27. Oktober 2017

Risikomanagement

Ein paar Gedanken über den Mythos «Risikokultur und effektives Risk Management»

Ein paar Gedanken über den Mythos «Risikokultur und effektives Risk Management»

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von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Professor für Enterprise Risk Management und Internal Control am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ

Wir lesen und hören viel über die Risikokultur von Organisationen. Sie soll sich verbessern, damit sei ein wichtiger Schritt zu einem effektiven Risikomanagement gemacht. Nun was macht eine gute Risikokultur aus? Studien dazu gibt es viele; dieses «Element» wird gerne abgefragt und auf akademischer Ebene breit ausdiskutiert. So sollen etwa eine offene und konstruktive Kommunikationskultur und ein konstruktiver Umgang mit Konflikten eine gesunde Basis für ein effektives Risk Management sein.

Schlechtere Risikokultur wird einem Unternehmen dann attestiert, falls das Risk Management einem Inseldasein fröne – sozusagen Selbstzweck sei – und es in der Organisation nicht «leben» würde. Risikokultur wird meist als Führungsaufgabe verstanden, die es aktiv zu fördern gilt. Mit dieser Führungsaufgabe ist dann auch die Herausforderung verbunden, alle Mitarbeitenden selbst zu «Mini-Risikomanager» zu machen. Die Organisationsdurchdringung von Risk Management wird zum Gradmesser einer guten Risikokultur hochsterilisiert.

Das tönt auf den ersten Blick grundsätzlich vernünftig. Aber korreliert eine so verstandene Risikokultur tatsächlich positiv mit der Wirksamkeit von Risk Management? Die Antwort lautet vielleicht überraschenderweise nein. Treten wir einen Schritt zurück und überlegen uns, was denn die grundsätzlichen Ziele eines modernen Risk Management («Enterprise Risk Management») sind. Eines davon ist die Integration in Entscheidungsprozesse. Risk Management kann nur dann wirksam ein, wenn es risiko- und chancenrelevante Informationen liefert, die Entscheidungsprozesse unterstützen. Risk Management macht die Unsicherheit von Entscheidungen sichtbar. Die Zukunft ist bekannter Weise volatil, unsicher, komplex und vieldeutig. Risk Management transformiert diese Adjektive gewissenermassen in bewertete Szenarien, die für Entscheider relevant sein können. In vielen Unternehmen wird genau dieses wertschaffende Potential (Unsicherheit zeigen und im besten Fall reduzieren) von Risk Management nicht ausgeschöpft. Zu traditionell und zu operativ ist das Verständnis von Risk Management oft noch in der Praxis – und leider auch in der Lehre: Risikominimierung auf operativer und versicherbarer Ebene steht im Vordergrund, die Verbindung mit der strategischen Unternehmensführung ist meist nicht vorhanden.

Kommen wir nun aber wieder auf das Thema Risikokultur zurück. Wir müssen sie also neu definieren bzw. zumindest eine relevante Dimension hinzufügen, damit sie tatsächlich ein valider Gradmesser für effektives Risk Management sein kann: Je stärker Risk Management in die Entscheidungsprozesse integriert ist, desto besser ist die Risikokultur. Und umgekehrt. Wenn das nicht gegeben ist, sind auch alle anderen Elemente «guter Risikokultur», über die viel geschrieben und diskutiert werden, eigentlich irrelevant.

Ob und wie Risk Management in Schweizer Unternehmen tatsächlich in Entscheidungsprozesse bzw. in die Unternehmensstrategie integriert ist, darüber wird am nächsten Enterprise Risk Summit 2017 am IFZ in Zug diskutiert. Einige wenige Plätze sind noch verfügbar.

Die systematische Entwicklung und Beurteilung guter Risikokultur ist zudem ein wichtiger Eckpunkt im Curriculum des Diplom- und Masterstudiums (DAS/MAS) in Risk Management der Hochschule Luzern.

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