19. April 2018
Von Prof. Dr. Marco Passardi, Dozenten und Projektleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ
Die Bewertungsregeln für Schweizer Banken entsprechen in weiten Teilen den allgemeinen Bewertungsregeln, die das Obligationenrecht (OR) in den Artikeln 960 ff. vorgibt. Das Prinzip der vorsichtigen Bewertung ist in Artikel 960 Absatz 2 OR verankert. Die Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat im FINMA-Rundschreiben 2015/1 Rechnungslegung für Banken (RVB) dieses weiter präzisiert.
Die für Banken anwendbaren Randziffern 23 bis 25 RVB führen das Vorsichtsprinzip weiter aus. Es darf kein zu optimistisches Bild der wirtschaftlichen Lage gezeichnet werden. Besteht in Bezug auf die Wertung oder Risikoeinschätzung eine Unsicherheit, ist der vorsichtigere Wert anzuwenden, falls zwei oder mehrere sachlich begründete Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Bestehen Anzeichen für eine Wertbeeinträchtigung von Aktiven oder für zu tiefe Rückstellungen, verlangt Artikel 960 Absatz 3 OR eine Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung der Werte.
Dieses Grundprinzip gilt grundsätzlich auch für Banken. Aufbauend auf den allgemeinen Bewertungsvorgaben des OR wurden die Regeln für Banken detaillierter definiert, da die Bildung von angemessenen Wertberichtigungen und Rückstellungen ein zentrales Anliegen des Risikomanagements und des Gläubigerschutzes ist.
Grundsätzlich wird im deutschen, vom Vorsichtsprinzip gekennzeichneten Handelsrecht (HGB) zwischen verpflichtender und freiwilliger Wertminderung von finanziellen Vermögenswerten differenziert. Prinzipiell mit ihren fortgeführten Anschaffungskosten zu bewertende Forderungen gegenüber Kunden, Forderungen gegenüber Banken und Wertpapiere der Liquiditätsreserve („Bewertungsbasis“) werden dem Umlaufvermögen zugerechnet und unterliegen in Folgeperioden dem strengen Niederstwertprinzip. Sie sind dann ausserplanmäßig abzuschreiben, wenn am Abschlussstichtag ein niedrigerer Marktpreis oder Börsenwert vorliegt. Gegen notleidende, konkret ausfallgefährdete Forderungen müssen Einzelwertberichtigungen (EWB), gegen anmerkungsbedürftige, lediglich latent laborierende Forderungen Pauschalwertberichtigungen (PWB) gebildet werden.
Aufgrund des in IFRS neuen Expected-Credit-Loss-Modells hat die internationale Rechnungslegung heute eine völlig neue Richtung eingeschlagen hat. Damit geht eine noch stärkere Abkopplung vom deutschen und Schweizer Handelsrecht einher, die früher oder später regulativ vermutlich auch zu nationalen Anpassungen führen dürfte.
Ein detaillierterer Vergleich der Vorschriften sowie Konklusionen für die Praxis finden sich hier im Beitrag von Prof. Dr. Michael Torben Menk, Prof. Dr. Marco Passardi und Florian Neitzert. Der Beitrag ist im Jahrbuch des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung im März 2018 erschienen.
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