31. Oktober 2025
 
								Von Prof. Dr. Markus Gisler und Prof. Dr. Ulrich Egle
Digitale Transformation. Künstliche Intelligenz. Intelligente Automatisierung. CFOs und Führungskräfte im Finanzbereich werden täglich mit diesen Begriffen konfrontiert. Der Hype ist gross, doch die praktischen, umsetzbaren Erkenntnisse gehen oft im Lärm der Buzzwords unter. Man hat das Gefühl, den Anschluss zu verpassen, wenn man nicht sofort auf den neuesten Technologiezug aufspringt, aber die Frage bleibt: Wo fängt man an? Was ist wirklich wichtig, jenseits der Hochglanzpräsentationen?
Wenn Sie nach klaren, praxiserprobten Strategien suchen, die den Unterschied zwischen einem gescheiterten Digitalisierungsprojekt und einer erfolgreichen Transformation ausmachen, sind Sie hier richtig. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Lektionen zusammen, die führende Finanz- und Digitalisierungsexperten, darunter viele CFOs von kleinen, mittelgrosse und grossen Schweizer Unternehmen im Rahmen von Fachvorträgen in der Weiterbildung Digital CFO am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern – Wirtschaft (HSLU) geteilt haben. Hier finden Sie keine Buzzwords, sondern Wissen und Erfahrungen aus der Praxis praxiserprobte Weisheiten, die Ihnen helfen, die Weichen für die Zukunft Ihrer Finanzabteilung richtig zu stellen.
1. Die grösste Hürde ist nicht die Technologie, sondern der Mensch
Der grösste Trugschluss bei der digitalen Transformation ist die Annahme, es handle sich primär um ein Technologieprojekt. Die erfahrenen Experten sind sich einig: Der Fokus muss auf den Menschen liegen. Technologie kann man kaufen, eine lern- und veränderungsbereite Kultur muss man aufbauen.
Die Implementierung neuer Software ist oft der einfachste Teil. Die eigentliche Herausforderung liegt im Change-Management. Die grössten Hürden sind die menschlichen Ängste: die Angst vor dem Jobverlust durch Automatisierung, der Kontrollverlust über bekannte Prozesse oder die generelle Resistenz gegenüber Veränderungen. Diese Sorgen zu ignorieren, ist ein Garant für das Scheitern.
Deshalb ist ein «Growth Mindset» entscheidend für den Erfolg. Es braucht eine Kultur, in der die Bereitschaft zu lernen, zu experimentieren und sich anzupassen, im Vordergrund steht. Denn letztendlich geht es darum, die Mitarbeitenden zu befähigen und zu inspirieren, die neuen Werkzeuge sinnvoll zu nutzen und die Transformation aktiv mitzugestalten.
Bei Transformation geht es um Menschen, daher braucht es einen strukturierten Change Management Ansatz.
2. Vergessen Sie den «Big Bang»: Echte Erfolge beginnen mit kleinen, schnellen Siegen
Der Impuls, eine Transformation mit einem grossen, allumfassenden Mammutprojekt zu starten, ist verständlich, aber gefährlich. Die Praxis zeigt, dass ein anderer Ansatz weitaus erfolgreicher ist: die Strategie der schnellen, sichtbaren Erfolge («Quick Wins»).
Diese «Quick Wins» bauen Vertrauen im und ins Management auf, demonstrieren den Wert der Initiative und sichern die Unterstützung für weitere, grössere Investitionen. Oft sind dafür nicht einmal neue Technologien nötig. Wie ein CFO anmerkt, können einfache Mitarbeiterschulungen im Umgang mit bereits bestehender Software erste signifikante Effizienzgewinne bringen.
Die Priorität sollte daher auf Projekten mit geringer Schwierigkeit und schneller Umsetzbarkeit liegen. Ein iterativer Ansatz, bei dem man akzeptiert, dass von drei gestarteten Ideen vielleicht nur eine zum vollen Erfolg wird, fördert die Innovationskraft und minimiert das Risiko. Dieser Ansatz baut Momentum auf und demonstriert schnell den konkreten Nutzen der Transformation, anstatt auf ferne, ungewisse Ergebnisse zu hoffen.
Es ist wichtig, möglichst schnell erste Erfolgsstorys vermelden zu können. Projekte, die mit wenig Aufwand kurzfristige Effizienzsteigerungen/ Kosteneinsparungen versprechen, sollten zuerst angegangen werden.
