21. November 2025
Medienmitteilung, Raiffeisen Schweiz , 06.11.2025:
Geopolitische Spannungen und Handelskonflikte prägen das wirtschaftliche Umfeld stärker denn je. Doch Schweizer Unternehmen zeigen sich resilient und ergreifen die Initiative. Eine Mehrheit der grösseren Firmen sieht darin sogar neue Chancen. Das zeigt die zweite Ausgabe des «Chancenreport Schweiz», eine gemeinsame Studie von Raiffeisen Schweiz und dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern (HSLU). Rund 60 Prozent der Schweizer Unternehmen erkennt im fragilen Umfeld und den Handelskonflikten Chancen, etwa durch die Erschliessung neuer Geschäftsfelder und Investitionen in Zukunftsfelder. Gleichzeitig ziehen aber auch mehr Befragte als im Vorjahr einen Personalabbau in Erwägung, um sich auf mögliche Abschwünge vorzubereiten.
Gegenüber dem Vorjahr zeigt der «Chancenreport Schweiz 2026» drei zentrale Entwicklungen: Erstens wird künstliche Intelligenz (KI) nicht mehr als Zukunftsvision, sondern als reale strategische Chance wahrgenommen. Über 60 Prozent der Unternehmen sehen in KI eine grosse oder sehr grosse Chance für ihr Geschäftsmodell, was ein Anstieg von 5,3 Prozentpunkte gegenüber 2025 (56,6 Prozent) ist. Gleichzeitig erachten nur gerade 1,3 Prozent KI als Risiko, ein deutlicher Indikator dafür, dass KI in der Unternehmenspraxis angekommen ist und als konkreter Hebel für mehr Wettbewerbsfähigkeit gilt.
Zweitens sehen die Unternehmen staatliche Eingriffe mit deutlicher Skepsis. Im Jahr 2026 bewerten 55,1 Prozent der Unternehmen staatliche Eingriffe als hohes oder sehr hohes Risiko. Dennoch besteht ein klarer Wunsch nach gezielten Massnahmen: 64,1 Prozent der Befragten wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen, 62,5 Prozent befürworten eine engere Anbindung an die EU, um stabile Rahmenbedingungen zu sichern.
Drittens verliert das Thema Nachhaltigkeit gegenüber dem Vorjahr an Relevanz. Nur noch 8,9 Prozent der Unternehmen sehen darin eine sehr grosse Chance. Gleichzeitig steigt die Risikowahrnehmung deutlich. Mittlerweile sieht rund ein Viertel der Befragten mehr Risiken als Chancen in diesem Bereich, was vor allem auf die zunehmende Bürokratie rund um ESG-Regulierungen zurückzuführen sein dürfte. Stattdessen rückt der Fokus stärker auf Effizienz, Digitalisierung und die Entwicklung von Fachkräften, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen der US-Zölle zeichnet die Studie ein differenziertes Bild: 40,6 Prozent der Unternehmen erwarten keine Einbussen aufgrund des neue Zollregimes. 37,5 Prozent rechnen mit einem geringfügigen Umsatzrückgang im Bereich von einem bis fünf Prozent. Besonders grössere Unternehmen reagieren flexibel, sie diversifizieren ihre Märkte, passen Lieferketten an und nutzen die geopolitischen Verschiebungen strategisch. Gleichzeitig sehen viele Firmen auch Opportunitäten: 29,7 Prozent geben an, dass sie verstärkt von ihrer Reputation als verlässlicher Partner profitieren. 25,9 Prozent gewinnen neue Kundinnen und Kunden durch die gezielte Diversifikation von Lieferketten und 15 Prozent nutzen entstehende Marktlücken strategisch.
«Es ist bemerkenswert, mit welcher Flexibilität und Widerstandskraft Schweizer Unternehmen auf schwierige Situationen reagieren und wie sie den gegenwärtigen Unsicherheiten mit strategischer Weitsicht begegnen und diese als Treiber für Innovation und Differenzierung nutzen», so Philippe Obrist, Leiter Firmenkunden von Raiffeisen Schweiz.
62,5 Prozent der Befragten sprechen sich vor diesem Hintergrund für eine stärkere Annäherung der Schweiz an die EU aus, um die starke wirtschaftliche Bedeutung Europas abzusichern. Aber der Blick wird auch auf neue Wachstumsmärkte gerichtet: Insbesondere Indien und die Region Asien/Pazifik werden als relevante Märkte genannt, allerdings mit weitem Abstand zur EU. 64,1 Prozent wünschen sich neue oder erweiterte Freihandelsabkommen.
«Die Botschaft der Unternehmen ist eindeutig: Sie wollen Planungssicherheit, stabile Beziehungen und weniger Regulierung, statt mehr staatliche Eingriffe», sagt Prof. Dr. Stefan Behringer, Leiter des Competence Center Controlling am IFZ.
Im Vergleich zur Vorjahresstudie wurden erstmals auch Unternehmen aus der Westschweiz in die Befragung miteinbezogen. Dabei zeigen sich klare regionale Unterschiede: Beispielsweise fallen regulatorische Hürden nur bei 55 Prozent der Unternehmen in der französischsprachigen Schweiz ins Gewicht, während es im gesamtschweizerischen Durchschnitt mehr als 65 Prozent sind. In ihrer Investitionsstrategie setzen Unternehmen in der Romandie stärker auf Forschung und Entwicklung (37,5 Prozent vs. 26,9 Prozent gesamt) sowie auf grüne Technologien (25 Prozent vs. 15,6 Prozent gesamt). Dagegen wird die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften seltener priorisiert (27,5 Prozent vs. 38,4 Prozent gesamt). Insgesamt zeigt sich also, dass Westschweizer Unternehmen stärker auf technologische Innovation und nachhaltige Lösungen setzen als der gesamtschweizerische Durchschnitt.
Über den Chancenreport Schweiz
Der «Chancenreport Schweiz 2026» ist die zweite Ausgabe der jährlichen Unternehmensbefragung von Raiffeisen Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern (HSLU). Für den Chancenreport 2026 wurden zwischen August und September 2025 insgesamt 320 Führungskräfte von
mittelgrossen und grossen Schweizer Unternehmen befragt. Ein Fünftel der Befragten ist in Unternehmen mit einem Umsatz von über 500 Millionen Franken tätig und über 40 Prozent beschäftigen mehr als 250 Mitarbeitende. Die Studie wird jährlich durchgeführt mit dem Ziel, die Chancen, Risiken und politischen Erwartungen der Schweizer
Wirtschaft sichtbar zu machen und Trends frühzeitig zu erkennen.
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