6. Oktober 2023
Nach wie vor veröffentlichen Unternehmen wohlmeinende Verhaltenskodizes, gefolgt von Onlinetrainings, die kaum Wirkung auf das Verhalten der Mitarbeitenden und des Managements haben. So kommt es trotz etablierter Compliance-Management-Systeme immer wieder zu Fehlverhalten in Unternehmen. Mit der Thematik, wie Unternehmen strategisch vorgehen können, um ein erfolgreiches, wertebasiertes Compliance- und Integritätsmanagement zu erreichen, setzt sich Rechtsanwältin Dr. Rita Pikó in ihrem Workshop während der Integrity Europe Konferenz auseinander.
Möglicherweise ist der Weg nicht immer einfach und bedarf konsequenter Entscheidungen, die unbequem sind, dafür aber Wirkungen zeigen.
Welches Fehlverhalten liegt im Unternehmen vor? An welchem Standort oder in welcher Abteilung gibt es vermehrt Fehlverhalten? Wie ist dort die Unternehmenskultur? Ist sie möglicherweise toxisch? Wie werden die Mitarbeitenden motiviert und incentiviert, was treibt sie an? Was waren die Gründe, ein Compliance-Management-System einzuführen? War dies lediglich ein «Tick the Box» oder war ein wirksames CMS gewollt? Ist eine Organisation gewillt, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, kann sie den Ursachen für Fehlverhalten auf den Grund gehen und Präventionsmassnahmen für die Zukunft ergreifen.
Es hängt massgeblich von der Unternehmenskultur ab, wie sich Mitarbeitende und Führungskräfte in schwierigen Situationen verhalten. Eine gelebte Integrity im Unternehmen bedeutet, dass sich das Verhalten aller Mitarbeitenden an der integren Unternehmenskultur und den Unternehmenswerten ausrichtet. Dies schliesst die Einhaltung von geltenden Vorgaben ein. Integritätsmanagement zielt darüber hinaus auf das Erreichen von nachhaltigem und wertebasiertem Handeln ab. Ziel des Integritätsmanagements ist es, wertebasiertes Handeln proaktiv zu fördern. Anders als ein rein auf Regelkonformität ausgerichtetes CMS, stellt es den Menschen in den Mittelpunkt.
Häufig hängt der Stellenwert von Compliance leider auch davon ab, ob Ermittlungsbehörden bereits angeklopft haben. Dabei gibt es ausreichend Motivation: Wirksame Compliance- und Integritätsmanagementsysteme werden von den Ermittlungsbehörden durchaus in die Beurteilung des Sachverhaltes einbezogen und können das Strafmass spürbar reduzieren.
Die Unternehmensleitung muss unmissverständlich klar kommunizieren und vorleben, dass integres Handeln nicht verhandelbar ist. Ohne diese Signale und Unterstützung besteht die Gefahr, dass Mitarbeitende die Thematik nicht ernst nehmen und leben. Weiterhin braucht es die Mitwirkung des mittleren Managements und der einzelnen Entscheidungsträger. Kommunikation spielt dabei eine wesentliche Rolle.
Damit meine ich insbesondere die Entwicklung eines Kommunikationskonzeptes, die Festlegung der einzelnen Kommunikationsziele sowie die Überprüfung, ob diese Ziele tatsächlich erreicht wurden.
Eine Überprüfung eines erfolgreichen wertebasierten Compliance- und Integritätsmanagements erfolgt, indem die Wirkung der Systeme und Massnahmen gemessen werden, KPIs vorliegen und die Daten ausgewertet werden.
Die Daten sind in den Organisationen verfügbar, sie werden aber zu selten analysiert, um zu erkennen, wo in der Organisation aktuell Compliance Themen sein können. Wichtig sind hier ferner eine Compliance-Risikoanalyse sowie Zielvorgaben und Benchmarking.
Compliance sollte nicht auf Abteilungsdenken begrenzt sein. Die Themen ziehen sich durch alle Prozesse und Bereiche einer Organisation, von Risikomanagement bis Nachhaltigkeit, über Unternehmenskultur bis hin zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Davon ist Dr. Rita Pikó überzeugt.
Gerade in unseren turbulenten Zeiten mit immer neuen Herausforderungen bedarf es einer Herangehensweise, die die Mitarbeitenden einbezieht und auch mutig neue Wege entwickelt.
Dr. Rita Pikó, LL. M., ist seit rund 25 Jahren als Rechtsanwältin mit Zulassungen in Deutschland und der Schweiz tätig, heute in ihrer eigenen Kanzleiboutique Pikó Uhl Rechtsanwälte AG in Zürich. Sie arbeitete in den Sozietäten Hengeler und Clifford Chance in Frankfurt am Main und war Global Chief Compliance & Risk Officer sowie Corporate-Governance-Beauftragte der Celanese AG mit Kotierungen an den Wertpapierbörsen von New York und Frankfurt am Main. Sie ist seit 2010 ständige Referentin des Exzellenzprogramms für Aufsichtsräte an der Frankfurt School of Finance & Management sowie Dozentin für Compliance an verschiedenen Hochschulen. Seit 2022 ist Frau Dr. Pikó Mitglied des Compliance-Ausschusses des Schweizerischen Nationalfonds. Zudem ist sie Co-Leiterin der DICO-Arbeitskreise „Integrity“ und «ESG – Corporate Sustainability». Sie publiziert regelmässig zu Aufsichtsrats- und Compliance-Themen und berät auf den Gebieten Corporate Governance, Corporate Compliance sowie verantwortungsvoller Unternehmensführung und führt interne Untersuchungen durch.
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