3. Ihre Daten sind wie ein WG-Kühlschrank – räumen Sie auf, bevor Sie kochen
Daten in vielen Unternehmen sind wie ein gemeinschaftlicher Kühlschrank in einer WG. Er ist randvoll, aber niemand weiss genau, was drin ist, wem es gehört, ob es noch gut ist oder woher es stammt. Bevor man mit diesen Zutaten ein Gourmet-Menü (z.B. eine KI-Analyse) zubereiten kann, muss man aufräumen.
Diese Analogie beschreibt perfekt die Notwendigkeit von Data Governance als Fundament jeder erfolgreichen Digitalisierung. Ohne eine klare Ordnung – ein Inventar, definierte Verantwortlichkeiten («Ownership») und klare Regeln – verbringen Mitarbeiterende 50-70% ihrer Zeit mit dem Suchen, Zusammentragen und Aufbereiten von Daten. Zeit, die für wertschöpfende Analysen fehlt. Viele CFOs bestätigen dies und identifizieren fragmentierte Systemlandschaften und mangelnde Datenharmonisierung als zentrale Herausforderungen.
Das Ziel muss eine «Single Source of Truth» sein – eine einzige, verlässliche Datenquelle, die Vertrauen schafft und als Grundlage für alle Analysen dient. Diese «langweilige» Grundlagenarbeit wird oft übersehen, ist aber der entscheidende Hebel, um das Potenzial von fortschrittlicher Analytik und künstlicher Intelligenz überhaupt erst freizusetzen.
4. Einen schlechten Prozess zu automatisieren, macht Sie nur schneller schlecht
Der Drang, schnell eine technische Lösung zu implementieren, um einen ineffizienten Prozess zu «reparieren», ist gross. Davor warnen Experten jedoch eindringlich.
Jeder erfolgreichen Automatisierung geht eine gründliche Analyse und Vereinfachung des bestehenden Prozesses voraus. Bevor eine Technologie ausgewählt wird, muss der Prozess selbst optimiert werden. Es lässt sich treffend unterscheiden zwischen «konzeptioneller Automatisierung» – dem Neudenken von Prozessen und Steuerungslogiken – und «direkter Automatisierung» durch Tools wie RPA. Ersteres ist die unverzichtbare Grundlage für Letzteres.
Dieser Punkt ist so wichtig, weil er kontraintuitiv sein kann. Die Verlockung einer schnellen technischen Lösung ist gross. Doch ohne ein solides Prozessfundament führt dieser Weg oft nicht zu mehr Effizienz, sondern zu digitalisiertem Chaos, das noch schwieriger zu beherrschen ist.
5. Nachhaltigkeit ist kein Nebenschauplatz mehr, sondern Ihr nächster Wettbewerbsvorteil
Für lange Zeit wurde Nachhaltigkeit (ESG) in vielen Finanzabteilungen als reines Compliance-Thema oder «weicher» Faktor abgetan. Diese Zeiten sind vorbei. ESG ist fest in der Finanz- und Strategiewelt angekommen und entwickelt sich zu einem harten Wettbewerbsvorteil.
Die Rolle des CFO ist es hierbei, ESG fest in die Finanzstrategie zu integrieren und den Wertbeitrag messbar zu machen. Das erfordert die umfassenden ESG-Daten mit geeigneten Tools zu erfassen, aufzubereiten und zu analysieren.
Gleichzeitig wächst der regulatorische Druck massiv. Die EU-Richtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) hebt die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die gleiche Stufe wie die Finanzberichterstattung. In vielen Finanzabteilungen werden Nachhaltigkeitsaspekte bereits direkt in zentrale Controlling-Prozesse wie Investitionsrechnungen integriert. ESG ist keine separate Übung mehr, sondern ein integraler Bestandteil der finanziellen Steuerung und der strategischen Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Schlussfolgerung: Ein Marathon, kein Sprint
Die Lektionen der Experteninnen und Experten zeichnen ein klares Bild: Erfolgreiche digitale Transformation der Finanzorganisation und des gesamten Unternehmens ist ein ganzheitliches Unterfangen, das weit über die blosse Implementierung von Technologie hinausgeht. Es ist eine Reise, die eine klare Strategie, die richtigen Leute und eine solide Daten- und Prozessgrundlage erfordert.
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