Arbeits- & Organisationspsychologie,
Lesezeit 5 min // Ein Beitrag von Rabea Heinzmann
Der Dezember hat für viele eine besondere Dynamik. Während überall die Lichter glitzern, sich Familien versammeln und das Jahr langsam ausklingt, befinden sich viele Studierende inmitten der intensivsten Lernphase. Prüfungen stehen bevor, Deadlines häufen sich – und zwischen Weihnachtsessen, familiären Erwartungen und festlicher Stimmung entsteht ein Spannungsfeld, das sich kaum in einen normalen Lernrhythmus übersetzen lässt. Warum fühlt sich der Dezember für Studierende oft so „unsynchron“ an? Und wie gelingt es, trotz Feiertagschaos fokussiert zu bleiben, ohne die Besinnlichkeit zu verlieren?
Verschiedene psychologische Prozesse erklären, weshalb der Dezember besonderen Stress erzeugt. Einer der wichtigsten ist die Selbstregulation – unsere Fähigkeit, Verhalten zu steuern und langfristige Ziele im Blick zu behalten. Baumeister et al. (1998) fanden, dass anhaltende Anforderungen an die Selbstkontrolle deren Leistungsfähigkeit vorübergehend vermindern können; die hohe Dichte an Prüfungen und Verpflichtungen zum Semesterende kann daher dazu führen, dass die Selbstregulationsressourcen vieler Studierender bereits stark beansprucht sind.
Nach der Cognitive Load Theory (Sweller, 1988) beeinträchtigt eine Überlastung des Arbeitsgedächtnisses durch zusätzliche Reize oder Aufgaben die Lernleistung; typische Feiertagssituationen mit vielen gleichzeitigen Anforderungen können eine solche Überlastung begünstigen.
Im Dezember kommt es bei vielen Studierenden zu Rollenkonflikten: Feiertage aktivieren familiäre und soziale Erwartungen, während gleichzeitig akademische Anforderungen wie Prüfungen und Abschlussarbeiten anstehen. In der Role-Conflict-Forschung (vgl. Kahn et al., 1964) gelten solche widersprüchlichen Rollenerwartungen als bedeutsame Stressoren, die zielgerichtetes Handeln und konzentriertes Lernen erschweren können.
Schliesslich ist Dezember auch ein Monat der Rückschau. Forschungen zu Jahresendreflexionen zeigen, dass Menschen verstärkt auf Erreichtes und Unerreichtes blicken, was wiederum Leistungsdruck auslösen kann (Peetz & Wilson, 2008).
Gegen Ende eines Semesters kumulieren mentale Erschöpfung, offene Aufgaben, Gruppenarbeiten, Prüfungsdruck und Zukunftsfragen. Dies kann die Selbstkontroll‑ und Regulierungskapazitäten stark beanspruchen und im Sinne der Ego Depletion zu einer vorübergehenden Verringerung der Fähigkeit führen, Aufmerksamkeit zu steuern, Impulse zu kontrollieren und Lernziele konsequent zu verfolgen (Baumeister et al. 1998).
Parallel dazu verändern Feiertage den Alltag: Reisen, Besuche und familiäre Routinen unterbrechen gewohnte Lernstrukturen und erschweren eine kontinuierliche Planung der Prüfungsphase.
Auch Gedächtnisprozesse spielen in dieser Phase eine wichtige Rolle: Konsolidierungsforschung zeigt, dass das Gehirn Phasen reduzierter Beanspruchung benötigt, um neu gelernte Inhalte langfristig zu verankern (vgl. Wixted, 2004). Wenn Studierende im Dezember ohne klare Tagesstruktur zwischen sozialen Verpflichtungen und Lerneinheiten wechseln, besteht die Gefahr, dass genau diese gezielten, ruhigen Erholungs‑ und Konsolidierungsphasen zu kurz kommen.
Perfekt geplante Lernwochen scheitern im Dezember oft. Deutlich besser funktionieren flexible Mikro-Pläne. Sie reduzieren Stress, erhöhen die Umsetzbarkeit und passen sich besser an den Feiertagsstrukturen an.
Eine gute Lernumgebung muss nicht perfekt sein – sie muss wiederholbar sein. Das bewusste Reduzieren von Ablenkungen senkt die extraneous cognitive load (Sweller, 1988).
Hilfreiche Mikro-Rituale:
Rollenkonflikte entstehen häufig, weil Studierende versuchen, allen Erwartungen gleichzeitig gerecht zu werden. Grenzen zu setzen ist eine Form der Selbstfürsorge und eng mit Selbstwirksamkeit verbunden. Kahn et al. (1964) zeigen, dass klare Rollenabgrenzung Stress signifikant reduziert.
Kurze Formulierungen helfen:
Prokrastination ist nicht Faulheit, sondern eine Emotionsregulationsstrategie (Sirois & Pychyl, 2013). Kleine Einstiege senken die emotionale Barriere, besonders im festlichen Umfeld.
Hilfreich sind:
Erholung ist nicht der Feind der Produktivität, sondern ihre Voraussetzung. Pausen fördern Gedächtniskonsolidierung (Wixted, 2004), emotionales Gleichgewicht und Motivation.
Wirksame Kurzpausen:

Der Dezember wird selten der perfekte Lernmonat sein. Aber er kann eine gute Gelegenheit sein, das eigene Tempo zwischen Lernen und Erholung bewusst zu gestalten. Er lädt dazu ein, auszuprobieren, wie sich Lernphasen und freie Zeit so kombinieren lassen, dass sie sich stimmig und machbar anfühlen. Mit realistischen Erwartungen, psychologischer Selbstkenntnis und ein wenig Struktur lassen sich Prüfungen und Feiertage gut miteinander verbinden. Entscheidend ist weniger, wie perfekt du lernst, sondern mehr wie klug und nachhaltig du deine Energie einsetzt.
Referenzen

Rabea Heinzmann
Rabea Heinzmann studiert im Master Business Psychology an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Sie interessiert sich besonders für Themen an der Schnittstelle von Psychologie, Kommunikation und Wirtschaft, zum Beispiel wie Verhalten, Wahrnehmung und Emotionen Marketingstrategien und Entscheidungsprozesse beeinflussen. Zudem arbeitet sie als studentische Hilfsassistierende im BSc Business Psychologie.
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