weitere Eigenschaften wie ein geringerer Fettanteil und mehr Ballaststoffe wurden ebenfalls aus dem Bio-Label geschlossen. Gleichzeitig löste die Bio-Beschriftung eine höhere Zahlungsbereitschaft bei den Testpersonen aus als bei der herkömmlichen Produktlinie.

Die Studie unterstreicht somit, dass Konsumentinnen und Konsumenten positive Eigenschaften auf der Verpackung automatisch mit anderen positiven Eigenschaften verbinden, jedoch ohne sich näher mit den detaillierten Inhaltsstoffen auseinanderzusetzen. Dies geschieht selbstverständlich auch wieder unbewusst.

Der Halo-Effekt wird somit auch als geschicktes Marketing-Tool zum Preis-Hochtreiben oder Kauf-Anregen genutzt.

Wie können wir dem Halo-Effekt vorbeugen?

1) Sensibilisierung der Wahrnehmung
Wir alle sollten den Halo-Effekt kennen und darauf sensibilisiert und trainiert werden. Anhand von gemachten Erfahrungen und Selbstreflexion kann die eigene Wahrnehmung verbessert und der Halo-Effekt minimiert werden.

2) Beurteilung der einzelnen Merkmale nacheinander
Es empfiehlt sich, Merkmal für Merkmal einzeln zu bewerten. So orientiert sich die beurteilende Person nicht am Gesamteindruck. Eine Lehrperson kann dies beispielsweise tun, indem sie von jeder Studentin und von jedem Studenten jede Aufgabe einzeln korrigiert. So werden besonders positive oder negative Leistungen nicht auf Folgeaufgaben derselben Studentin / desselben Studenten anhand der gemachten Meinung übertragen.

3) Beurteilung durch verschiedene Experten
Verschiedene Beurteilungen helfen, einen Halo-Effekt zu reduzieren. So kann beispielsweise beim Personalauswahlverfahren das Interview zu zweit durchgeführt werden. Noch besser ist das Assessment Center, wo sich verschiedene Beobachter auf einzelne Eigenschaften isoliert konzentrieren.

4) Objektivität
Die Objektivität beim Personalauswahlverfahren kann einerseits durch standardisierte Bewerbungsfragebögen gewährleistet werden. Um das Hauptproblem des Halo-Effekts zu reduzieren, wären Bewerbungen ohne Foto eine geeignete Massnahme.
Im Rahmen der Konsumentenpsychologie empfiehlt es sich, sich nicht vom optischen Augenschein trügen zu lassen und sich detailliert mit Rezepturen und Inhaltsstoffen objektiv auseinander zu setzen.

5) Kein Zeitdruck
Da durch Zeitdruck der Halo-Effekt begünstigt wird, sollte eine Entscheidung nie unter Zeitdruck getroffen werden müssen.

Testen Sie Ihre Wahrnehmung …

Möchten Sie noch mehr über den Halo-Effekt anhand weiterer Alltagssituationen erfahren? Schauen Sie sich folgendes Video an und beobachten Sie die verschiedenen Szenen.

Versuchen Sie nun, noch einmal die Eigenschaften des Halo-Effekts abzurufen und sich selbst in der Situation am Bahnhof oder als beurteilende Person auf der Strasse vorzustellen. Wie wären Sie vorgegangen oder wie wäre Ihre Einschätzung gewesen?

Hat Ihnen der Beitrag gefallen und interessieren Sie sich für die Themen der Wirtschaftspsychologie? Dann ist der BSc in Business Psychology genau das Richtige für Sie! Melden Sie sich hier für die nächste Infoveranstaltung an, um mehr über das Studienprogramm zu erfahren.


Referenzen

  • Asendorpf, J. (2011). Persönlichkeitspsychologie – für Bachelor, (2. überarbeitete und aktualisierte Auflage). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.
  • Beautycheck – Schönheit ist messbar. (2001, März 31). Ergebnisse zur Schönheit des Gesichts. Abgerufen am 8. November 2020 von http://www.beautycheck.de/cmsms/index.php/zusammenfassung.
  • Blickle, G., Nerdinger, F. & Schaper, N. (2014). Arbeits- und Organisationspsychologie, (3. vollständig überarbeitete Auflage). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.
  • Brandenburg, T., Thielsch, M. (2012). Praxis der Wirtschaftspsychologie II – Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung. Greifswald Hansestadt: MV-Verlag.
  • Felser, G. (2015). Werbe- und Konsumentenpsychologie, (4. überarbeitete und vollständig erweiterte Auflage). Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.
  • Kellerer, B. (2017). Halo-Effekt – Halten wir attraktive Menschen für intelligenter? München: FOM Hochschule für Ökonomie & Management.
  • Kniffin, K., Lee, W., Shimitsu, M. & Wansink, B. (2013). You taste what you see: Do organic labels bias taste perceptions? Food quality and Preference. 29, (1), S. 33-39.
  • Rietiker, K., Werkmann, B. (2010). Angewandte Psychologie für das Human Resource Management. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.
  • Thorndike, E. (1920). A constant error in psychological rating. Journal of Applied Psychology. 4, S. 25–29.
  • Cover Image by Jonas Ferlin from Pixels

Informationen zur Autorin

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Moduls «Kommunikationskompetenz: Mit Texten und Bildern informieren» an der Hochschule Luzern – Wirtschaft.

Marina Deiss studiert derzeit im BSc Business Psychology im dritten Semester an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. 

Kommentare

4 Kommentare

MaryJane von Rohr

Sehr interessanter und verständlich geschriebener Bericht. Ich habe viel dazugelernt und versuche es in Zukunft umzusetzen.

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Isabelle

Ein sehr interessanter und gut geschriebener Beitrag – hat mir gefallen! ??

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J. Jakes

Sehr schlüssige, nachvollziehbare Beschreibung und Erläuterung Gut gemacht, bravo!

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Leide Santos

Gratuliere! Dies ist ein sehr interessanter Beitrag über den Halo-Effekt. ?

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