28. März 2019
Business Intelligence / Analytics,
von Prof. Dr. Stefan Hunziker, Professor für Enterprise Risk Management und Internal Control, und Marcel Fallegger, Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ
Fokussiert sich Ihr Unternehmen auf die richtigen Risiken? Und schätzen Ihre Entscheidungsträger diese so ein, wie sie in Wirklichkeit sind? Diese Fragen gehören zum modernen Enterprise Risk Management (ERM). Dessen Aktivitäten sind nämlich anfällig für kognitive und gruppenspezifische Verzerrungseffekte. Welche dieser Verzerrungen Risk Manager verstehen müssen und wie sich diese in der Praxis effektiv reduzieren lassen, diskutiert eine zehnteilige Blogserie.
Entscheidungsträger stützen sich bei Risikoabwägungen oft auf eine Kombination aus Daten, Wissen und Erfahrung. Ob bewusst oder nicht, verlässt sich unser Gehirn dabei auf unbewusste psychologische Vorurteile. Letztere beeinflussen die Risikobeurteilung und haben damit wesentliche Auswirkungen auf die Erstellung und Abschätzung von Risikoszenarien. Verzerrte Szenarien können dazu führen, dass suboptimale oder gar fatale Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden.
In der heutigen VUCA-Welt stellen solche Verzerrungseffekte, wenn sie nicht aktiv gesteuert werden, selbst ein Risiko für Unternehmen dar. Im Rahmen dieser Blogserie stellen wir 10 für das ERM zentrale kognitive und gruppenspezifische Verzerrungen dar. Im vierten Teil geht es um den Konjunktionseffekt.
Was wird unter dem Konjunktionseffekt verstanden?
Der Konjunktionseffekt im Risk Management wird so definiert: Menschen stufen das gleichzeitige Eintreten zweier Risiken fälschlicherweise wahrscheinlicher ein als das Auftreten eines der beiden Risiken. Ein Konjunktionsfehler entsteht also, wenn wir einem Risikoereignis mit grösserer Spezifität eine höhere Wahrscheinlichkeit zuweisen. Dies verstösst grundsätzlich gegen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.
Zum Beispiel könnte im Unternehmen das Gerücht entstehen, dass die Budgets bald gekürzt werden und dass eine Führungskraft in unserer Abteilung erwägt, das Unternehmen zu verlassen. Wir halten eigentlich jedes dieser Ereignisse für wenig wahrscheinlich – vielleicht eine 33-prozentige Chance für Budgetkürzungen und eine 25-prozentige Chance, dass die Führungskraft ausscheidet. Aber wenn wir beide Gerüchte gleichzeitig hören, ist unsere Intuition, dass beide Ereignisse passieren werden, ziemlich hoch – vielleicht 50 Prozent oder mehr.
Wie lässt sich dem Konjunktionseffekt gegenwirken?
Um den Konjunktionseffekt zu reduzieren, sollten Risk Manager die Logik der gemeinsamen Wahrscheinlichkeiten mit Venn-Diagrammen veranschaulichen und den Teilnehmenden von Risikoworkshops oder Interviews konkrete Beispiele liefern. Die Mitarbeitenden müssen die Verzerrung und ihre Relevanz für die Entscheidungsfindung verstehen. Ein weiterer Ansatz besteht darin, die Wahrscheinlichkeit von zwei Ereignissen getrennt zu bewerten und dann die bedingte Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses zu schätzen, wenn das andere Ereignis eintritt.
Wenn ein Unternehmen vor wichtigen Entscheidungen steht, die mehrere, voneinander abhängige Risikoszenarien beinhalten, ist es zudem hilfreich, die Wahrscheinlichkeiten dieser Szenarien mit Experten innerhalb und ausserhalb des Unternehmens zu diskutieren. Schliesslich hat es sich als hilfreich herausgestellt, anstelle von Wahrscheinlichkeiten (Prozentwerten) mit Auftretenshäufigkeiten zu argumentieren. Dies verhindert die Bildung von unzulässigen Konjunktions-Wahrscheinlichkeiten auf einfache Art und Weise.
Wo finde ich weitere Informationen zum Konjunktionseffekt?
Eine umfassende Auseinandersetzung mit den wichtigsten Verzerrungseffekten im Risk Management wird zudem im Lehrbuch Enterprise Risk Management – Balancing Risk and Reward von Prof. Dr. Stefan Hunziker im Herbst 2019 bei Springer Gabler erscheinen.
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